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Im Plenum: Kältemittel in KFZ-Klimaanlagen

Rede im Bundestag am 16. Dezember 2010 (zu Protokoll)

16.12.10 –

Rede im Bundestag am 16. Dezember 2010 (zu Protokoll)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

was gilt eigentlich das Wort von Matthias Wissmann, dem Präsidenten des Verbandes der Automobilindustrie? Im Jahr 2007 hatte er vor Beginn der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt am Main bekundet, dass die deutsche Autoindustrie in Umsetzung einer EU-Richtlinie zeitnah auf natürliche und umweltfreundliche Kohlendioxid-Kältemittel umsteigen und die Arbeit an chemischen Alternativen einstellen werde. Mittlerweile wissen wir, dass der VDA eine Kehrtwende vollzogen hat und der Einsatz des neuen Kältemittels Tetrafluorpropen – dem sogenannten 1234yf von Honeywell und Dupont – beschlossene Sache ist. Ich will heute nicht über die sicherheitsrelevanten Fragen dieser falschen Entscheidung sprechen, auf die ich in der ersten Lesung des Antrag eingegangen bin, sondern die klimarelevanten und industriepolitischen Implikationen in den Mittelpunkt rücken.

Kohlendioxid als Kältemittel ist bewährt, wird in vielen Bereichen bereits eingesetzt. So haben die Berliner Verkehrsbetriebe ihre Busse in diesem Sommer mit Kohlendioxid -Klimaanlagen ausgestattet.

Führende deutsche Hersteller für Fahrzeugklimaanlagen wie zum Beispiel Konvekta, Eberspächer und Webasto haben im Vertrauen auf Wissmanns Zusage Millionen in die Entwicklung der Kohlendioxid-Technik investiert und sie marktreif gemacht.

Aber die deutsche Autoindustrie, angeführt von ihrem Verband, begibt sich lieber in die Abhängigkeit der US-amerikanischen Chemieriesen Honeywell und Dupont, die sich auf ein Joint Venture für Konstruktion, Bau und Betrieb einer Produktionsstätte für Tetrafluorpropen geeinigt haben. Sie sind weltweit die einzigen, die dieses Mittel herstellen. Auf gut deutsch bilden diese Firmen das Monopol für die Substanz und bestimmen damit auf Jahre hinaus auch den Preis. Das ist industriepolitisch – vorsichtig formuliert – äußerst kurzsichtig.

Noch schlimmer sind die klimapolitischen Implikationen, denn Klimaanlagen, die mit Tetrafluorpropen betrieben werden, sind viermal so schädlich wie die mit Kohlendioxid. Außerdem können diese Anlagen auch weiterhin mit dem verbotenen und 1300-mal so schädlichen Mittel Tetrafluorethan betrieben werden. Wer garantiert denn, dass dieses Mittel bei einer Wartung nicht einfach wieder eingefüllt wird? Was hat die Bundesregierung getan, damit das alte chemische Mittel nicht weiter verwendet wird? Hier ist nicht erkennbar, wie das kontrolliert werden soll.

Kohlendioxid als Kältemittel hat das geringste Treibhauspotenzial. Allerdings müssen die Klimaanlagen umgerüstet werden, um dem höheren Druck von 120 bar standzuhalten. Damit wären sie für das besonders schädliche bisherige Kältemittel untauglich. Und das ist auch der Grund für die Blockade der deutschen Autoindustrie. Eine Klimaanlage, die für Kohlendioxid ausgerüstet wäre, würde für einen Mittelklassewagen zu Mehrkosten von rund 50 Euro führen, die eingespart werden sollen.

Und aus einem weiteren Grund ist die Entscheidung gegen Kohlendioxid als Kältemittel falsch. Denn seine Stoffeigenschaften eignen sich besonders gut für die Umkehr des Kühlprozesses. Die Klimaanlage kann also zur Wärmepumpe werden, mit der auch geheizt werden kann. Bei modernen Dieselfahrzeugen und Hybridautos reicht die Abwärme des Motors schon heute nicht aus, um das Fahrzeug im Winter ausreichend schnell zu heizen. Für reine Elektroautos gilt das erst recht. Die Zukunft der Fahrzeugklimaanlagen wird daher eine integrierte Wärmepumpenfunktion haben müssen, um insbesondere bei elektrischem Antrieb den Strombedarf für den Nebenverbraucher Heizung so gering wie möglich zu halten.

Das alles scheint Matthias Wissmann als Chef der deutschen Autoindustrie nicht zu stören. Er hat Klimaanlagen mit dem chemischen und  klimaschädlichen Kältemittel Tetrafluorpropen sogar als „Ökoinnovation“ bei der EU-Kommission angepriesen und wollte dafür Kohlendioxid -Gutschriften für die Autoindustrie erhalten. Das hat die EU-Kommission allerdings zu Recht abgelehnt.

So viel zum Thema Anspruch und Wirklichkeit der deutschen Autoindustrie als Klimaschützer!

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