Euro-Hilfe: Wilms beklagt Polit-Poker

Pinneberger Tageblatt vom 19. Mai 2010 Bundestagsabgeordnete „schockiert“ über Parteitaktik

19.05.10 –

Pinneberger Tageblatt vom 19. Mai 2010

von Sebastian Höhn

Bundestagsabgeordnete „schockiert“ über Parteitaktik

„Die Zeit des Taktierens ist vorbei – sonst könnte es für uns alle zu spät sein.“ Deutliche Worte, mit denen die Kreis Pinneberger Bundestagsabgeordnete Dr. Valerie Wilms (Die Grünen) den Stand der Verhandlungen über die Euro-Rettungspakete beschreibt. Bei der Parlamentsabstimmung über die ersten Hilfskredite für Griechenland in Höhe von 22,4 Milliarden Euro enthielt sich Wilms – ebenso wie die SPD, aber anders als die große Mehrheit ihrer 68 Fraktionskollegen, die dafür votierten. Ihre Begründung lässt tief blicken: Als neu gewählte Abgeordnete habe es sie „sehr erstaunt, wie parteitaktische Manöver aller Fraktionen unmittelbar vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die Oberhand gewonnen haben.“ Kein gemeinsamer Entschließungsantrag, keine Regulierung der Finanzmärkte. Das Signal an die Spekulanten sei verheerend: Die Politik könne oder wolle nicht handeln.

Gestern kam in Sachen Regulierung dann doch Bewegung in die Berliner Regierungskoalition: Union und FDP einigten sich auf ein grundsätzliches „Ja“ zur Einführung einer Finanzmarktsteuer. Auch das Verbot sogenannter ungedeckter Leerverkäufe wird diskutiert. Forderungen, die Wilms seit langer Zeit stellt. Von solchen Vorstößen macht die Bundestagsabgeordnete ihre Zustimmung abhängig, wenn voraussichtlich am Freitag das nächste, sehr viel größere Rettungspaket von knapp 150 Milliarden Euro im Parlament zur Diskussion steht. Falls es zu einem interfraktionellen Antrag kommt, der mit wirksamen Mechanismen zur Finanzmarktregulierung verknüpft ist, will sich Wilms nicht verweigern. Doch die Politikerin aus Wedel hat Zweifel: „Ich befürchte, dass es wieder einzelne Anträge geben wird.“

Ihre Skepsis rührt nach eigenen Worten aus der Erfahrung der vergangenen Wochen her. „Es war schockierend“, sagt Wilms. Seit der Verabschiedung der Bankenrettungspakete im Herbst 2008 seien mehr als eineinhalb Jahre lang keine Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte ergriffen worden – Leerverkäufe und „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ wie sogenannte Kreditausfall-Swaps seien nach wie vor uneingeschränkt nutzbar. Der Verpflichtung, aus der Vergangenheit im Sinne des Allgemeinwohls Lehren zu ziehen, sei der Bundestag bisher nicht gerecht geworden. Parteipolitisches „Kleinklein“ dominiere die Verhandlungen. Und: „Es hat den Anschein, dass die Republik von der Finanzwirtschaft regiert wird.“

Am Freitag hat der Bundestag laut Wilms eine zweite Chance zu zeigen, dass „die Politik Leitplanken für die Finanzmärkte aufstellen kann“. Für die Grünen-Politikerin ist dabei der kleinste gemeinsame Nenner: ein sofortiges Verbot ungedeckter Leerverkäufe und von Spekulationen mit Kreditausfall-Swaps sowie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer oder einer Finanzaktivitätssteuer.

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