100-Tage-Bilanz: Was macht eigentlich Alexander Dobrindt?

Die Bilanz des selbsterklärten Ministers für Mobilität und Modernität fällt mau aus:  Außer Wortgeklingel in der neuen Amtsbezeichnung und Ankündigungen in Sachen Pkw-Maut kann Alexander Dobrindt nichts Substanzielles vorweisen.

26.03.14 –

Die Bilanz des selbsterklärten Ministers für Mobilität und Modernität fällt mau aus: Außer Wortgeklingel in der neuen Amtsbezeichnung und Ankündigungen in Sachen Pkw-Maut kann Alexander Dobrindt nichts Substanzielles vorweisen. Während andere Kabinettskollegen emsig Reformvorhaben angeschoben haben, hat der Verkehrsminister aus Oberbayern die 100 Tage ohne nennenswerte Aktivitäten verstreichen lassen.

Dobrindt legt die schwächste Bilanz aller Kabinettsmitglieder vor. Dabei stehen wichtige Weichenstellungen bevor. Während die Substanz unserer Verkehrswege weiter verfällt, lässt der Minister eine Pkw-Maut durchrechnen, die bestenfalls ein Nullsummenspiel ist.

Die angekündigten 5 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur versickern weiter überwiegend in Straßenneubauprojekten. Dobrindt hat den Ernst der Lage beim Zustand der Verkehrsinfrastruktur offenbar noch nicht erkannt.

Hier eine Übersicht, was aus den Ankündigungen im Koalitionsvertrag bisher wurde:

Das steht im Koalitionsvertrag...

...und das wurde bisher daraus

Bundesverkehrswegeplan: „werden wir zügig (...) vorantreiben.“

Verkehrsprognose 2030: sollte bis Ende 2013 erfolgen – und wurde bisher nicht veröffentlicht; die Grundkonzeption soll überarbeitet werden – Veröffentlichung steht noch aus; dazu sollte die Veröffentlichung der Projekte erst Ende 2013 erfolgen, dann im 1. Quartal 2014, jetzt im Frühjahr – ob es schließlich Sommer oder Herbst oder gleich 2015 wird?

Investitionsmittel: „werden wir substanziell erhöhen (...); werden insgesamt fünf Milliarden Euro zusätzlich mobilisiert.“

 

Für 2014 und 2015 bekommt Dobrindt weniger als sein Vorgänger zusätzlich rausgeholt hat (1,5 statt 1,75 Mrd. Euro), offen bleibt, wie der Minister mit sinkenden Mauteinnahmen umgehen wird – es ist gut möglich, dass am Ende weniger Geld für Investitionen da ist als vorher.

Weitere Infos: Kleine Anfrage „Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“

„die LKW-Maut wird auf alle Bundesstraßen ausgeweitet.“

Die Zukunft des Mautbetreibers Toll Collect ist offen, weil der Minister nicht entscheidet. Klar ist: im jetzigen Vertrag ist die Ausweitung auf alle Bundesstraßen kaum möglich; weil nichts aus dem Ministerium kommt, haben wir es jetzt auf die Tagesordnung im Ausschuss gesetzt.

Weitere Infos: Kleine Anfrage „Zukunft von Toll Collect“

„Die LKW-Maut wird – unter Berücksichtigung der Ergebnisse des neuen Wegekostengutachtens – weiter entwickelt“

 

Das Gutachten ist wohl fertig und liegt im Ministerium; Unsere Fragen werden aber stets mit Verweis auf laufende Prüfungen zurück gewiesen; mit ziemlicher Sicherheit müssen die Mautsätze sinken. Eine Lösung hat der Minister bisher nicht vorgeschlagen – wir bleiben dran.

Weitere Infos: Schriftliche Frage zum Wegekostengutachten

„Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW.“ (CSU-Maut)

 

Konnte Dobrindt im Wahlkampf nicht oft genug über sein Lieblingsprojekt reden, ist er seit der Wahl plötzlich verstummt – jetzt ist ein Vorschlag für Juni 2014 angekündigt. Wir sind gespannt.

Weitere Infos: Kleine Anfrage zur PKW-Maut

„Erhalt und Sanierung vor Aus- und Neubau.“

72% der Zusatzmittel fließen in den Straßenbau; allein 1,5 Mrd. Euro in die durch die Sonderprogramme begonnenen Neubauten, beim Neu- und Ausbau von Bundestraßen werden die Mittel sogar von 213 auf 390 Mio. Euro erhöht.

Weitere Infos: Pressemitteilung vom 12.03.

Gemeindeverkehrsfinanzierung:

„Der Bund bleibt ein verlässlicher Partner der Kommunen bei der Finanzierung des kommunalen Verkehrs.“

Wie es 2019 weitergeht ist weiter völlig offen. Weder zum GVFG-Bundesprogramm noch für die Kompensationsmittel nach dem Entflechtungsgesetz („Länder-GVFG“) gibt es seitens des BMVI Vorschläge für die Zeit ab 2019

„Wir werden das Steuerungskonzept für die DB AG unter Berücksichtigung des Aktienrechts überarbeiten.“

Ob damit der neue Job für Ex-Kanzleramtsminister Pofalla gemeint ist?

Regionalisierungsmittel: „wir streben eine zügige Einigung mit den Ländern an.“

Es wird richtig knapp: Bis zum 1. Januar 2015 muss es eine Anschlussfinanzierung geben – bisher gibt es aber weder einen Zeitplan noch Klarheit über die Höhe der Mittel.

„Den Verkehrsträger Schiene wollen wir weiter stärken und ausbauen. Wir wollen eine leistungsfähige Schieneninfrastruktur und moderne sowie barrierefreie Bahnhöfe. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit müssen Markenzeichen der Bahn sein.“

Von diesem Anspruch ist die Bundesregierung weit entfernt. Statt einer ehrlichen Bilanz nach 20 Jahren Bahnreform setzt die Große Koalition auf ein schlichtes Weiter-so. Dabei zeigt der schlechte Infrastrukturzustand – die DB AG selbst spricht von einem 30-Milliarden-Euro-Sanierungsstau -, dass das Netz bei der DB AG in schlechten Händen ist. Die zahlreichen Auslandsgeschäfte (z.B. Busverkehr auf Malta) bringen dem Konzern kaum Rendite. Kurz: nach dem gescheiterten Börsengang ist eine Grundsatzdebatte über Rolle und Aufgabe des Schienenverkehrs in Deutschland überfällig.

„Durch eine Eisenbahnregulierung mit Augenmaß sichern wir Transparenz und den diskriminierungsfreien Marktzugang zur Eisenbahninfrastruktur.“

Hier gilt höchste Eisenbahn! Der Wettbewerb auf der Schiene ist noch immer nicht befriedigend, die DB AG hat zahlreiche Möglichkeiten, ihre Wettbewerber zu diskriminieren, etwa beim Fahrkartenbetrieb oder beim Bahnstrom. Ein Eisenbahnregulierungsgesetz ist in der letzten Wahlperiode am Widerstand der SPD gescheitert. Wir haben Druck auf die Regierung gemacht, so dass sie sich festlegen musste: es wird eine neue Vorlage zu einem ERegG geben. Mal sehen, wie lange sich Dobrindt dafür Zeit lässt…

Reform der Auftragsverwaltung Straße

Der Vorgänger rief Autofahrer auf, Schlafbaustellen zu melden – dann sollten „Erkenntnisse mit den Straßenbauverwaltungen der Länder erörtert“ werden; der „Baustellenmelder“ ist inzwischen offline – mehr passiert wohl erst mal nicht.

„Reformprozess der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (...) so entwickeln, dass die not- wendigen regionalen Kompetenzen gesichert werden.“

 

 

Die im Kern gute Reform wird verwässert: Statt eine Verwaltungsebene abzubauen, sollen offensichtlich Teile der bisherigen Direktionen und Ämter weiter bestehen bleiben. Weitere Infos: Kleine Anfrage WSV-Reform

„Unser Ziel ist eine nachhaltige Mobilitätskultur und eine nutzerfreundliche Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel.“

Bevor Dobrindt als Minister für „Modernität und Mobilität“ loslegen kann, muss er erst einmal bluten: 3,4 Mrd. € muss er aus seinem Etat an Umwelt- und Wirtschaftsministerium abgeben, weil er nicht mehr für Bauen zuständig ist – dafür bekommt er ganze 12 Mio. Euro für Digitales aus dem BMWi-Haushalt und 14 neue Mitarbeiter – Dobrindts Pläne sind da wohl eher virtuelle Realitäten.

Weitere Infos: Gastkommentar im Handelsblatt

„Wir streben (...) eine stärkere Rolle des Bundes bei der Planung eines deutschlandweiten Flughafennetzes an. Dazu erarbeiten wir im Dialog mit den Ländern und der interessierten Öffentlichkeit ein Luftverkehrskonzept.“

Bislang ist kein Luftverkehrskonzept in Sicht und es ist auch unklar, wann es kommt. Ausgerechnet bei dem Verkehrsträger, mit dem die längsten Strecken zurückgelegt werden und bei dem die europäische und die internationale Vernetzung am größten ist, hat der Bund in der Vergangenheit seine Kompetenzen unzureichend wahrgenommen. Hier bedarf es dringend einer besseren länderübergreifenden Abstimmung, Vernetzung und Planung. Zeitlich sollte man Luftverkehrskonzept und Bundesverkehrswegeplan parallel behandeln, denn es würde wenig Sinn machen diese Pläne zeitversetzt zu entwickeln.

Weitere Infos: Pressemitteilung vom 15. Januar.

„Bis zum Jahr 2018 soll es in Deutschland eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Mbit/s geben.“

Zur Zeit haben nur 14 Prozent der Haushalte einen Internetanschluss mit mind. 50 Mbit/s. Wie Dobrindt die restlichen 86 Prozent ans schnelle Netz anschließen will, darüber schweigt er sich aus. Statt Gelder gibt es ein Kaffeekränzchen mit der Wirtschaft. Die Ankündigung, den Ausbau mit den Erlösen aus den Frequenzversteigerungen zu fördern, ist unseriös: Niemand weiß, ob es tatsächlich zu nennenswerten Erlösen kommen wird.

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Schiene | Schifffahrt | Straße | WSV-Reform