Listenaufstellung zur Bundestagswahl 2021 - Grüne Partei auf Abwegen von der Basisdemokratie

Die Grünen haben seit ihrer Gründung immer ihre basisdemokratischen Wurzeln herausgestellt. So wurde der Kampf um Plätze auf den Listen oder als Direktkandidaten für die Wahlen immer als direkter Schlagabtausch zwischen den interessierten Kandidaten durchgeführt. Eine Regieanweisung aus dem Landesvorstand oder von Parteioberen war immer verpönt. Dieses Jahr sieht es bei der Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl 2021 deutlich anders aus. Da gibt es auf den Plätzen 1 bis 4 keine Gegenkandidaten, obwohl diese Plätze bei den derzeitigen Umfragewerten sicherlich in den 20. Bundestag führen werden. Soll etwa ein Robert Habeck oder eine Luise Amtsberg nicht durch Gegenkandidaten beschädigt werden, wenn sie denn keine so guten Reden halten? Wenn die Kandidaten für die Plätze 1 bis 4 wirklich als Volksvertreter so gut sein sollen, dann müssen sie sich auch mit Gegenkandidaten erfolgreich auseinandersetzen können. Wenn es bei den fehlenden Gegenkandidaten bleibt, nähern wir uns immer mehr den Strukturen anderer Parteien an und verlieren unser Gesicht als moderne, basisdemokratische Bewegungspartei. Wenn ich nach 8 Jahren im Bundestag von 2009 bis 2017 und aus meinem Ruhestand mit 67 Jahren noch einmal hätte antreten wollen, dann hätte ich mich mit dieser Rede beworben.

18.03.21 –

Liebe Freundinnen und Freunde,

viele von euch werden mich noch kennen aus meiner Zeit im Bundestag als Eure Vertreterin von 2009 bis 2017. Für die Neuen unter euch ein paar kurze Hinweise zu meiner Person. Ich komme aus dem Hamburger Umland, aus dem Kreis Pinneberg, und bin ausgewiesene Verkehrspolitikerin mit acht Jahre Erfahrung im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags.

 

Liebe Freudinnen und Freunde,

wenn ich zurückschaue auf das erste Corona-Jahr, dann habe ich meine Zweifel, ob mittlerweile nicht wichtige Bestandteile der Demokratie in Deutschland ins Wanken geraten sind. Das könnt ihr an folgenden Punkten exemplarisch sehen:

  • Wir erleben eine Bundesregierung, die Entscheidungen in einem demokratisch nicht-legitimierten Gremium, der Ministerpräsidentenkonferenz, herbeiführt. Entscheidungen bleiben so nur der Exekutive vorbehalten.
  • Wir erleben eine Einengung der wissenschaftlichen Beratung der Exekutive auf einige wenige ausgesuchte Wissenschaftler. Andere Positionen werden bewusst nicht gehört.
  • Wir erleben eine organisierte Verantwortungslosigkeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen in einem Umfang, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe.
  • Und was am schwersten wiegt: wir erleben eine fehlende Debatte und Entscheidung über die Corona-Maßnahmen im Bundestag. Das Parlament, die höchste Instanz zur Festlegung der Regeln für das Zusammenleben darf die Maßnahmen nur noch gnädigerweise nach einer Regierungserklärung der Kanzlerin zur Kenntnis nehmen. Entscheiden darf das Parlament aber nicht, obwohl Verfassungsrechtler das bei dem Umfang an Einschränkungen längst für geboten halten.

Das Parlament muss wieder der Ort der demokratischen Debatte werden. Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Abgeordnete sind die Delegierten des Volkes, in ihre Hände gehört die Entscheidung über die Regeln zum Zusammenleben in der Gesellschaft.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung sagt uns sehr deutlich, dass den Menschen besser sofort als irgendwann übermorgen ihre per Grundgesetz zugesicherten Rechte wieder zurückgegeben werden müssen. Das funktioniert aber nur, wenn intelligente Hilfsmittel eingesetzt werden. Das wurde bislang hoffnungslos verpennt.

Man stelle sich vor, wir hätten noch keinen Impfstoff. Dann hätten wir wohl ohne intelligente Hilfsmittel einen Dauer-Lockdown bis 2025 oder bis irgendwann der Virus von selbst verschwindet.

Die Freiheit und die Würde der Menschen muss für uns Grüne bei allem politischen Handeln immer an oberster Stelle stehen. Für mehr Freiheit und das Zurückerlangen der Menschenwürde werde ich kämpfen!

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie absolut wichtig eine funktionierende soziale Absicherung ist. Unbegrenzt lange können Leistungen nicht aufrechterhalten werden. Irgendwann sind die Kassen leer. Da zeigt sich die gravierende Schwäche des derzeitigen Sozialsystems: die ausschließliche Fixierung auf die lohnabhängige Beschäftigung.

Diese Fixierung passt aber in keiner Weise mehr zur heutigen Gesellschaft. Wir erleben immer mehr Menschen, die bewusst als Selbständige, gerade auch als Solo-Selbständige im künstlerischen Bereich, arbeiten wollen. Auch die müssen wir für mehr Gerechtigkeit in einem zukunftsfesten neuen Sozialsystem mit einbeziehen. Die wichtige Idee der Bürgerversicherung ist sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Wir Grüne dürfen dabei aber nicht stehen bleiben. Die Welt um uns herum bleibt nicht stehen, sie entwickelt sich weiter. Daher müssen wir mit wirklich neuen Ideen die eingefahrenen Trampelpfade verlassen.

Wir Grüne in Schleswig-Holstein sind da schon recht weit. 2007 haben wir uns auf einem Landesparteitag in Kiel hinter das bedingungslose Grundeinkommen gestellt. Diesen klaren Weg in die Modernisierung des Sozialsystem unterstütze ich voll und ganz.

 

Was ist noch sinnvoll und dringend nötig?

Corona hat leider die Bekämpfung der Klimakrise in den Hintergrund gerückt. Das muss sich in der nächsten Wahlperiode wieder ändern. Dies geht nur mit einer klaren Verkehrswende, für die ich eintreten werde.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

der Maut- und Pannenminister Scheuer hat hier hoffnungslos versagt. Mit anscheinend anderen Prioritäten gerieten nicht die Masken- oder Schnelltest-Logistik, sondern auch die langfristig wichtigere Klimapolitik ins Hintertreffen. Das ist verantwortungslos.

Dem müssen wir etwas entgegensetzen: Der Weg fort vom Verbrennungsmotor muss weiter geebnet werden. Dazu braucht es politische Angebote, nicht nur Verbote und Beschränkungen. Das können wir doch auch, liebe Freundinnen und Freunde. Ich finde, der beste Weg zur Wahl des klimaschonensten Verkehrsmittels geht über den Preis. Wer die Umwelt verschmutzt und gefährdet, muss zahlen – und damit muss klimafreundliche Fortbewegung belohnt werden. Das kluge Instrument CO2-Bepreisung möchte ich mit eurer Unterstützung in der nächsten Wahlperiode noch deutlich stärken. Die Wissenschaft sagt uns, wie wirksam so ein Konzept sein und welche Lenkungswirkung es entfalten kann, wenn es konsequent umgesetzt wird.

Zentrale Elemente der Verkehrswende sind Radfahren, Elektromobilität und ein attraktiver ÖPNV. Ein entscheidender Baustein dabei muss die Stärkung des Systems Schiene und die Nutzung der freien Kapazitäten auf den Wasserstraßen sein.

Damit das beim System Schiene auch wirklich funktioniert, braucht es eine konsequente Auftrennung des Molochs DB in einen Transportbereich und eine staatliche Infrastrukturgesellschaft für die Schienen im Land. Die Vorarbeiten hatten wir Grüne schon in den letzten Wahlperioden gemacht. Jetzt muss es an die Umsetzung gehen.

 

Liebe Freundinnen und Freunde,

Freiheit und Menschenwürde gehören nicht nur zur Überwindung der Corona-Pandemie. Sie sind auch entscheidende Bausteine für eine wirksame Verkehrswende, um den Klimawandel aufzuhalten.

Diese Ideen müssen wir jetzt endlich in der Regierung umsetzen. Wir dürfen nicht wieder als kleinste Oppositionspartei in den Bundestag einlaufen. Dafür möchte ich mit euch kämpfen.

 

 

Hier gibt es den Text noch einnmal als PDF-Datei.

Kategorie

Wahlkreis | Weitere Themen