Haushaltsdebatte: Es geht darum Werte zu erhalten

Das heutige Finanzierungssystem im Verkehrsetat ist veraltet. Das Kernproblem ist: Wir haben keine Ahnung vom Zustand der Verkehrswege, weil simple kaufmännische Prinzipien im Bundeshaushalt missachtet werden. Daran muss die große Koalition endlich etwas ändern.

11.04.14 –

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich das, was wir jetzt schon über eine Stunde lang gehört haben, Revue passieren lasse, dann kann ich nur feststellen: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, Politik ist nicht nur das Aufzählen von Problemen und Träumereien ‑ das gilt insbesondere für das, was Herr Dobrindt uns gezeigt hat ‑, sondern hier muss es auch um Lösungen gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es beschämend, wie Sie als Große Koalition, die Sie wirklich eine riesige Mehrheit in diesem Hause haben ‑ leider ‑, nur den Status quo verwalten. Sie haben schon jetzt, zu Beginn der Wahlperiode, Ihre Arbeit praktisch eingestellt. Sie reden um die wahren Probleme herum und tun so, als ob alles so weitergehen kann wie bisher. Dabei wissen Sie es ja wirklich besser.

Auch die Bürgerinnen und Bürger merken zunehmend, dass etwas gewaltig schiefläuft. 95 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner kleinerer Städte beklagen laut einer infas-Umfrage aus dieser Woche inzwischen den Verfall der Verkehrswege. Alle sehen, dass wir so, wie bisher, nicht weitermachen können. Nur Sie in der Großen Koalition sind da offensichtlich blind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie tun so, als ob mit den zusätzlichen 5 Milliarden Euro, von denen Sie hier gesprochen haben, alle Probleme gelöst werden.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Das stimmt nicht!)

Das stimmt aber nicht. Herr Dobrindt, sagen Sie doch offen, dass Sie den größten Brocken Ihrer zusätzlichen 5 Milliarden Euro in den Beginn neuer Straßenbaumaßnahmen stecken. Wohl gemerkt: Sie versenken das Geld für den Beginn von neuen Projekten und verpflichten uns für die nächsten Jahre ‑ und auch unsere nachfolgenden Generationen ‑ zu weiteren Milliardenausgaben, um das alles fertigzustellen, damit keine Investruinen herumstehen. Das ist ein unverantwortlicher Umgang mit Steuermitteln;

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

denn wir haben vor allem Probleme mit dem Erhalt unserer Verkehrswege. Hierfür brauchen wir mehr Mittel, Herr Verkehrsminister, und nicht für den Neubau.

Wir müssen es hier ganz deutlich sagen: Bringt diese Koalition die fehlenden Mittel für den Erhalt nicht auf, können Straßen, Schienenstrecken und Wasserstraßen nicht im heutigen Umfang erhalten bleiben. Das ist doch ganz logisch! Das kann man mit dem kleinen Einmaleins berechnen; dafür braucht man keine Exponentialgleichungen oder Ähnliches zu lösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Mittel für den Erhalt der Substanz nicht da sind, dann müssen Sie von der Großen Koalition ehrlich sagen, was dem Verfall überlassen werden soll. Welche Straße, welche Brücke oder welche Schienenstrecke wollen Sie zurückbauen? Sagen Sie das den Menschen ehrlich! Ich bin sehr gespannt, was dann in den Wahlkreisen los ist, was die Damen und Herren mit Direktmandaten erleben werden.

Ich kann nur sagen: Wir Grüne wollen die geschaffenen Werte erhalten und nicht herumtricksen. Hören Sie von der Großen Koalition endlich auf, den Menschen weiter etwas vorzugaukeln!

Sie legen aber noch eine weitere Schüppe drauf, Herr Dobrindt. Es ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, dass Sie den Fertigbau begonnener Straßen als Bestandsinvestitionen bezeichnen.

(Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das geht gar nicht!)

So wird das verkehrspolitische Mantra von Erhalt vor Neubau und Ausbau, das Sie ja auch wieder groß im Mund geführt haben, zur echten Farce. Schade!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben heute viel über fehlende Mittel gehört. Das aber ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille ‑ das viel tiefer liegende Problem ‑ ist die gesamte Finanzierungsstruktur. Damit müssten Sie sich als Koalition befassen. Mit Ihren Mehrheiten könnten Sie das regeln. Sie haben aber die Probleme offensichtlich noch immer nicht begriffen.

Unser jetziges Haushaltssystem ist rein am Ausgeben von Geld orientiert. Geld ausgeben ist ja auch die Lieblingsbeschäftigung dieser Großen Koalition. Das Kernproblem ist aber: Wir haben keine Ahnung vom Zustand unserer Verkehrswege, weil simple kaufmännische Prinzipien im Bundeshaushalt missachtet werden. Das ist unverantwortlich. Das ist die Verantwortung dieser Großen Koalition und ihres bayerischen Verkehrsministers.

Es ist nicht zu rechtfertigen, wie hier mit den uns anvertrauten Steuermitteln umgegangen wird. Es ist jetzt wirklich die Aufgabe dieser Großen Koalition, da endlich etwas zu ändern; denn ich kann mich entsinnen: Gerade die Union legt doch immer großen Wert auf ihre Wirtschaftskompetenz. Dann handeln Sie selbst endlich wie ehrbare Kaufleute. Das sehe ich bislang nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Erkenntnisse haben sie nicht!)

Auch die SPD behauptet jetzt, Wirtschaftskompetenz zu besitzen, aber auch da sehe ich nichts. Würden nämlich Unternehmen ihre Bilanz so machen, wie wir den Bundeshaushalt führen, dann wären sie längst pleite. Meine dringende Aufforderung ist daher: Lassen Sie uns ein System erarbeiten, mit dem wir endlich auch den völlig normalen Wertverlust von Straßen, Schienen oder Brücken im Haushalt berücksichtigen.

Meine Fraktion setzt sich daher für eine Vermögensbilanz im Verkehrsetat ein. Wir wollen kaufmännische Prinzipien einführen. Damit könnten wir auf den ersten Blick erkennen, wie groß die Werteverluste durch Abnutzung der geschaffenen Anlagen sind, die wir mit Steuergeldern geschaffen haben. Wir würden dann sehen, wie viel wir reinvestieren müssen ‑ auch Sie, meine Damen und Herren Zuschauer, ‑

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Ihre Redezeit, Frau Kollegin.

Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

‑ könnten das dann sehr deutlich sehen ‑, um das Verkehrsnetz wenigstens auf dem gleichen Stand zu erhalten. Von unseren Kommunen verlangen wir das schon längst.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Es reicht nicht, vor allem für eine Koalition mit diesen Mehrheiten, einfach so wie immer weiterzumachen. Sie haben eine langfristige Verantwortung. Handeln Sie verantwortungsbewusst! Erhalten Sie die geschaffenen Werte! Lassen Sie uns das gemeinsam machen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kategorie

Rede