Leiser Schienenverkehr lässt auf sich warten

Rede im Bundestag Der Regierungsentwurf für leiseren Schienenverkehr gilt nur für Neubauten und erst für Projekte des neuen Bundesverkehrswegeplans. Wer Pech hat bekommt noch in vielen Jahren eine laute Strecke vor die Nase gesetzt. Für bestehende Strecken gib es gar keine Lösung.

28.09.12 –

Rede im Bundestag

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Wenn wir uns das so anhören, was die Kolleginnen und Kollegen eben schon gesagt haben: Es ist erschütternd. Wir bekommen schon seit langem keine vernünftigen Begründungen mehr dafür, dass der Schienenverkehr doppelt so laut sein darf wie der Straßenverkehr. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Der sogenannte Schienenbonus in Höhe von 5 Dezibel, also eine Prämie für die Schiene, geht einher mit einer Verdopplung der Lautstärkewirkung. Das ist etwas, worum wir uns wirklich dringend kümmern müssen.

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Auf diesen Gesetzentwurf haben wir schon lange gewartet. Wir können uns fragen, warum dieser Entwurf Ewigkeiten zwischen den Ressorts hin- und hergeschoben wurde. Das können wir aber auch sein lassen; denn ein solches Verhalten ist ja bei allem der Fall, was diese Regierung in ihrer Endzeitstimmung anfasst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Detail hat sich im Vergleich zu den ersten Entwürfen jedenfalls nichts Wesentliches geändert. Grundsätzlich kann man sagen: Die Sache ist richtig, notwendig und vor allem dringend. Sie ist aber nur ein Detail eines großen Problems. So wie Sie das Ganze jetzt angelegt haben, wird es zunächst nur ganz wenigen helfen, die vom Verkehrslärm betroffen sind.

Erst nach dem nächsten Bundesverkehrswegeplan sollen neue Schienenstrecken leiser gebaut werden. Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Dieser muss eigentlich 2015 beschlossen werden. Die Erfahrungen lehren uns allerdings, dass es, sofern es gut geht, 2016 oder eher 2017 sein wird. Und mit dem von Herrn Herzog schon angesprochenen kleinen Kniff kann der Vorhabenträger besonders genial vorgehen: Dann schiebt er alles nach hinten, indem er vorher mit der Planfeststellung für all die Projekte, die er noch durchziehen will, beginnt, und schon haben wir 2020 und noch später.

Jeder weiß, dass sich der Bau von Schienenprojekten über Jahrzehnte hinziehen kann. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Mittel nicht reichen. Dafür haben wir ein besonders unrühmliches Beispiel, das wir eigentlich bis 2020 fertigstellen sollten. Ich denke da an die Rheintalbahn. Der Entwurf hält nämlich ausdrücklich fest, dass kein zusätzliches Geld ausgegeben werden soll. Dann wird alles noch länger dauern.
Wer Pech hat, bekommt auch noch in vielen Jahren eine neue Schienenstrecke in alter Lautstärke vor die Nase gesetzt. Soll das etwa eine ernsthafte Lösung für die von Güterzuglärm geplagten Anwohner sein? Wohl kaum. Hinzu kommt, dass es auch nur für Neubaustrecken in ferner Zukunft gilt. Das eigentliche Problem – beispielsweise das Mittelrheintal – sind die bestehenden Strecken, aber die haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, im Gesetzentwurf explizit ausgeschlossen.

(Oliver Luksic [FDP]: Wollen Sie den Güterverkehr abschaffen? Das geht doch gar nicht!)

Alte Strecken sind laut und dürfen es Ihrer Meinung nach bleiben. Es wird keinen Rechtsanspruch auf Sanierung bestehender Strecken geben. Nur wenn es im Haushalt entsprechende Mittel gibt, kann überhaupt etwas passieren. Die Koalition lehnt aber eine Erhöhung der Mittel ab – auch das steht in Ihrem Gesetzentwurf –, und dann schauen die Betroffenen noch lange in die Röhre.

(Oliver Luksic [FDP]: Dann müssen Sie den Güterverkehr abschaffen!)

Das alles zeigt uns: Auf die größte Frage des Problems hat diese Koalition in der Endzeit keine Antwort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Kernfrage lautet letztendlich: Wollen wir als Gemeinschaft, als Gesellschaft auf Kosten von Millionen von Menschen weiter Krach machen? Darum geht es, und darüber müssen wir diskutieren. Verkehrslärm ist neben Luftverschmutzung der zweitgrößte Verursacher von Gesundheitsrisiken. Auch soziale Folgen sind spürbar, weil ärmere Menschen häufig an lauten Orten – diese sind nämlich billiger – leben. Die standortbedingten gesundheitlichen Probleme verstärken sich damit weiter.

Das, Kolleginnen und Kollegen, sind die Probleme, über die wir reden müssen. Das sind die Probleme, für die wir eine Lösung brauchen. Aber leider hilft uns Ihr Gesetzentwurf dabei keinen Schritt weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir brauchen deswegen eine breite gesellschaftliche Debatte. Lassen Sie uns darüber reden, wie lange Menschen noch unter Verkehrslärm leiden sollen. Wir müssen diskutieren, was uns das wert ist. Es geht nicht nur allein um die Abschaffung des Schienenbonus; ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es dazu kommen muss. Vielmehr muss es jetzt darum gehen, wie wir die Mittel dafür generieren können – und zwar schleunigst und nicht erst 2020 oder noch später.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Wilms, achten Sie bitte auf die Zeit.

Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dem müssen wir uns stellen – Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss –; denn alles andere ist nur Placebo oder maximal eine Beruhigungspille. Die wollen Sie der Tribüne zwar verpassen, aber sie wird die Ursache nicht beseitigen.

(Gustav Herzog [SPD]: Es ist niemand mehr auf der Tribüne!)

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

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Rede | Schiene