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Regeln für die Tiefsee

Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. August 2010 Ein Moratorium für Ölbohrungen im Meer kann nur ein Anfang sein. Insgesamt brauchen wir neue international verbindliche Vereinbarungen, wie mit den Schätzen der Tiefe umgegangen werden soll.

11.08.10 –

Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. August 2010

Die ersten Maßnahmen von BP erstaunlich. Es wurde nicht versucht, das Leck im Boden zu verschließen, sondern massenweise Chemie eingesetzt. Der Erfolg für den Ölmulti war erst einmal da: Es gab keinen schwarzen Ölfilm, nur wenige Vögel schienen verschmutzt zu sein, und auch an den Stranden gab es mehr Bilder von Ölsperren als vom Öl selbst. Die spektakulären Bilder fehlten, und die Fernsehteams waren schon dabei abzuziehen. Nur hatte der Konzern nicht damit gerechnet, dass der amerikanische Kongress ihn dazu verpflichten würde, die Bilder vom Meeresgrund im Internet zu senden.

Ein entscheidender Vorteil war damit passé: Da nur wenige Konzerne und Länder die Mittel haben, um in die Tiefsee vorzudringen, kann man dort weitgehend unbeobachtet machen, was man will. Die Tiefsee ist weniger erforscht als der Mond. Gerade einmal ein Prozent ist bisher bekannt, der Rest ist unbekannt - und ein wahres Dorado für moderne Schatzsucher.

Nachdem an Land immer weniger zu finden ist, werden jetzt die Claims im Meer abgesteckt. Dabei geht es nicht nur um Öl oder Gas. Längst sind Forschungsschiffe unterwegs, um nach Möglichkeiten zu suchen, wie Edelmetalle, Mangan oder Methaneis gefördert werden können. Das Problem hierbei: Während es an Land wenigstens etwas Kontrolle gibt, bleibt im Meer vieles unsichtbar. Ohne Öffentlichkeit, ohne Umweltschutzorganisationen oder Bürgerinitiativen kann ungestört nach den Schätzen gesucht werden.

Deutschland ist bei diesem Geschäft dabei und hat sich 2006 – weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – zwei Claims von je 75 000 Quadratkilometern Größe im Westpazifik gesichert. Hier sollen sogenannte Manganknollen abgebaut werden, die im ganzen Westpazifik auf dem Meeresboden liegen und reich an Kupfer, Nickel, Kobalt, Eisen und Mangan sind.

Infolge der dritten Seerechtskonferenz wurde 1994 die sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone von drei auf 200 (und oft sogar auf 350) Seemeilen vor der Küste ausgeweitet. Alle Ressourcen dieser Gebiete – also Fische und Rohstoffe – stehen ausschließlich dem angrenzen den Land zu. Alles darüber hinaus zählt als sogenanntes „gemeinsames Erbe der Menschheit". Um hier Streitigkeiten vorzubeugen, wurden die UN-Meeresbodenbehörde (ISA) und der internationale Seegerichtshof in Hamburg installiert.

Von der ISA wurden daraufhin im Westpazifik erstmals Claims an einzelne Staaten verteilt. Hier ist es den Staaten für 15 Jahre erlaubt, Rohstoffe zu fördern. Was mit diesem Recht verbunden ist, bleibt aber weitgehend unklar: Für Mangan wurde im Jahr 2000 ein Tiefseebergbaukodex verabschiedet. Für andere Rohstoffe jedoch wartet ein vergleichbarer Kodex auf die Ratifizierung. Die Vereinigten Staaten weigern sich grundsätzlich, das internationale Seerecht anzuerkennen. Hinzu kommt, dass in der Festlandsockel-Kommission in New York ständig darum gestritten wird, ob bestimmte Meereszonen zum Festlandsockel gehören und damit die Wirtschaftszone 350 Seemeilen weit reichen darf.

Für das gemeinsames Erbe der Menschheit in der Tiefsee gilt also derzeit eher das Wildwestprinzip: Weil es allen gehört, gehört es keinem, und jeder kann erst einmal tun, was er will. Es gewinnt, wer die Mittel für die Technik hat.

Was ist zu tun? Ein Moratorium für Ölbohrungen im Meer kann nur ein Anfang sein. Insgesamt brauchen wir neue international verbindliche Vereinbarungen, wie mit den Schätzen der Tiefe umgegangen werden soll. Der Tiefseebergbaukodex muss weiter entwickelt und von den einzelnen Staaten auch national in die Tat umgesetzt werden. Dazu brauchen wir eine Regelung die nicht nur die Rohstoffe im Blick hat, sondern auch die vielfältigen Tiere und Pflanzen, die es zu schützen gilt. Der Kodex muss eine international verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfung enthalten und vor dem Seegerichtshof einklagbar sein. Am Ende bleibt die Hoffnung auf eine Meinungsänderung der Vereinigten Staaten: Nach dem Desaster vor der eigenen Haustür sollte hier auch die Bereitschaft zur Anerkennung des internationalen Seerechts gestiegen sein. Das gemeinsame Erbe der Menschheit muss es wert sein.

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