Zukunft des Güterverkehrs: Auf die Kombination kommt es an

Gastbeitrag für TRAFFIC TECH vom 31. Mai 2013 Grüne Logistik klingt gut. Aber welche Weichenstellungen sind heute notwendig, damit sich nachhaltiger Gütertransport auch durchsetzen kann? Was ist eigentlich nachhaltiger Gütertransport?

10.06.13 –

Gastbeitrag für TRAFFIC TECH vom 31. Mai 2013

Grüne Logistik klingt gut. Aber welche Weichenstellungen sind heute notwendig, damit sich nachhaltiger Gütertransport auch durchsetzen kann? Was ist eigentlich nachhaltiger Gütertransport? Heute wachsen vor allem der Straßenverkehr und der CO2-Anstieg. Es zählt vor allem der Preis – nicht die Umwelt. Güterverkehr wird vor allem als Ärgernis wahrgenommen, wenn Züge zu laut oder zu viele LKW auf der Autobahn sind. Hauptsache, alles ist zum gewünschten Zeitpunkt in bester Qualität am richtigen Ort.

Der globalisierte Warenaustausch ist Normalität: Heute im Netz bestellt, wird häufig schon am nächsten Tag angeliefert – und gerne und viel auch wieder zurück geschickt. Auch der Wandel der Gesellschaft wird immer deutlicher spürbar. Die Bevölkerung in Europa schrumpft, wird älter und individualisiert sich immer mehr. Damit steigt der Bedarf an spezialisierten Gütern, die punktgenau bei immer älteren und immer weniger Menschen ankommen. Die schon heute sichtbaren Trends dürften sich verstärken: Es wird nicht bedeutend mehr transportiert, aber die Strecken werden immer länger und kleinteiliger. Die heutige Antwort ist der Anstieg des LKW-Verkehrs. Der Transport mit Lastkraftwagen kann individueller geplant werden und Sender und Empfänger fast immer direkt verbinden. Kurz: Sie kommen den Trends im Güterverkehr entgegen. Schienen- und Wassertransport haben dagegen andere Voraussetzungen: Sie müssen mit beschränkten Infrastrukturkapazitäten kalkulieren und ihre Transportmöglichkeiten dem deutlich kleineren Schienen- bzw. Wasserstraßennetz anpassen. Es ist unrealistisch, die Kapazitäten von Schiene und Wasserstraße an das Straßennetz anzupassen. Es ist deswegen entscheidend, das gesamte Transportsystem aller Verkehrsträger gemeinsam zu betrachten, die gravierendsten  Schwächen im Gesamtverbund zu identifizieren und die Kombination der Verkehrsmittel wesentlich zu erleichtern. Das ist der Weg in eine wirklich nachhaltige Logistik.

Der Kombinierte Verkehr (KV) ist ein wesentlicher Ansatzpunkt, um den Güterverkehr nachhaltiger zu machen. Der KV gehört zu den zwanzig größten Subventionsempfängern in Deutschland und wird bereits seit den 1960er Jahren gefördert. Die Ergebnisse sind jedoch ernüchternd. Im Kombinierten Verkehr gibt es heute mehrere parallele Systeme und singuläre Lösungen, welche die Möglichkeiten des Netzes nicht ausnutzen. Da es im Güterverkehr auf der Schiene viele unterschiedliche Anbieter gibt, ist eine Abstimmung schwierig. Das verhindert bisher die Aufstellung eines Netzfahrplans für den Güterverkehr. Deswegen muss ein Deutschland-Takt im Schienenverkehr, bei dem alle Züge aufeinander abgestimmt sind, den Güterverkehr einschließen. Es müssen Anreize zur Koordination zwischen den Anbietern gesetzt werden. Um den Kombinierten Verkehr deutlich zu stärken, muss ein Netz aus KV-Terminals entstehen, die nach festen Fahrplänen miteinander verbunden sind. In diesem System werden die Eisenbahnunternehmen zu Logistik-Dienstleistern. Die Container, Wechselbrücken oder auch Sattelauflieger werden mit dem LKW von den Versandzentralen zu den KV-Terminals gebracht, die lange Fahrt geht dann über die mit Ökostrom elektrifizierte Schiene. Am Bestimmungsort geht es wieder weiter mit dem LKW. Das ist das Logistiksystem der Zukunft, wie es auch die Europäische Kommission mit dem Weißbuch Verkehr im Sinn hat. So lassen sich die Logistikziele mit den für uns alle wichtigen ökologischen Zielen verbinden. Wenn die Zustellung vom KV-Terminal zu Versandzentren und Kunden über elektrifizierte LKWs und Transporter vorgenommen wird, ist dieses kombinierte Logistiksystem zukunftssicher.

Aber leider läuft es zur Zeit nicht so. So können im heutigen Transportsystem die Potenziale der Schiene nicht voll genutzt werden: Der Transport mit der Bahn erreicht nicht die Flexibilität des LKWs und die Ansätze im Kombinierten Verkehr sind zu zersplittert. Die Deutsche Bahn versucht als Geschäftsmodell den Transport von Haus zu Haus. Hiermit versucht sie, die Flexibilität des LKWs auf der Schiene nachzustellen, wohl wissend, dass im Einzelwagenverkehr die Produktionskosten mit den notwendigen Rangierarbeiten niemals auf das Niveau des LKWs gesenkt werden können. Attraktive Angebote für Speditionen, um die Schiene für den Ferntransport zu nutzen, werden nicht ernsthaft verfolgt.

Kern des Kombinierten Verkehrs der Zukunft muss der Schienentransport sein. Er ist voll elektrifizierbar und deutlich klimafreundlicher, wenn erneuerbare Energien genutzt werden. Mit steigendem Wettbewerb im Schienengüterverkehr konnten sich bereits neue Angebote entwickeln und Marktanteile von anderen Verkehrsträgern erobert werden. Diesen positiven Trend muss die Politik unterstützen. Dazu muss der Wettbewerb auf der Schiene weiter gefördert und Diskriminierungsmöglichkeiten abgebaut werden. Die Monopole bei Trassennutzung, Zugbildungsanlagen und Bahnstrom in der Hand der Deutschen Bahn AG müssen streng reguliert werden, bis es zur eigentumsrechtlichen Trennung von Infrastruktur- und Transportsparten der Deutschen Bahn AG kommt. Dann müssen Kapazitäten des Schienennetzes sukzessive ausgeweitet werden, entsprechend der Steigerung der Transportleistung über die Schiene. Untersuchungen gehen von Kosten in Höhe von etwa 11 Milliarden Euro aus, um die notwendigen Kapazitäten im Netz zu schaffen.

Auch der LKW wird ein wichtiger Baustein bleiben, aber in anderer Form als wir es heute kennen. Er ist heute der flexibelste, schnellste, kostengünstigste – aber auch klimaschädlichste Verkehrsträger. Mit einem Anteil von etwa 75% an der Gütertransportleistung durch den LKW sind die Anforderungen an Klimaschutz und Ökologie nicht zu schaffen. Da helfen auch Überlegungen zu Oberleitungen über den Autobahnen nicht weiter, denn hierfür müsste ein völlig neues System mit hohen Anfangsinvestitionen etabliert werden.

Zwar wird der Straßengüterverkehr über die LKW-Maut an den Infrastrukturkosten beteiligt, die ökologischen und gesundheitlichen Folgekosten bleiben derzeit jedoch unberücksichtigt und müssen von der Allgemeinheit getragen werden. Die LKW-Maut muss deswegen weiter entwickelt werden. Mit einer stärkeren Ausdifferenzierung muss sie eine Lenkungswirkung für das gesamte Logistiksystem entfalten. Vor allem muss es zu einer Gleichbehandlung der Verkehrsträger Schiene und Straße kommen: Die Nutzer der Bahn zahlen über die Trassenentgelte für Betrieb und Unterhalt, bei der Straße ist das nur sehr rudimentär der Fall. Die Straßenbenutzungsgebühren für Lkws müssen ab 3,5 Tonnen für das gesamte Straßennetz gelten, um Ausweichverkehr zu vermeiden. Außerdem müsste die Gebühr Anreize zur Entzerrung von Spitzenbelastungen bieten. Durch eine differenzierte Mauterhebung (mit einer höheren Gebühr an Engstellen und in Spitzenzeiten) sowie mit Verkehrstelematik (durch zum Beispiel eine zeitweise Freigabe von Standspuren) können vorhandene Kapazitäten besser ausgenutzt werden. Diese Potenziale müssten ausgeschöpft werden.

Neben einer Neustrukturierung des Kombinierten Verkehrs müssen wir unsere Infrastrukturinvestitionen anders ausrichten. Zum einen müssen wir den Grundsatz Erhalt vor Neu- und Ausbau in der Realität umsetzen. Weiterhin ist es wichtig, das Transportnetz aller Verkehrsträger gemeinsam zu betrachten, die gravierendsten Schwächen im Gesamtverbund zu identifizieren und die Kombination von Schiene, Schiff und Straße zu erleichtern. Dazu brauchen wir einen Bundesmobilitätsplan mit der Festlegung von klaren Priorisierungskriterien und Zielen. Eine Bundesmobilitätsplanung muss ein Verfahren zur Aufnahme von Projekten festlegen und die Planung mit einem verbindlichen Finanzierungsrahmen verbinden. Sonst planen und bauen wir weiter an den Bedürfnissen vorbei.

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