Energiewende ...erledigt!?

Grußwort zum Jahresforum des Hanseatischen Ingenieurs Club e.V.  Bei einem Blick auf die geplanten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz erkenne ich nichts von einer langfristigen Perspektive. So wird die Energiewende ausgebremst statt intensiviert.

13.06.16 –

Grußwort zum Jahresforum des Hanseatischen Ingenieurs Club e.V.

Anrede,

Anja Hajduk kann heute leider nicht hier sein. Sie hat mich als Kollegin aus der unmittelbaren Nachbarschaft gebeten, sie zu vertreten. Ich nehme die Möglichkeit gerne wahr und freue mich unter Ingenieuren zu sein. Im Bundestag sind wir Ingenieure in einer Minderheit. Deswegen ist es immer wieder ein wichtiger Moment für mich, wenn ich unter meinesgleichen sein und gleichzeitig über Politik sprechen kann.

Als Mitglied im Verkehrsausschuss beschäftige ich mich derzeit vor allem mit den Straßen- und Schienenprojekten, die für die nächsten 15 Jahre geplant werden. Darum soll es heute nicht gehen.

Es gibt jedoch eine deutliche Parallele zur Energiewende. In beiden Fällen muss die Politik langfristig und strategisch denken. Und in beiden Fällen wird sie – nach bisherigem Stand – ihrer Aufgabe nicht gerecht.

Es wird eben nicht an langfristige Perspektiven gedacht. Es wird nicht das Deutschland unserer Kinder und Kindeskinder in den Mittelpunkt gerückt. Es geht stattdessen um sehr kurzfristige Interessen und schnelle politische Gewinne nach dem Motto: wie kann ich dem Gegner eins auswischen und mir eine gute Ausgangsbasis für die Wiederwahl schaffen.

Hatten das die Mütter und Väter des Grundgesetzes bei der Formulierung des Artikel 38 wirklich so im Sinn? Da steht drin, dass die Abgeordneten die Vertreter des ganzen deutschen Volkes sind. Von einer Beschränkung auf eine Partei oder einen Wahlkreis kann ich da nichts drin finden.

Unsere Aufgabe in der Politik endet nicht mit der Wahlperiode und dem Engagement für die Wiederwahl. Unsere Aufgabe geht deutlich weiter: Wir müssen langfristig denken und Visionen erarbeiten, die der gesamten Gesellschaft nützen – und zwar auch in ferner Zukunft.

Bei einem Blick auf die geplanten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz erkenne ich nichts von einer langfristigen Perspektive.

Statt die Erneuerbaren zügig auszubauen, werden schmutzige Kohlekraftwerke noch lange im Markt gehalten. Die Klimaziele von Paris werden verfehlt. Der Ausbau der Windenergie im Norden wird ausgebremst. Hamburg als Windhauptstadt werden Steine in den Weg gelegt. Sollen das etwa die Ziele für eine zukunftsorientierte und nachhaltige Energiepolitik sein?

Zwar haben die Länder nach dem letzten Treffen (am 31.Mai) ein paar kleine Verbesserungen erreicht. Die größten Bremsklötze aber bleiben bestehen:

·     Es bleibt dabei, dass bis 2025 maximal 40-45 % des Stroms aus Erneuerbaren stammen sollen. Für die Pariser Klimaschutzziele brauchen wir aber ca. 60 % Ökostrom. Also Ziel verfehlt!

·     Die Ausnahmeregelungen für Ausschreibungen werden massiv eingeschränkt. Statt 1 MW sollen nur noch 0,75 MW von der Ausschreibung befreit werden. Das trifft vor allem die Bürgerenergie. Dabei würde die EU-Kommission sogar 18 MW bei Wind akzeptieren würde. Also auch hier Ziel verfehlt.

·     Die jährliche Ausbaumenge für Windkraft an Land wird begrenzt. Der Zuwachs an Windleistung pro Jahr dürfte sich damit im Vergleich der letzten beiden Jahre in etwa halbieren. Hier gab es zwar Zugeständnisse. Aber es ist definitiv zu wenig um die Klimaziele zu erreichen. Also wieder Ziel verfehlt.

·     Es sollen zwei neue Netzgebiete ausgewiesen werden. Voraussichtlich werden dabei Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordhessen zu Engpassgebieten. Hier soll die Bundesnetzagentur den Windkraftausbau künftig zusätzlich beschränken. Weil Kohle- und Atomstrom die Netze verstopft, muss die Windkraft jetzt dafür büßen. Klimaschutzziel wieder verfehlt.

·     Dann kommen noch Eingriffe ins Eigentumsrecht hinzu. Windkraftprojekte nach altem EEG wird 5 % der Vergütung einmalig gestrichen. Steigt der Windkraftausbau auf über 2.500 MW pro Jahr, wird die Vergütung auch im nächsten Jahr zusätzlich um weitere 2,4 % gekürzt.

So wird die Energiewende ausgebremst statt intensiviert.

Da komme ich als Ingenieurin immer wieder ins Staunen, wie ideologisch und unter Marketinggesichtspunkten die Politik handelt. Mathematische Zusammenhänge werden einfach nicht wahrgenommen. Dazu müsste ja die Lobbybrille abgelegt werden.

Werfen wir als Ingenieure einen Blick auf das heutige Energiewirtschaftssystem. Dann können wir schnell sehen, wie das System Schlagseite hat.

Auf der einen Seite haben wir ein Teilsystem mit staatlich festgesetzten Erzeugungspreisen. Das ist das EEG. Auf der anderen Seite haben wir ein Teilsystem, bei dem sich die Preise börsengesteuert bilden. Dabei gibt es Preise für kurzfristige Lieferung als auch für einen späteren Liefertermin.

Beide Systeme sind derzeit so miteinander verknüpft, dass der ganze erneuerbare Strom an die Börse gebracht werden muss. Die Differenz zwischen dem an der Börse dafür erlösten Verkaufspreis und dem an die Erzeuger über die EEG-Vergütung gezahlten Festpreis muss von den Verbrauchern über die EEG-Umlage ausgeglichen werden.

Nach Adam Riese ist klar zu sehen, was dabei passiert: je mehr EE-Strom an die Börse kommt, der keine Abnehmer findet, desto niedriger wird der Handelspreis an der Börse. Die EEG-Umlage steigt aber entsprechend an. Und damit steigt auch der Strompreis für die Endverbraucher. So geht es nicht weiter.

Vielmehr braucht es ein integriertes System, mit dem auch die erneuerbaren Energien in die Lage versetzt werden, bedarfsgerecht zu liefern. Das könnte funktionieren über lokale Netzsteuerung von Windkraft- und Solaranlagen in Verbindung mit BHKW-Anlagen mit großen Wärmespeichern. Ideen dazu aus dem Gabriel-Ministerium? Bislang Fehlanzeige. Aber hier im Norden gibt es dazu erste Ansätze mit dem Projekt NEW (Norddeutsche Energiewende) 4.0.

In diese aus Schleswig-Holstein und Hamburg vorgezeichneten Richtung muss die Berliner Politik endlich einbiegen. Sonst wird das nichts mit Klimaschutz und Energiewende.

Ich hoffe, wir können hier auf ihre Unterstützung zählen.

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