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02.07.10 –
Rede zum FAD-Symposium am 2. Juli 2010
Sehr geehrte Damen und Herren,
in unserer Welt gibt es ein geflügeltes Wort, dass häufig und gern benutzt wird. Oft heißt es: Der Beste wird gewinnen. Man sagt das schnell dahin – meistens um irgendeine Begründung für das eigentlich nicht Erwartete zu finden. Ob Lena Meyer-Landrut oder die Fußballweltmeisterschaft: Es möge der oder die Beste gewinnen. Ich möchte mich jetzt nicht über die Qualität einer Singstimme oder die Truppe von Jogi Löw auslassen – davon verstehe ich ganz ehrlich nichts. Gleichzeitig machen uns diese Beispiele klar, dass eine ganze Menge Faktoren mitspielen – und ganz bestimmt nicht immer der oder die Beste am Ende auch die Gewinner sind.
Sehen wir uns zum Beispiel die Technikgeschichte an: Hätte sich hier das jeweils Beste durchgesetzt, sähe unsere Welt ziemlich anders aus. Es gab schon in den 90er Jahren funktionierende Elektroautos wie den EV1 von General Motors im Massenversuch: Ganz normale Bürger konnten den Wagen zu Hause über einen längeren Zeitraum testen, sie waren zufrieden und wollten die Wagen behalten – General Motors war aber anderer Meinung, holte die Autos zurück, verschrottete sie. Der Konzern setzte lieber weiter auf Verbrennungsmotoren, die 20 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen und zum menschgemachten Klimawandel massiv beitragen. Letztendlich ist der Konzern daran zugrunde gegangen. Auch auf der Insel Rügen gab es nach der Wende einen Versuch mit Elektroautos, der zum Scheitern gebracht wurde.
Unsere Technikgeschichte ist voll mit solchen Beispielen. Das zeigt: Nicht das Beste setzt sich durch, sondern entscheidend sind Marktmacht und der möglichst einfache Weg, auf dem sich Standards setzen lassen. Entweder man lässt dem Verbraucher keine andere Möglichkeit oder man konstruiert sein Produkt so, dass es an vorhandene Strukturen optimal anschließen kann.
Ein Beispiel für die zweite Kategorie ist der Dieselmotor: Erst nachdem der Motor als „Arbeitstier“ in Maschinen, Nutzfahrzeugen und der Schifffahrt etabliert war, fand der Dieselmotor auch immer mehr Verbreitung in PKWs. Denn Erdöl war ausreichend vorhanden, preiswert und mit hoher Energiedichte speicherbar, die Infrastruktur für den einfachen Transport und Speicherung des flüssigen Treibstoffs ebenfalls. Robust und einfach zu warten setzte sich der Dieselmotor durch und die Strukturen des Verkehrs wurden hierauf aufgebaut.
Unsere heutigen Mobilitätsströme folgen immer noch dieser über einhundert Jahre alten Struktur: Autobahnen und Tankstellen zur Überbrückung von hunderten von Kilometern Entfernung oder Supermärkte weit vor den Städten – alles ist auf die Möglichkeiten von Verbrennungsmotoren ausgerichtet: Es ist vollkommen normal, dass 80 Kilo Mensch mit 150 PS und zwei Tonnen Gewicht 500 und mehr Kilometer am Stück bewegt werden.
Ob das die optimalste Möglichkeit des Transports ist, will ich bezweifeln – hier hat sich ganz sicher nicht das Beste durchgesetzt. Im Gegenteil: Wir haben all unsere Mobilität darauf aufgebaut und die Strukturen so gefestigt, dass wir uns heute ernsthaft fragen, wie sich jemals ein Elektromobil durchsetzen soll – wo es doch nur 150 bis 200 Kilometer weit kommt. Und das obwohl es viel effizienter mit Ressourcen umgeht und obwohl wir uns im Schnitt nur 35 Kilometer pro Strecke bewegen.
Dies alles müssen wir im Hinterkopf behalten, wenn wir uns über die Zukunft der Dieseltechnologie und der Abgasnachbehandlung unterhalten. Wir wissen, dass hier noch viel getan werden muss. Noch einige Zeit werden wir auf Verbrennungsmotoren setzen müssen – und deswegen ist es selbstverständlich notwendig, hier das Optimum zu erreichen: Wo ein Diesel heute noch unabdingbar ist, müssen wir dafür sorgen, dass seine Abgase so gut wie nur irgend möglich gereinigt werden.
Wie also ist die Situation bei den Emissionen?
Grundsätzlich müssen wir alle emittierten Stoffe betrachten, nicht nur die limitierten sondern auch CO2 ist mit Blick auf den Klimaschutz als zu begrenzender Stoff unbedingt zu berücksichtigen.
Das Problem des Dieselmotors ist dann der Zielkonflikt zwischen Stickoxid-Emission und Partikelemission.Die Stickoxide sind giftig, tragen zur Bildung bodennahen Ozons bei und wirken als Dünger entlang der Verkehrswege. Demgegenüber sind Partikel aus dem Dieselmotor krebserzeugend.
Hinzu kommt: Eine Reduzierung der Partikelemission bringt aufgrund der Motortechnik automatisch eine Erhöhung der Stickoxidemission.
Eine wirksame Abgasnachbehandlung braucht also wirksame Partikelfilter mit echter Abscheidung – ohne Erhöhung anderer Emissionen, und ein wirksames Reduktionssystem für Stickoxide.
Wo gibt es das? Sicherlich nicht in der Nachrüstung, sondern nur, wenn ein Dieselmotor mit seinen Emissionen und der Abgasnachbehandlung als Ganzes betrachtet wird.
Für den Einsatz des Dieselmotors am Arbeitsplatz sind dafür schon seit mehr als 10 Jahren die notwendigen Randbedingungen geschaffen. Insbesondere die Schweiz ist hier bei der praktischen Umsetzung vorbildlich.
Erhebliche Schwächen gibt es dagegen im Fahrzeugbereich: Die Partikelfilternachrüstung mit offenen Filtern beim PKW und LKW, ich kann dazu nur Pseudo-Filter sagen, ist eine Scheinlösung.
Und es wird eine Scheinlösung bleiben, solange keine komplette Integration in das System des Dieselmotors schon bei seiner Konzeptionierung erfolgt.
Es mutet mir schon fast wie Trickserei an, wenn ich mir die aktuelle Untersuchung des niederländischen TNO-Instituts mit handelsüblichen Euro 5-LKWs anschaue. Die geforderten und versprochenen Stickoxid-Grenzwerte werden bei weitem nicht eingehalten. Im Stadtverkehr liegt der Ausstoß dreimal so hoch wie vorgeschrieben und erst ab 80 bis 90 Stundenkilometern wird das Euro 5-Niveau erreicht. So geht es nicht, meine Damen und Herren!
Diese Situation erinnert mich an die Einführung des Katalysators beim Ottomotor. Wir müssen aber weg kommen von Scheinlösungen und hin zu wirksamen Ansätzen – die dann auch in weiten Bereichen in letzter Konsequenz eine Abkehr von den heutigen Verbrennungsmotoren bedeuten.
Deswegen frage ich: Wo bleibt das Abgasnachbehandlungssystem mit geprüfter Wirkung?
Die Industrie sollte endlich aus eigenem Antrieb ein Qualitätssiegel schaffen, auf das sich die Verbraucher verlassen können. Einen Platz für Scheinlösungen darf es hierbei nicht geben.
Schafft die Industrie das nicht aus eigenem Antrieb, und hier kann der FAD als freiwilliger Zusammenschluss der wesentlichen Akteure wichtige Hilfestellung leisten, muss die Politik eingreifen.
Es gilt immer noch das Primat der Politik – handelt ein wichtiger Akteur nicht aus eigenem Antrieb, muss die Politik die Randbedingungen für das Zusammenleben festlegen.
Denn es kann nicht sein, dass weiterhin die Umwelt zu Lasten unserer Kinder und Kindeskinder geschädigt wird, obwohl wirksame Abhilfe möglich ist. Nachhaltiges Wirtschaften sieht anders aus!
Sehr geehrte Damen und Herren,
Lassen sie mich zum Klimaschutz und seinen Folgen kommen. Obwohl die IPCC in letzter Zeit wegen unsauberer Daten in die Kritik geraten ist, können wir den Anstieg der Erderwärmung nicht wegdiskutieren. Egal wie wir es drehen und wenden: CO2 bleibt die entscheidende Größe und wir müssen reduzieren. Konkret hat das Bundesverkehrsministerium in dieser Wahlperiode eine Absenkung in Höhe von 20% für die Sparte Verkehr angekündigt. Aber wo stehen wir wirklich? Sehr weit weg von diesem Ziel meine Damen und Herrn, leider!
Tatsächlich hat es in allen anderen Sparten eine Senkung der CO2-Emissionen gegeben, mal mehr wie im Bereich der Haushalte und Industrie von knapp 18% seit 1990, mal weniger wie bei der Energieerzeugung von knapp 5%. Nur die Sparte Verkehr hat gar keinen Beitrag geliefert! Im Gegenteil! Um 36% sind die CO2-Emissionen aus dem Verkehr angestiegen, mit annähernd linearer Tendenz. 2040 werden wir dann doppelt so hohe Verkehrsemissionen haben wie 1990. Sieht so wirklich nachhaltiges Wirtschaften in der Verkehrsbranche aus?
Aber das ist nur ein Aspekt für die notwendige Wende. Neben dem Klimaproblem müssen wir uns von der Ausbeutung der fossilen Rohstoffe verabschieden, weil diese Ressourcen – Stichwort Peak Oil – absehbar zur Neige gehen. Zur Zeit müssen wir im Golf von Mexiko beobachten, wie hoch der Preis unserer Fixierung auf das Erdöl heute ist. All das macht uns deutlich: Wir brauchen Alternativen.
Fachleute sagen uns, dass ab einem Ölpreis von 150$ pro Barrel eine Änderung des Logistikkonzeptes einsetzt. Da waren wir 2008 schon mal kurzfristig. Oder ist dieses Ereignis schon wieder aus dem Blickfeld verschwunden?
Wie also können wir zukünftig unsere notwendigen Transporte noch weiter gewährleisten? Klar ist: Der häufig gehegte Wunsch, einfach den Treibstoff auf Biomasse umzustellen, wird nicht funktionieren. Biomasse – in welcher Form auch immer – kann aufgrund der Konkurrenz zur Nahrungsversorgung nur ein sehr begrenzter Ersatz sein. Vorrangig werden wir die Biomasse als Rohstoff für die Chemie- und Pharmaindustrie brauchen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie ich schon zu Beginn betont hatte, ist unser derzeitiges Mobilitätsverhalten von der veralteten Technik der Verbrennungsmotoren geprägt. Unsere Zukunft kann deswegen nicht einfach das Auswechseln der Antriebsmaschine sein. Was wir brauchen, ist ein neues Verkehrsverhalten kombiniert mit intelligenten Lösungen. Das kündigt sich heute schon an: Studien zeigen, dass bei der heutigen Jugend die Autofixierung nachlässt.
Dazu sind die Ideen und neue Möglichkeiten da: Es muss nicht alles mit einem Verkehrsträger von A nach B gebracht werden, sondern die Lösung besteht in der optimalen Verknüpfung der Stärken einzelner Verkehrsträger. Ich stelle mir da etwa vor, mit einem kurzzeitig gemieteten Pedelec bis zum Bahnhof zu fahren, dort in die Bahn zu steigen und dann auf dem Land mit einem Elektroauto oder Hybrid ans Ziel zu kommen.
Auch für die Warenlogistik lässt sich das entsprechend realisieren: Kleincontainer für die Anlieferung mit Elektro-Transportern werden für die Langstreckenfahrt mit der vollständig elektrifizierten Bahn zu Standard-20-Fuss-Container zusammengestellt.
In meiner Vision für das Jahr 2050 ist der Verkehr weitgehend verstromt. Der Strom wird auf Basis erneuerbarer Energien erzeugt.
Aber lassen sie mich zu einem weiteren Aspekt kommen, der bisher auf eine Lösung wartet - obwohl dieser Aspekt in erheblichem Maß zur Umweltverschmutzung und zum Klimawandel beiträgt. Ich rede von der Schifffahrt. Es fehlen bislang Lösungen, obwohl hier Schweröl verbrannt wird – ein Raffinerierückstand, mit dem eigentlich Straßen asphaltiert werden könnten. Man muss es klar sagen: auf unseren Meeren sind Müllverbrennungsanlagen unterwegs. Und die tragen auch noch mit 1,12 Milliarden Tonnen CO2 jedes Jahr gewaltig zur Klimagefährdung bei, wie neue Untersuchungen der UNO zeigen.
Für die Schifffahrt müssen wir eher auf den Erdgasantrieb setzen, da hier wesentlich bessere Wirkungsgrade erzielt werden können. Sukzessive kann hier auf die Hybridtechnologie zur besseren Energieausnutzung umgestiegen werden.
Erdgas erzeugt mit Überschuss von Windstrom aus Wasserstoff und CO2 aus der Luft für die wenigen notwendigen Anwendungen von Verbrennungsmotoren.
Lassen Sie mich zu meinem Fazit kommen.
Wie ich eingangs deutlich gemacht habe, setzt sich am Markt nicht immer das durch, was eigentlich das Beste – also Nachhaltigste für die gesamte Gesellschaft – ist. Die Gründe hatte ich benannt – reine Marktmacht oder das simple Andocken an vorhandene Strukturen kann Innovationen ausbremsen. Um hier auszubrechen, ist die Politik gefragt. An dieser Stelle muss sie eingreifen!
Wenn das ökologische und soziale Umfeld – wie etwa durch den Klimawandel – bedroht ist, muss die Politik, langfristige Ziele definieren und nachhaltiges Wirtschaften sicherstellen. Sonst wird unser Zusammenleben zukünftig immer weniger möglich sein.
Deswegen will ich jetzt als Politikerin an dieser Stelle deutlich machen: Der Dieselmotor hat in dem heutigen Rahmen nur noch ein zeitlich deutlich begrenztes Dasein – insbesondere im PKW. Der Umstieg auf Elektromobilität und Hybrid ist daher dringend erforderlich.
Solange der Dieselmotor aber noch gebraucht wird, ist die wirksame Abgasminderung absolute Pflicht. Scheinlösungen sind hier fehl am Platze – das wäre nichts als die Verdummung der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es gibt also für den FAD noch viel zu tun. Die Zukunft des FAD liegt vor allem in der fachkompetenten Begleitung der Entwicklung wirksamer Abgasnachbehandlungssysteme hin zu einem kundenorientierten System, auf das sich die Nutzer wirklich verlassen können. Und das nicht nur im Off-Road-Bereich für den Arbeitsschutz, aus dem ich komme, sondern genauso für den Straßenverkehr und die Non-Road-Bereiche. So ein Fiasko wie mit den Pseudo-Partikelfiltern in der PKW-Nachrüstung darf es nicht wieder geben.
Reicht das schon als Aufgabe für den FAD bis zum 20. Geburtstag? Wohl kaum, denn gerade im Non-Road-Bereich stehen wir bei der wirksamen Emissionsminderung für unsere Gesundheit und den Klimaschutz noch am Anfang. Hier ist deutlicher Entwicklungsaufwand erforderlich. Denn zum Beispiel der Schiffsverkehr wird weiterhin eine Domäne des Verbrennungsmotors sein, dann wohl als Erdgasmotor. Alles andere wird künftig weitgehend elektrifiziert sein müssen.
Damit will ich auf den Beginn meines Beitrags zurückkommen:
Es reicht nicht aus, dass nur der Beste gewinnt. Wenn wir alle unsere Welt erhalten wollen, kann nur derjenige gewinnen, der rechtzeitig den Wandel erkennt und ein wirklich nachhaltiges Wirtschaften umsetzt,
Die Politik unterstützt diese Entwicklung breit mit allen Fraktionen im Bundestag durch den parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung, in der ich Obfrau bin. Es gilt aber nicht das Motto „Hannemann, geh Du voran“ und dann abwarten, bis der Staat zu Lasten aller Bürgerinnen und Bürger und Betriebe gewaltige Fördermittel auswirft. Eigeninitiative und Engagement sind gefragt, damit wir aus eigener Kraft den Weg zur Erhaltung der Schöpfung finden.
Packen wir es an. Warten wir nicht länger.
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