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Die vernetzte Mobilität

Wenn die Politik über Verkehr und Mobilität redet, geht es meist nur um eins: Geld. Was aber geschieht, wenn die Milliarden nicht zusammen kommen? Dann brauchen wir die vernetzte Mobilität - vor allem auch in ländlichen Regionen wie in Schleswig-Holstein.

21.03.14 –

Wenn die Politik über Verkehr und Mobilität redet, geht es meist nur um eins: Geld. Die Grundstimmung ist: Es reicht nicht und wir brauchen mehr um Busse, Bahnen und Straßen zu erhalten und auszubauen. Je länger wir darüber reden, desto mehr Geld scheinen wir zu brauchen. Kommissionen und Studien haben Defizite in Milliardenhöhe festgestellt. Was aber geschieht, wenn diese Milliarden nicht zusammen kommen? Schon heute können wir ahnen, dass es zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine gewaltige Schere gibt und die gewünschten Mittel für Straßen, Schienen und Nahverkehr nicht ausreichen. Aber der Verkehr in unserem Land muss deswegen nicht zusammen brechen. Was wir brauchen, ist die vernetzte Mobilität.

Klamme Kassen

Die Mobilität der Zukunft wird wesentlich von zwei Faktoren bestimmt werden: Klammen öffentlichen Kassen und demografischem Wandel. Die finanzielle Zukunft Schleswig-Holsteins ist prekär: Die Verpflichtungen unseres Landes sind hoch und steigen weiter an. Trotz Einsparungen und Stellenabbau steigen zum Beispiel die Ausgaben für Pensionen. Insgesamt liegen die Verpflichtungen des Landes bei etwa 100 Milliarden Euro. Mit diesen Aussichten ist der finanzielle Spielraum des Landes sehr begrenzt. Die Finanzierung der zukünftigen Mobilität hängt damit sehr stark vom Bund ab: Aber die Mittel nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen laufen nach jetzigem Stand 2019 aus – pünktlich zur Schuldenbremse. Gleichzeitig sind diese Gelder (so lange sie noch fließen) nicht mehr nur für den Verkehr reserviert. Daneben gibt es Geld vom Bund für die Förderung des öffentlichen Schienennahverkehrs. Die Mittel für den eigentlichen Betrieb werden jedoch immer geringer, da die Kosten für Trassen- und Stationsnutzung ansteigen. 2014 müssen diese Mittel neu verhandelt werden, aber steigen werden sie kaum und es besteht sogar das Risiko einer Kürzung. Sollen die Menschen weiter öffentliche Verkehrsangebote nutzen, geht die Landesweite Verkehrsservicegesellschaft bis 2025 von einer jährlichen Finanzierungslücke von 22 Millionen Euro aus – selbst wenn die Fahrpreise angehoben werden.

Weniger Menschen

Der zweite entscheidende Faktor für die Zukunft unserer Mobilität ist der demografische Wandel. Projektionen gehen davon aus, dass die Bevölkerung Schleswig-Holsteins bis Mitte des Jahrhunderts um etwa 490.000 zurückgehen könnte, wenn die Zuwanderung nicht mehr als doppelt so stark wie in der Vergangenheit zunimmt. Das sind etwa achtzehn Prozent weniger Menschen und mehr als heute in Lübeck und Kiel wohnen. Dabei geht die Entwicklung auseinander: Während urbane Räume wie Kiel und der Hamburger Rand wachsen, geht die Bevölkerung im ländlichen Raum (v.a. in den Kreisen Schleswig-Flensburg, Steinburg und Dithmarschen) zurück. Auch die Altersstruktur wird sich weiter ändern: Es wird immer mehr ältere Menschen geben, die glücklicherweise immer länger fit sind und am Leben mit Mobilität teilhaben wollen. Für viele ist der Umgang mit dem Internet eine Selbstverständlichkeit. Rund 12,7 Millionen deutsche Internetnutzer sind über 55 Jahren – das ist mehr als in jeder anderen Altersgruppe. Aber auch bei den weniger werdenden Jungen ändert sich etwas: Das eigene Auto verliert an Bedeutung, während das Leben im und mit dem Internet an Bedeutung gewinnt.

Kaum Chancen für neue Projekte

Angesichts dieser Aussichten sind die Möglichkeiten für Neu- und Ausbauprojekte sehr begrenzt. Wer ehrlich ist, sollte sagen: Wir werden uns kaum neue Straßen und Schienenstrecken leisten können, sondern müssen froh sein, wenn wir das Bestehende für die weitere Nutzung erhalten können. Es wird kaum Spielraum für mehr öffentliche Busse und Schienennahverkehr geben. Wo die Bevölkerung schrumpft, wird es eine enorme Herausforderung, überhaupt bestehende Linien und Taktfrequenzen zu erhalten. Wir sollten davon ausgehen: Mehr wird es nicht – vor allem im ländlichen Raum.

Jeder macht sein Ding

Die heutige Mobilität ist fragmentiert: Es gibt in Schleswig-Holstein sechs Eisenbahn- und etwa fünfzig Busunternehmen, dazu Car-Sharing-Anbieter, Fahrradverleihsysteme, Taxen und viele Privatfahrzeuge. Wer unterwegs ist, nutzt die Verkehrsmittel getrennt und zahlt extra. Es gibt Fahrpläne für die öffentlichen Verkehrsmittel, Telefonnummern für Taxen, Websites für Car Sharing und Mitfahrzentralen wie das Pendlerportal. Privatfahrzeuge werden nur den besten Freunden verliehen – wenn überhaupt. Jeder macht eben sein Ding. Wer diese Möglichkeiten zusammen nutzen möchte, stößt schnell an Grenzen. Zwar gibt es gute Ansätze zur Verbindung wie den SH-Tarif, der fast landesweit einen einheitlichen Tarif für Busse und Bahnen ermöglicht. Auch die Deutsche Bahn vermarktet Fahrräder und Autos teilweise als Mobilitätsangebot zusammen mit dem Bahnticket. Insgesamt bleiben die meisten Möglichkeiten aber ungenutzt: Außerhalb von Ballungszentren und Stoßzeiten sind Busse und Bahnen deshalb oft leer, Taxifahrer verbringen ihre Zeit vor allem mit Warten und Autos stehen die meiste Zeit am Tag ungenutzt auf einem Parkplatz herum. Wir müssen uns deswegen fragen: Wollen und können wir so weiter machen? Können wir uns das noch leisten, wenn wir älter und weniger werden und der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen bedroht?

Nachhaltige Mobilität kann anders funktionieren

Möglichkeiten für die Mobilität der Zukunft sollten wir vor allem darin suchen, die Zeiten der Nicht-Nutzung von Fahrzeugen zu reduzieren. Dazu müssen wir wissen, welche Mobilitätsmöglichkeiten es überhaupt gibt. Wie oft geschieht es, dass Menschen auf den Bus warten und den Anschlusszug verpassen, während Privatfahrzeuge mit leeren Plätzen an ihnen vorbei fahren. Um solche Kapazitäten zu erschließen, müssen wir klug vernetzen und verschiedene Verkehrsträger unkompliziert miteinander verbinden.

Technisch ist das schon heute möglich: So bietet die Deutsche Bahn bereits rein elektronische Tickets an, die im Nah- und Fernverkehr genutzt werden können. Der Nutzer loggt sich zum Fahrtantritt ein und am Fahrtziel aus – der günstigste Tarif wird automatisch berechnet und abgebucht. Die Verkehrsbetriebe Schleswig-Flensburg haben eine App im Angebot, mit der man sich die nächsten Haltestellen und Abfahrtzeiten anzeigen lassen kann. Warum sollte das nicht auch über Unternehmensgrenzen und verschiedene Mobilitätsträger hinaus möglich sein? Spricht grundsätzlich etwas dagegen, Bus und Bahn, ungenutzte Privatfahrzeuge, Car-Sharing, Taxen oder Rufbusse zu vernetzen?

Ein Mobilitätsportal für Schleswig-Holstein

Meine Vision ist ein Mobilitätsportal, das alle Verkehrsträger vernetzt und zusammen nutzbar macht. Ich glaube, dass die Verkehrsträger sich gegenseitig ergänzen können. Anbieter könnten ihre Kapazitäten und Preise für die von ihnen bedienten Strecken und Zeiten angeben – ein onlinebasiertes Netzportal würde die Angebote bündeln und die jeweils besten Mobilitätsmöglichkeiten berechnen. Das Mobilitätsportal müsste nach Schnelligkeit, Preisbewusstsein und Klimaschutz differenzieren können, um individuelle Vorlieben zu berücksichtigen. Gleichzeitig müsste der Datenschutz gewährleistet bleiben, damit keine umfassenden Bewegungsprofile erstellt werden können. Statt sich Preiskämpfe zu liefern, können so neue Kunden gewonnen werden. Statt gering ausgelasteter Busse, Bahnen und Autos, können wir kostensparender und gleichzeitig klimaschonender mobil bleiben. Je mehr Verkehrsträger miteinander verbunden sind, desto flexibler und insgesamt nachhaltiger können Nutzerinnen und Nutzer mobil sein. Gleichzeitig werden sie angeregt, auch andere Verkehrsmittel als die gewohnten zu nutzen: Wer einen großen Preisunterschied feststellt, lässt das eigene Auto schneller mal stehen – oder ein eingefleischter Bahnfahrer erfreut sich auch einmal am Luxus eines Autos, das er unkompliziert von einem Car-Sharing-Unternehmen für ein paar Stunden benutzen kann. Mit qixxit.de hat die Deutsche Bahn ein Projekt gestartet, das bei der Suche verschiedene Verkehrsträger berücksichtigt und alternative Fahrtmöglichkeiten anbietet. Das ist ein spannender Schritt. Richtig funktionieren wird es dann, wenn auch Buchung und Abrechnung einer Fahrt unkompliziert möglich werden.

Die Küsten-Koalition will das Mobilitätsportal

Im Koalitionsvertrag haben sich Grüne, SPD und SSW darauf verständigt, verstärkt auf e-Mobilität zu setzen und sie in einem verkehrsträgerübergreifenden Mobilitätskonzept weiter zu entwickeln. Für Bahn und Bus will die Küsten-Koalition ein einfaches System mit einheitlichem Auftritt, einfachem Tarif und abgestimmtem Angebot und deshalb den Verkehrsverbund für Schleswig-Holstein. Dazu wird klar erkannt: „Im Bereich der individuellen Mobilität bekommt die digitale Technik über Anwendungen auf Smartphones und soziale Netzwerke eine immer höhere Bedeutung. Die Landesregierung wird diese Entwicklung aufgreifen, um weitere Innovationen im ÖPNV, wie Rufbus- und Ruftaxisysteme, ehrenamtliche Bürgerbusse, Car-Sharing und Mitfahrportale voranzubringen. Damit kann die individuelle Mobilität effizienter, billiger und umweltfreundlicher werden.“ Diese Vereinbarung müssen wir jetzt mit Leben füllen und gemeinsam die Grundlagen für ein Mobilitätsportal legen.

Welche Hürden müssen wir dafür nehmen?

Wir müssen akzeptieren, dass alle Verkehrsträger den Wunsch nach Mobilität erfüllen und sich gegenseitig ergänzen können, statt in Konkurrenz miteinander zu stehen. Vernetzung heißt, dass Mobilitätsanbieter ihre Fahrzeuge effizienter und insgesamt klimaschonender zur Verfügung stellen können. Die Anbieter müssen sich dazu auf ein gemeinsames Angebots- und Abrechnungssystem einigen. Das System soll sicher stellen, dass der Anteil eines Verkehrsträgers an einer Mobilitätsdienstleistung entsprechend entgolten wird. Ausgangspunkt eines Mobilitätsportals kann der öffentliche Nahverkehr sein: Die bereits bestehende Kooperation der Anbieter des Nahverkehrs mit einer gemeinsamen Verbindungssuche und beim Schleswig-Holstein-Tarif müsste erweitert werden und sich ein gemeinsames Buchungs- und Abrechnungssystem als Ziel setzen. Es erscheint sinnvoll, zunächst mit einem Pilotprojekt zu starten, um Probleme im begrenzten Rahmen zu erkennen und lösen zu können. Eine ländliche Region in Anbindung zu einer Stadt scheint zweckmäßig, um die unterschiedlichen Bedürfnisse zwischen Land und urbanem Raum abzubilden. Um die Vereinbarung des Koalitionsvertrages in Angriff nehmen zu können müssten Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dazu müsste geprüft werden, welche technischen und rechtlichen Hürden bestehen.

Möglichst frühzeitig sollten Deutsche Bahn (Fernverkehr), Taxiunternehmen, Car-Sharing-Anbieter, Fahrradverleihsystem und Mitfahrzentralen eingebunden werden. Schließlich besteht die Herausforderung darin, ein technisches System zu entwickeln, mit dem Privatfahrzeuge anzeigen, wann und wo sie von anderen genutzt werden können.

Das alles wird nicht von heute auf morgen lösbar oder umsetzbar sein. Aber wir sollten jetzt die Grundlagen schaffen und uns als gemeinsames Ziel die vernetzte Mobilität in Schleswig-Holstein setzen – denn ich möchte auch in Zukunft und ohne neue Straßen und Schienenstrecken mobil bleiben.

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