Zuhören wagen

Abgeordnetenwort für Uetersener Nachrichten Seit einigen Wochen gehen vor allem in Dresden Menschen – unter einem offen ausländerfeindlichen Banner – für sehr unterschiedliche Anliegen auf die Straße. Sie werden von einer sehr diffusen Wut „gegen die da oben“ geeint. Das hat auch mit einem Transparenzproblem des Bundestages zu tun.

31.01.15 –

Abgeordnetenwort für Uetersener Nachrichten


Liebe Leserin, lieber Leser,

seit einigen Wochen gehen vor allem in Dresden Menschen – unter einem offen ausländerfeindlichen Banner – für sehr unterschiedliche Anliegen auf die Straße. Sie werden von einer sehr diffusen Wut „gegen die da oben“ geeint. Damit sind vor allem Politiker gemeint, die jeglichen Bezug zu „denen da unten“ verloren haben sollen. Mit dieser Wahrnehmung werden wir immer wieder konfrontiert. Das stete Aufkommen und Verschwinden verschiedenster neuer Parteien und Bewegungen hat mit dem empfundenen Auseinanderdriften von Entscheidungsträgern und Betroffenen zu tun. Auch die Piraten und die AfD wurden und werden vom Protest gegen Intransparenz getragen.

Im letzten Jahr hat Roger Willemsen in seinem Buch „Das Hohe Haus“ den Bundestag nicht etwa in seiner Komplexität beschrieben. Er hat vielmehr das Parlament so beschrieben, wie es sich nach außen darstellt: Fast alle Beratungen finden hinter verschlossenen Türen statt. Die Bürgerinnen und Bürger können dann nur halbstündige „Schein“-Debatten im Plenarsaal verfolgen, bei denen alle Entscheidungen schon längst gefallen sind. Die Abgeordneten diskutieren wochen- und monatelang intensiv in Arbeitsgruppen, Fraktionen und Ausschüssen, aber unter sich hinter verschlossenen Türen. Die Bereitschaft, zu den Themen offen die Meinung der betroffenen Menschen abzufragen, gibt es nicht.

Der Bundestag hat ein Transparenzproblem und vor allem ein Problem damit, in die Menschen hineinzuhören und deren Anregungen dann auch ernsthaft zu behandeln. Wenn wir dies nicht lösen, werden wir immer wieder mit Protestgruppen konfrontiert werden. Sie werden Form und Farbe wechseln – aber sie werden ganz sicher nicht verschwinden sondern stärker werden. Es gibt keinen Grund untätig zu bleiben. Vor allem Union und SPD müssen endlich ihre Blockadehaltung aufgeben. Transparenz und Mitbestimmung nützen der Demokratie. Wir brauchen endlich öffentlich tagende Ausschüsse und Fragestunden, die den Namen verdienen, sowie Volksentscheide auf Bundesebene. Wir müssen nicht nur Transparenz wagen sondern den Menschen, von denen wir Abgeordnete nur auf Zeit delegiert worden sind, auch wirklich zuhören.

Herzlich,

Ihre Valerie Wilms

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