Straßenbau: Bundesregierung geht mit Verkürzung des Rechtsweges viel zu weit

Rede im Bundestag Mit einem neuen Gesetz wird der Rechtsweg bei Klagen gegen viele Straßenprojekte verkürzt. Damit werden die Einflussmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern auch bei sehr umweltschädlichen Projekten untergraben. Das lehnen wir Grüne ab.

28.04.17 –

Rede im Bundestag

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte auch den einsamen Besucher auf der Tribüne herzlich begrüßen. Kommen wir doch einmal zu dem, was Frau Bär, unsere liebe Staatssekretärin, eben gesagt hat. Es ist erstaunlich, ich beginne die Rede mit etwas, das Sie gar nicht erwarten, Frau Bär: mit einem Lob für das BMVI. - Was ist los?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Gustav Herzog (SPD): Das raubt uns den Schlaf!)

Jetzt wird es richtig gefährlich.

(Gustav Herzog (SPD): Ja! Da fängt man schon an, darüber nachzudenken, was man falsch gemacht hat!)

Das, was Sie hinsichtlich der Radschnellwege gemacht haben, also dass Sie das als Bund jetzt angehen und für Förderung sorgen, ist in Ordnung. Das unterstützen auch wir.

(Anja Karliczek (CDU/CSU): Schön!)

Wir hätten uns nur gewünscht, dass Sie ein bisschen mehr Geld dafür finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Sebastian Hartmann (SPD): Das war jetzt aber gemein!)

Jetzt kommen wir zu den harten Fakten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf planen Sie erneut eine Beschränkung des Rechtsweges bei Straßenprojekten. Das heißt, Bürger und klageberechtigte Verbände haben für ihren Klageweg nur noch eine statt drei Instanzen zur Verfügung. Für eine stark verlängerte Liste an Projekten, für die diese Rechtswegausnahmen gelten, geht es dann nur noch zum Bundesverwaltungsgericht nach Leipzig. Sie haben wieder viele, viele Projekte dazugeschrieben. Sie haben auch ein paar gestrichen; das wissen wir.

(Gustav Herzog (SPD): Die Liste ist gekürzt worden! 46 sind weniger als 61!)

Sie wollen viele Projekte aus der Wahlkreisbeglückungsnummer Bundesverkehrswegeplan so vermeintlich schneller durchziehen. Dabei ist Ihnen selbst das eigentlich hohe Gut der Gerichtsinstanzen nicht mehr heilig. In der Liste, die Sie mit dem Gesetzentwurf vorlegen, stecken einige Projekte - das wissen auch Sie, Kollege Herzog; nicht immer falsche Sachen erzählen -, die eine hohe Umweltbetroffenheit aufweisen. Das sollte eigentlich gerade ein Argument sein, den Bürgern, Verbänden oder allgemein Betroffenen vollen Rechtsschutz zuzusichern und nicht diese verkürzte Nummer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Gustav Herzog (SPD): Der Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht ist ausreichend!)

Wie wäre es, wenn Sie die Betroffenen vor Ort auch einmal von Anfang an in die Planungen einbeziehen würden? Fehlanzeige!

(Gustav Herzog (SPD): Das machen wir doch!)

Stattdessen gaukeln Sie den Bürgern Beteiligung vor und nehmen ihnen dann auch noch Klageinstanzen weg. Das zeugt nicht gerade davon, dass Sie verstanden haben, was Bürgernähe bedeutet. Erstaunlich für die Sozialdemokraten!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für Sie findet Beteiligung nur in der obrigkeitsstaatlichen Auslegung der Planungsunterlagen statt. Das läuft dann so: Die Planfeststellungsbehörde legt den Ordner in einem Amt aus. Das war es.

(Gustav Herzog (SPD): Das steht heute alles im Internet!)

Eine echte Beteiligung sieht jedoch anders aus. Dass es die Bundesregierung mit der uferlosen Ausweitung der Liste im Gesetz übertreibt, zeigt ein kurzer Blick zurück. Das Gesetz war nämlich eigentlich für den Ausnahmefall gedacht

(Gustav Herzog (SPD): 46 Verkehrsprojekte, das ist eine Ausnahme!)

- das war damals die deutsche Einheit, und es waren dann die Brückenprobleme -, wenn etwa Gefahr im Verzug ist, wie vor wenigen Jahren an den Beispielen Leverkusener Rheinbrücke oder Rader Hochbrücke zu erkennen war. Die haben wir aufgenommen. Die Planungen für Ersatzbauwerke wurden nämlich über lange Zeit vernachlässigt. Nicht nur diese beiden Brücken mussten wegen Baufälligkeit auch teilweise gesperrt werden. Da muss es jetzt also schnell gehen. In solchen Fällen, wenn es also um dringend nötige Ersatzmaßnahmen geht, macht die Klausel zur Klagewegverkürzung durchaus noch Sinn. Dann kann man sich das ernsthaft vorstellen. Denn dann geht es darum, unser Verkehrsnetz, also die bereits geschaffenen Werte, zu erhalten. Aus diesem Grund können wir der pauschalen Ablehnung, die die Linke mit ihrem Änderungsantrag erreichen will, nicht zustimmen.

(Alexander Ulrich (DIE LINKE): Schade!)

Die Bundesregierung geht aber deutlich zu weit und meint, zweifelhafte neue Projekte wie die A 20 oder die A 39 schneller planen und bauen zu können. Sowohl Koalition als auch Linke überdrehen ihre gegensätzlichen Positionen. Wir plädieren für kluge Ausgewogenheit. Der Gesetzentwurf scheint wie ein Placebo gegen Planungsverzögerungen; denn viel Zeit in der Gesamtplanung wird nicht gewonnen. Die meiste Zeit nehmen nach wie vor die unheimlich schleppenden Planungsprozesse in Anspruch, nicht nur bei Fernstraßenprojekten. Hier regiert die organisierte Verantwortungslosigkeit zwischen Bund und Ländern. Ich hoffe, dass wir dieses Problem langsam gelöst bekommen. Die Schuld an der Dauer der Planungsprozesse den Bürgerinnen und Bürgern und den Verbänden zuzuschreiben, klingt da nur zynisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir lehnen die Rechtswegeinschränkung für so viele umstrittene Straßenprojekte daher ganz klar ab. Verschonen Sie die Kollegen, die in der nächsten Wahlperiode wieder dabei sind, künftig vor solchen Anträgen und Gesetzentwürfen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Gustav Herzog (SPD): 46 ist trotzdem weniger als 61!) 

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Bundesmobilitätsplan | Rede | Straße