Was bedeutet Nachhaltigkeit?

Die internationale Staatengemeinschaft hat sich 1992 in Rio de Janeiro zu einer nachhaltigen Entwicklung bekannt und mit der Agenda 21 ein globales Aktionsprogramm aufgelegt. Die Staaten verpflichteten sich, Nachhaltigkeitsstrategien einzuführen. Was ist Nachhaltigkeit und wie funktioniert die Umsetzung in Deutschland?

Woher kommt der Begriff Nachhaltigkeit?

Der Begriff stammt aus der Forstwirtschaft. Als Holz knapp wurde, stellte Hans Carl von Carlowitz 1713 in seiner Schrift Sylvicultura Oeconomica fest, dass man stets soviel Wald nachpflanzen muss, wie abgeholzt wird. Heutzutage sind es die Ressourcen insgesamt, die wir übernutzen. So lag der Earth-Overshoot-Day 2013 am 20. August. Er markiert den Tag, an welchem die Nachfrage an Ökodienstleistungen das Angebot an erneuerbaren Ressourcen übersteigt. In Deutschland fällt dieser Tag in den Mai. Für den Rest des Jahres bedienen wir uns am Budget künftiger Generationen und Deutschland sich auch am Budget anderer Nationen.

1972 Grenzen des Wachstums bzw. Zeitalter des Anthropozäns

1972 erscheint die Studie Grenzen des Wachstums von Donella und Dennis Meadows et. al. im Auftrag des Club of Rome. Nachdem wir Menschen viele Jahrhunderte lang die Naturgewalten als Grenzen der Erde akzeptierten, haben wir mit Beginn der Industrialisierung angefangen, diese Grenzen selber zu definieren und belasten Erde und Atmosphäre damit lebensbedrohlich. Man spricht vom Zeitalter des Anthropozäns.

1987 Brundtland-Bericht

Die Vereinten Nationen setzen 1983 die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Kommission) ein, die sich mit den Grenzen der Erde beschäftigt. In ihrem Abschlussbericht 1987 plädiert sie für eine neue Grundlage der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen. Es geht darum, so zu wirtschaften, dass wir uns die Lebensgrundlagen nicht entziehen: Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

1992 Agenda 21

Die Erkenntnisse der Brundtland-Kommission waren Basis für die VN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro. Auf diesem Erdgipfel bekannte sich die internationale Staatengemeinschaft zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung und gab sich mit der Agenda 21 ein globales Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert. Die Staaten verpflichteten sich, Nachhaltigkeitsstrategien zu implementieren, in denen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte gleichrangig zu berücksichtigen sind.

2001 Rat für Nachhaltige Entwicklung

Die Bundesregierung beruft den Rat für Nachhaltige Entwicklung. 15 Personen des öffentlichen Lebens werden für drei Jahre von der Bundesregierung berufen. Der Rat berät die Bundesregierung und äußert sich regelmäßig mit eigenen Publikationen zu wichtigen Nachhaltigkeitsfragen. Mit seinen Jahreskonferenzen bietet er eine Plattform zum Austausch für zivilgesellschaftliche Akteure.

2002 Nationale Nachhaltigkeitsstrategie und Indikatoren

Die rot-grüne Bundesregierung legt - nach jahrelangen Vorarbeiten - 2002 erstmals die Nachhaltigkeitsstrategie Perspektiven für Deutschland vor. Seit 2004 wird die Nachhaltigkeitsstrategie alle vier Jahre fortgeschrieben – zuletzt mit dem Fortschrittsbericht 2012. Die Aufgabe der Nachhaltigkeitspolitik besteht darin, Leben und Wirtschaften so zu gestalten, dass die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und die menschliche Integrität geschützt wird. Den Stand der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland misst das Statistische Bundesamt im Auftrag der Bundesregierung regelmäßig alle zwei Jahre anhand von 38 Indikatoren in 21 Bereichen.

Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung im Bundeskanzleramt

Erarbeitet wird die Nachhaltigkeitsstrategie von den Ministerien, die Koordination übernimmt der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung. Er ist Lenkungsgremium für die Nachhaltigkeitsstrategie und trifft Beschlüsse zu wichtigen Nachhaltigkeitsthemen.

2004 Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung im Bundestag

Der Deutsche Bundestag setzt nach langen und intensiven Diskussionen über seine mögliche Form den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung (PBnE) ein, um die Nachhaltigkeitsstrategie auf parlamentarischer Ebene zu begleiten und deren Umsetzung zu fördern. Der PBnE wurde am 20.02.2014 zum vierten Mal in Folge eingesetzt (18/559) und existiert nunmehr seit zehn Jahren.

Die Arbeit des Beirats ist darauf ausgerichtet, dem Politikbetrieb eine langfristige und weniger von Parteiinteressen abhängige Richtung zu verleihen. Er fasst seine Beschlüsse nach Möglichkeit im Konsens aller im Bundestag vertretenen Parteien.

Der PBnE begleitet die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung auf nationaler, europäischer und VN-Ebene. Er arbeitet auf nationaler Ebene zusammen mit dem Rat sowie dem Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung. Auf europäischer Ebene pflegt er den Austausch mit Kommission und Parlamenten (EP wie andere nationale Parlamente). Zudem bewertet er die Nachhaltigkeitsprüfung der Bundesregierung im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung, die der PBnE eingefordert hatte. 

2012 Rio+20 The Future We Want

Brasilien lud noch unter Lula da Silva die Vertragsstaaten zur Rio+20-Konferenz. Ziel war es, einen verbindlichen Rahmen für ein umweltverträgliches Wirtschaften im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung und einer Armutsreduzierung zu schaffen. Brasilien verhinderte ein Scheitern, indem es strittige Punkte im Abschlussdokument The Future We Want rechtzeitig gestrichen hat. Dies wurde von den NGOs heftig, aber auch von der Bundesregierung kritisiert. Dennoch wurde eine gute Basis für die Ausarbeitung weltweiter Nachhaltigkeitsziele geschaffen und die Einrichtung eines Nachhaltigkeitsrates auf VN-Ebene. Aus dem Umweltprogramm UNEP wurde zwar keine Sonderorganisation, aber dessen Finanzrahmen gestärkt.

Der PBnE hat sich zur VN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung Rio+20 interfraktionell positioniert. Für das Rio-Jahr 2012 hatte er beim internationalen Studentenfilmfestival sehsüchte in Potsdam einen Nachhaltigkeitsfilmpreis ausgelobt. Der Preisträger ist: Behind the Screen – Das Leben meines Computers. Die grüne Bundestagsfraktion hat sich mit einer Konferenz Rio20+ Zukunft geht nur grün! am 12. Mai 2012 in Berlin mit dem Thema auseinandergesetzt.


2014 und 2015 Institutionalisierung der Nachhaltigkeitsinstitutionen weltweit

2014 in Budapest lud der Ombudsmann für künftige Generationen in Ungarn ein zur Nachhaltigkeitskonferenz aller parlamentarischen und Regierungsinstitutionen. 2015 setzte die Konferenz ihre Arbeit fort. Mehr dazu: Roundtable-of-Institutions-for-a-Sustainable-Future

 

Beschlüsse und Berichte des PBnE im Rahmen seiner laufenden Aufgaben

 

 

 

 

 

  • VN-Nachhaltigkeitspolitik: Interfraktioneller Antrag „VN-Konferenz Rio+20: Nachhaltigkeit global umsetzen“: 17/7182  sowie Teilnahme an Konsultationsverfahren auf EU-Ebene, Rot-Grüne Anträge 17/9920 sowie 2002: 14/9056, 1997: 13/7783, 1998: 13/10010

 

  • Die Nachhaltigkeitsprüfung in der Gesetzesfolgenabschätzung wurde auf Initiative des PBnE in § 44 GGO verankert (vgl. Arbeitshilfe). Seitdem bewertet er regelmäßig die Nachhaltigkeitsprüfung der Regierung: PBnE Erfahrungsbericht Nachhaltigkeitsprüfung 17/6680

 

 


Weitere Positionspapiere und Beschlüsse

 

Die Grüne Position im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung

Die Grünen setzen sich dafür ein, dass keine Politik mehr gegen die Nachhaltigkeitsstrategie erfolgt. Eine Subventionspolitik, die dazu führt, dass Meere überfischt und hoher Ressourcenverbrauch belohnt werden, die Landwirte zur Ausbeutung der Böden und zur Massentierhaltung zwingt, um existieren zu können, widerspricht dem Prinzip einer nachhaltigen Entwicklung, die die Grenzen der Erde respektiert. Angesichts der weiter steigenden Weltbevölkerung ist der Spagat zwischen Wachstum und Teilhabe auf der einen und den Grenzen der Erde auf der anderen Seite eine zunehmende Herausforderung. Als Industrieland mit regelmäßigen Exportüberschüssen zählen wir als Nation zu den Privilegierten auf dieser Erde und sind deshalb besonders dafür verantwortlich. Damit hat sich die Grüne Bundestagsfraktion auf ihrer Konferenz Rio20+ Zukunft geht nur grün! am 12. Mai 2012 in Berlin auseinandergesetzt.

Auf dieser Seite finden Sie Pressemitteilungen, Reden und Kommentare zu meiner Tätigkeit im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. Ich freue mich über Ihre konstruktiven Fragen und Anregungen.

Ihre Dr. Valerie Wilms

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