Debatte zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung

Rede im Bundestag am 12.Mai 2011 (zu Protokoll) Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung soll reformiert werden. Zunächst sollen Wasserstraßen nach Nutzung eingestuft werden, daran soll sich der Verwaltungsaufbau orientieren. Die Vorschläge der Bundesregierung bleiben jedoch auf halbem Wege stehen.

13.05.11 –

Rede im Bundestag am 12.Mai 2011 (zu Protokoll)

Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung soll reformiert werden. Zunächst sollen Wasserstraßen nach Nutzung eingestuft werden, daran soll sich der Verwaltungsaufbau orientieren. Die Vorschläge der Bundesregierung bleiben jedoch auf halbem Wege stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollgeen,

die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung beschäftigt uns nun schon eine geraume Zeit – und derzeit sieht es nicht danach aus, dass wir sie zügig zum Abschluss bringen könnten. Die Berichte der Bundesregierung lassen sehr viele Fragen offen. Schon der erste Bericht hatte viele Mängel – offensichtlich haben die Aufträge des Haushaltsausschusses nicht zu mehr Klarheit im Bundesverkehrsministerium geführt.

Die Bundesregierung scheint selbst nicht zu wissen, was sie eigentlich erreichen will. Deswegen passt oft ein Ende nicht zum anderen – zwar gibt es richtige Ansätze, die wir begrüßen, nur fehlt die Eindeutigkeit, wohin man damit will. Die Festlegung einer neuen Netzstruktur der Bundeswasserstraßen ist ein richtiger Ausgangspunkt. Aber nur wenn auch endlich strategische Ziele für das System Wasserstraße definiert und daraus die notwendigen Aufgaben abgeleitet werden, kann man die Verwaltung schließlich effizient organisieren.

Das Kernproblem dieser ist Reform ist jedoch, dass sie im „stillen Kämmerlein“ ausgearbeitet wurde. Sogar uns Abgeordneten wurde untersagt, die Direktionen, Ämter und Außenbezirke zu besuchen. Fraktionsübergreifend haben wir uns hiergegen ausgesprochen. Mit diesem Vorgehen hat das Verkehrsministerium bei allen Betroffenen nachdrücklich für Verunsicherung gesorgt. Spekulationen über eine mögliche Zerschlagung wurde breiter Raum gegeben – und damit der Erfolg der eigenen Arbeit gefährdet. Das ist absolut unverständlich.

Wir Grünen haben im letzten Jahr die ersten Ideen für eine neue Netzstruktur vorgestellt und eine Reform der Verwaltung gefordert. Wir haben die Regierungskoalitionen im Haushaltsausschuss unterstützt und es uns nicht als Opposition bequem gemacht. Dazu stehen wir und wir sehen uns hier auch in einer besonderen Verantwortung, diese Reform erfolgreich umzusetzen.

Ich gehe in die Ämter und höre, wie dort die Reformvorschläge bewertet werden. Sehr oft konnte ich feststellen, dass vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Defizite ihrer Verwaltung wohl bekannt sind – und die Bereitschaft besteht, die Mängel zu beheben. Uns ist klar: Eine Reform diesen Ausmaßes kann nur mit den Beschäftigten und Betroffenen gemeinsam erfolgen.

Als Gegensatz zu dieser Bereitschaft vor Ort empfinde ich die Erarbeitung der Reform im Hause Ramsauer. Hier scheint der echte Wille zu fehlen, wirklich etwas ändern zu wollen. Ganze vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkehrsministerium hatten in drei Monaten ein neues Konzept für über 10.000 Beschäftigte zu entwickeln – mit weitreichenden Auswirkungen für die Logistikbranche und auf ganze Regionen.

Die Ergebnisse dieses Vorgehens sind recht klar im zweiten Bericht der Bundesregierung zu lesen. Zahlreiche Verbesserungsvorschläge und Präzisierungen wurden ignoriert und nicht aufgenommen. Vor allem das Festhalten an der Tonnagemenge ist nicht nachvollziehbar. Erstens ist nicht klar, wie sie diese Mengen berechnen, wenn der Bericht die Verkehrsprognose 2025 und dazu nebulös „weitere Spezialprognosen“ zur Grundlage nimmt. So rutscht etwa die Elbe im Gegensatz zum letzten Bericht um eine Kategorie nach oben. Für wen soll hier wirklich nachvollziehbar sein, auf welcher Grundlage diese Reform aufgebaut wird? Das Vorgehen ist einfach nicht transparent.

Neben dieser unklaren Datengrundlage ist jedoch auch die Festlegung der Netzstruktur allein anhand der beförderten Tonnen pro Jahr nicht zweckmäßig. Bestimmte Güter können nicht aussagekräftig in physischen Gewichtseinheiten gemessen werden, sondern werden auch in der Anzahl der umgeschlagenen und transportierten Container bewertet. Gerade der steigende Anteil an Containern in der Schifffahrt muss deswegen bei der Netzstruktur der Wasserstraßen berücksichtigt werden. Mit dieser Datenbasis ist die gesamte Reform äußerst wackelig.

Damit sind die angegebenen Zeitpläne Makulatur. Im Kern sind die beabsichtigten Abläufe sogar gefährlich: Bevor überhaupt breit diskutiert wurde und der Haushaltsausschuss die Reformabsichten bewertet hat, will das Ministerium bereits mit der Entwidmung und Renaturierung bestimmter Wasserstraßen beginnen – ohne dass eine tragfähige Idee vorhanden ist, was die Auswirkungen der Entwidmungen sind. Bevor damit begonnen wird, muss mit betroffenen Wassersport- und Tourismusverbänden sowie Ländern und Kommunen über eine mögliche Übergabe oder die Neuregelung der Verantwortung gesprochen werden. Wenn hier die hoheitlichen Aufgaben im Hauruck-Verfahren aufgegeben werden, muss zukünftig bei jeder Ufersicherung oder Instandsetzung durch die örtlichen Behörden eine Genehmigung eingeholt werden.

Außerdem würde eine Wasserstraße mit ungeklärtem Folgestatus nicht mehr dem Bundeswasserstraßengesetz unterliegen – und demzufolge wäre unklar, wie und durch wen dann die erst kürzlich aufgenommenen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen sind. Hier merkt man besonders deutlich, dass die Reform einzig aus verkehrspolitischer Sicht erfolgt – und dann auch noch so schlecht.

Politik heutzutage kann jedoch die Probleme nicht nur von einer Seite betrachten, sondern muss die Auswirkungen auf viele Politikbereiche berücksichtigen. Bei dieser Reform gibt es einen eklatanten Mangel aus der Umwelt- und Naturschutzsicht sowie bei den Auswirkungen auf den Tourismus und die regionale Wirtschaftsförderung. Wenn diese Aspekte nicht eingebunden werden, wird die Reform entweder halbgar oder ganz scheitern – und definitiv zu höheren statt geringeren Kosten führen. Insgesamt kann man damit nur sagen: Die Bundesregierung hat bei dieser Reform weder gewollt noch gekonnt.

Der einzige Ausweg ist deswegen das Aussetzen der Reform – und die sofortige Einsetzung einer Kommission an der alle Betroffenen beteiligt werden. Diese Kommission soll die Umsetzung der neuen Netzstruktur der Bundeswasserstraßen und eine Verwaltungsreform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung begleiten. In ihr sollen Vertreter der Schifffahrtsbranche, der Häfen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, von Bund, Ländern und Kommunen sowie der Umwelt- und Naturschutzverbände und Expertinnen bzw. Experten für Verwaltungsreformen vertreten sein. Mit einem breiten Konsens können hier Wege gefunden werden, um eine umstrittene Reform zu erarbeiten und umzusetzen.  Ich fordere alle Fraktionen und Betroffenen auf, sich für diese Kommission einzusetzen!

Kategorie

Rede | Schifffahrt