Maritime Wirtschaft braucht Klarheit statt Ankündigungen

Rede im Bundestag am 13. Mai 2011 Die Bundesregierung muss sich klar und eindeutig zur Reduktion der Schwefelgrenzwerte in Schiffstreibstoffen bekennen. Werften, Reeder, Häfen und die gesamte Schifffahrtsbranche müssen wissen, worauf sie sich einzustellen haben. Derzeit ist völlig unklar, was Regierung und Koalition eigentlich wollen.

13.05.11 –

Rede im Bundestag am 13. Mai 2011

Die Bundesregierung muss sich klar und eindeutig zur Reduktion der Schwefelgrenzwerte in Schiffstreibstoffen bekennen. Werften, Reeder, Häfen und die gesamte Schifffahrtsbranche müssen wissen, worauf sie sich einzustellen haben. Derzeit ist völlig unklar, was Regierung und Koalition eigentlich wollen.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Es ist gut, dass wir heute über die maritime Wirtschaft reden, gerade im Vorfeld der nationalen maritimen Konferenz Ende des Monats - in 14 Tagen ist es so weit - in Wilhelmshaven. Auch wir Grünen sind uns bewusst: Ein Exportland wie Deutschland ist auf eine leistungsfähige Schifffahrt angewiesen. Wir brauchen gute Häfen. Wir brauchen eine vernünftige Hinterlandanbindung. Auch wir wollen Knowhow in Deutschland halten und setzen auf die Fähigkeiten guter Ingenieurinnen und Ingenieure im Schiffbau und beim Ausbau der Windkraft. Aber diese schönen Bekenntnisse, die auch meine Vorredner teilweise gemacht haben, reichen nicht aus, wenn die Zielrichtung fehlt.

Wenn man den Koalitionsantrag und den Bericht der Bundesregierung liest, wird ein ganz seltsames Muster Ihrer Arbeit deutlich: Es wird viel angekündigt, und es werden Verpflichtungen eingegangen; aber wenn es an die konkrete Umsetzung geht, wird laviert und verzögert. Am Ende weiß keiner mehr, wofür Sie stehen. Die einzige Linie, die erkennbar bleibt, ist die standhafte Weigerung, eine umweltfreundliche und klimaschonende Schifffahrt Realität werden zu lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Torsten Staffeldt (FDP): Das stimmt nicht, Frau Dr. Wilms!)

Nehmen wir nur das Beispiel der sauberen Treibstoffe. Es gibt ein internationales Abkommen, das maßgeblich von Deutschland vorangetrieben wurde. Schwefelarme Treibstoffe sollen zumindest in Nord- und Ostsee stark schwefelhaltiges Schweröl ersetzen. Auch Amerika hat sich auf diesen Weg begeben. Das ist eine vernünftige und dringend notwendige Maßnahme zum Schutz von Gesundheit, Meer und Klima.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die fahrenden Müllverbrennungsanlagen auf See müssen endlich abgelöst werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu müsste sich die Schifffahrt umstellen. Das ist keine Frage. Die Fristen dafür sind schon lange bekannt. Eine verantwortungsbewusste Regierung würde jetzt zu einem internationalen Abkommen, das Deutschland geschlossen hat, stehen. Aber was machen Sie? Sie lassen sich lieber auf die Vorhersagen einer - Entschuldigung, dass ich das so drastisch sagen muss - halbgaren Studie ein, die das Ende der Ostseeschifffahrt heraufbeschwört.

(Torsten Staffeldt (FDP): Es gibt acht Studien, Frau Dr. Wilms, die alle das Gleiche sagen!)

- Herr Staffeldt, beim besten Willen:

(Torsten Staffeldt (FDP): Das ist aber wahr!)

Ich habe bei der von Ihrer Fraktion getragenen Regierung nachgefragt und die deutliche Aussage erhalten, dass insbesondere die immer wieder herangezogene ISL-Studie massive methodische Fehler enthält.

(Torsten Staffeldt (FDP): Acht Studien!)

Es wurde nur auf die Ostseefährschifffahrt und den Lkw-Verkehr, der angeblich drohen würde, eingegangen. Die Möglichkeit von Bahntransporten ist völlig außer Acht gelassen worden. So gehen diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen mit den Fakten um. Das kann nicht sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie in allen Dingen! - Torsten Staffeldt (FDP): Sie sollten sich ein bisschen mehr damit beschäftigen! Die Bahnlinien gibt es da gar nicht, Frau Dr. Wilms!)

Es ist völlig unklar, was die Regierung und die Koalitionsfraktionen wollen.

(Ingbert Liebing (CDU/CSU): Sie hätten zuhören sollen!)

Einerseits begrüßt die Bundesregierung weiterhin das Abkommen der Internationalen Maritimen Organisation; das hat sie zumindest auf unsere Nachfrage hin gesagt. Sie will die Grenzwerte für Schwefel sogar im EU-Recht verankern. Das steht zumindest in der Antwort auf die Kleine Anfrage. Andererseits sprechen die die Regierung tragenden Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag von praxistauglichen Grenzwerten, schwadronieren über ein Moratorium und sagen, dass sie den Stichtag verschieben wollen. Was das bedeuten soll, bleibt offen. Kann sich bei Ihnen jetzt jeder das aussuchen, was er will? Wir sind von Ihnen schon einiges gewohnt. Rechtstaatlichkeit und Verlässlichkeit sind offenbar nicht mehr die Leitlinien Ihrer Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Koalitionäre, so schaffen Sie Unsicherheit für die gesamte maritime Wirtschaft. Wo bleibt denn der angeblich vorhandene wirtschaftspolitische Sachverstand dieser schwarz-gelben Koalition? Ich kann ihn nicht entdecken. Keiner weiß, worauf er sich einzustellen hat. Niemand wird in saubere Technik investieren. Damit verprellen Sie die Schiffbauindustrie in Deutschland und verzögern Investitionen in die für eine moderne, umweltfreundliche und zukunftssichere Schifffahrt auf der Basis von Gasantrieben notwendige Infrastruktur. Sie bedienen damit wieder einmal Einzelinteressen, was wir schon kennen. Wir haben hier die Hoteliersteuer in neuem Gewand.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

So geht das weiter. Sie holpern in einem Maße durch die Thematik, dass man sich wirklich nicht sicher sein kann, ob Sie wissen, was Sie tun.

(Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ganz sicher nicht!)

Genauso unklar wie bei den Treibstoffen bleiben Sie bei einem weiteren internationalen Abkommen. Noch im Juli dieses Jahres soll ein neuer sogenannter Energie-Effizienz-Design-Index für Schiffe eingeführt werden. Wir Grünen sind sicher die Letzten, die sich nicht für eine umweltfreundliche Schifffahrt einsetzen. Der Schiffbau in Deutschland hat eine lange Tradition; sein Anteil am Weltumsatz ist aber aufgrund der großen Konkurrenz aus Asien auf nur noch 1 Prozent gesunken. Nur beim Spezialschiffbau - das ist unsere Domäne - kann Deutschland noch mit modernen Offshoreversorgungsschiffen, mit modernen Fährschiffen und mit modernen Kreuzfahrtschiffen mithalten. Hier liegen die Potenziale unserer Werften.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und da sind Arbeitsplätze!)

- Haargenau, Frau Kollegin. - Aber wenn wir nicht aufpassen, dann wird das demnächst anders sein. Wenn der Energie-Effizienz-Design-Index so eingeführt wird, wie es jetzt vorgesehen ist, dann wird es für Spezialschiffe ganz eng. Der Index zielt hauptsächlich auf die Geschwindigkeit der Schiffe als Maß für die Effizienz ab; das allein ist wahrlich kein ausreichendes Kriterium. Genau hier liegt das Problem. Gerade im Spezialschiffbau werden Schiffe mit höheren Geschwindigkeiten gebaut; manche könnten dann als nicht mehr effizient genug gelten.

(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

Damit droht ein Schaden für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Werften. Ich kann nur hoffen, dass dies der Bundesregierung bewusst ist. Unterschreiben Sie nichts, was Sie hinterher nicht einhalten wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von dieser Ankündigungskoalition sind wir ja schon einiges gewohnt.

(Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, leider!)

Lassen Sie mich deswegen noch ein Wort zur Küstenwache sagen. Nirgendwo sonst wird die Saft- und Kraftlosigkeit dieser Regierung so deutlich wie hier. Schon im Koalitionsvertrag steht dazu nur eine besonders weichgespülte Forderung. Sie wollen keine Küstenwache, sondern reden nur von der Zielsetzung des Aufbaus einer Küstenwache.

(Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alles Küstennebel! - Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Gegenruf des Abg. Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Dann haben Sie zu tief ins Glas geguckt!)

Aber nicht einmal damit kommen Sie voran. Seit über einem Jahr wird jetzt zwischen den von Ihnen getragenen Ministerien hin- und hergeschachert, wer dabei den Hut aufhaben soll. Außer Ankündigungen ist nichts passiert.

Diese Ankündigungskoalition ist ein echtes Trauerspiel. Sie schieben die Posten genauso hin und her wie die Verantwortung. Dabei kommt Ihnen ganz klar der Überblick abhanden. Möglichkeiten werden einfach nicht genutzt. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso Deutschland im Juli dieses Jahres die Präsidentschaft im Ostseerat übernimmt, dieses Wort aber in allen Erklärungen zur maritimen Wirtschaft nicht ein einziges Mal erwähnt wird. Das zeigt das völlig fehlende Interesse an der gesamten Thematik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ingbert Liebing (CDU/CSU): Nun einmal halblang, Frau Kollegin!)

Das kennen wir ja schon. Insofern ist das für uns keine neue Erfahrung, aber es ist eine Enttäuschung, vor allem da der Wahlkreis der Kanzlerin direkt an der Ostsee liegt.

Über 11 Millionen Menschen fahren jährlich an die Ostsee und wünschen sich eine erholsame Zeit mit frischer Luft und sauberem Wasser. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Ostsee auf dem Meeresgrund in weiten Teilen praktisch tot ist. Hier müsste dringend gehandelt werden. Der Ostseerat wäre eine gute Möglichkeit dazu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier könnten Sie mit allen Anrainern zusammen etwas erreichen. Aber entweder denken Sie nicht daran, oder es ist Ihnen egal.

Insgesamt muss ich leider sagen: Die Arbeit dieser Bundesregierung ist mehr als enttäuschend. Aber das haben wir auch nicht anders erwartet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie kündigt an, aber setzt dann nichts um. Sie lässt die Möglichkeiten einfach liegen und schafft es nicht einmal, den eigenen Koalitionsvertrag umzusetzen. Sie schiebt die Posten hin und her und verunsichert nicht nur die maritime Wirtschaft. Die Zielrichtung bleibt unklar, und ich habe leider nicht das Gefühl, dass sich daran in Kürze etwas ändern wird. Wirtschaft braucht zu einem nachhaltigen Handeln verlässliche Ziele und kein Herumgeeiere.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

So, wie Sie es derzeit angehen, wird Wilhelmshaven sicherlich kein Aufbruch zu einer nachhaltigen maritimen Wirtschaft.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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