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13.05.16 –
Erklärung zur Abstimmung im Bundestag
Das Prinzip der sogenannten „Sicheren Herkunftsstaaten“ löst nicht die Probleme die wir lösen müssen. Auch eine Ausweitung der Länderliste auf Marokko, Algerien und Tunesien ist daher nicht sinnvoll. Das ganze Prinzip gehört auf den Prüfstand. Denn es versucht die Problematik heutiger Migrationsbewegungen mit einem Verwaltungserlass zu lösen. Der Bundestag als Gesetzgeber drückt sich damit um die Beantwortung wichtiger gesamtgesellschaftlicher Fragen. Statt grundlegende Lösungen zu erarbeiten, unter welchen Bedingungen wer zu uns kommen kann, beschäftigen wir uns mit Detailfragen. Dies ist daran zu erkennen, dass sich Bundesregierung, Bundesrat und leider auch meine Fraktion in ihrem Entschließungsantrag vor allem darum streiten, dass es bei der Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten insbesondere um die Missachtung der Rechte von Homosexuellen geht. Ich möchte nicht missverstanden werden: Auch ich sehe die Rechte Homosexueller in Algerien, Marokko und Tunesien in eklatanter Weise verletzt. Aber die Probleme sind viel weiter gehender. Denn die Diskussion um die sicheren Herkunftsstaaten vermengt zwei Probleme miteinander, die nur marginal etwas miteinander zu tun haben.
Einmal geht es um die politisch motivierte Verfolgung. Es geht um die, deren Leben und Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung bedroht sind. Dafür brauchen wir ein funktionierendes Asylrecht. Hier muss man darüber diskutieren, ob die Rechte Homosexueller in Algerien, Marokko und Tunesien ausreichend geschützt sind. Denn daran gibt es erhebliche Zweifel.
Im anderen Fall geht es um Menschen, die nicht politisch motiviert verfolgt werden und trotzdem nicht in ihrem Land leben wollen oder können. Um diese Menschen drehen sich jedoch die aktuellen Probleme, die wir lösen müssen. Ich möchte daran erinnern, was die Motivation für das heute zur Abstimmung stehende Gesetz war. Die Motivation lag ganz unter dem Eindruck der Silvesterereignisse in Köln. Es ging darum, dass Gruppen junger Männer, die vor allem aus Algerien, Marokko und Tunesien gekommen sein sollen, Frauen vollkommen inakzeptabel belästigten. Mit dem heutigen Gesetz soll ein Signal gesetzt werden, dass weniger junge Männer aus diesen Ländern zu uns kommen. Dieses Signal soll vor allem hier in Deutschland ankommen, bei den Wählerinnen und Wählern der großen Koalition. Damit geht die Politik jedoch am Kern des Problems vorbei. Und es ist zu befürchten, dass sie dafür eine Quittung bekommt. Populistisch politisches Kapital schlagen – das können andere deutlich besser als diese Koalition. Es ist fatal, dass diese Koalition dem so auf den Leim geht.
Das Signal, welches hier gesetzt werden soll, wird aber nicht bei den Menschen in Algerien, Marokko und Tunesien ankommen. Sie werden sich ganz bestimmt nicht von geänderten Vorschriften in deutschen Gesetzen abhalten lassen. Sie werden weiter in Nussschalen steigen und zu Tausenden ertrinken. Sie werden weiterhin einem florierenden kriminellen Schleppergewerbe hohe Umsätze garantieren.
Wenn wir hier am Asylrecht herum schrauben, dann werden Migranten andere Wege suchen und finden. In erster Linie werden sie wahrscheinlich in die Illegalität abtauchen. Wir werden dann gar nicht mehr wissen, wie viele von ihnen hier in Deutschland leben und womit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Mir leuchtet nicht ein, was wir damit gewinnen wollen. Die Probleme werden sich eher verschärfen.
Das heutige Gesetz ist deswegen ein völlig falscher Weg. Was wir dagegen brauchen ist ein klares und nachvollziehbares Einwanderungsgesetz. Hierin könnten wir selbst festlegen, aus welchen Ländern welche Anzahl von Menschen mit welcher Qualifikation zu uns kommen und hier leben, lernen, arbeiten und Steuern zahlen können. Wer eine solche Perspektive hat, hat kaum noch einen Anreiz, sich mit der Perspektive auf schnelle Abschiebung auf eine gefährliche und teure Reise zu machen. Mit einem Einwanderungsgesetz können wir die Probleme lösen, vor denen wir derzeit stehen. Eine Debatte über sichere Herkunftsländer und die Gründe, die dafür und dagegen sprechen, bringt uns jedoch keinen Schritt weiter. Im Gegenteil, wir werden mehr illegale Einwanderung mit allen damit zusammen hängenden Problemen bekommen.
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