Alles im Fluss

Beitrag für die AKP Mai/Juni 2011 Der Bund will sich künftig auf ein Vorrangnetz der Wasserstraßen konzentrieren und die Verwaltung verkleinern. Kommunen müssen sich neu orientieren: Viele Anbindungswünsche werden nicht mehr realisiert. Wie kann die Infrastruktur für Sportschiffer erhalten werden?

09.05.11 –

Beitrag für die AKP Mai/Juni 2011

Jahrzehntelang wurde von einem engmaschigen bundesweiten Wasserstraßennetz geträumt und kräftig ausgebaut. Trotz Milliardeninvestitionen stagniert der Transport auf den Wasserstraßen – jetzt kommt Bewegung in die Debatte: Der Bund will sich künftig auf ein Vorrangnetz konzentrieren und die Verwaltung verkleinern. Kommunen müssen sich neu orientieren: Viele Anbindungswünsche werden nicht mehr realisiert und der Tourismus steht vor der Frage, wie die Infrastruktur für Sportschiffer erhalten werden kann.

In Deutschland gibt es 6593 Kilometer Binnenwasserstraßen. Sie gehören dem Bund und der erhält, betreibt und verwaltet sie wie einst die Bundesbahn und die Bundespost: Mit neun Direktionen, 44 Ämtern und 141 Außenbezirken. Ähnlich wie bei Straße und Schiene folgten die Ausbauwünsche weniger einer infrastrukturellen Gesamtbetrachtung als viel mehr einer gut gepflegten Tradition: Oft ging es bei der Auswahl von Wasserstraßenprojekten eher um Wahlkreise, Gefälligkeiten, persönliche Beziehungen oder zu gewinnende Wahlen, als um eine wirkliche Abwägung, welche Projekte tatsächlich für den bundesweiten und europäischen Verkehr notwendig, umweltfreundlich und bezahlbar sind. So wurden alle Wasserstraßenprojekte für etwa vier Milliarden Euro als „vordringlich“ in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen.

Dass dies völlig unfinanzierbar ist interessierte lange nicht. Viele Kommunen verließen sich darauf und bauten ihre Häfen aus: Halle und Hildesheim investierten viel Geld und versprachen Unternehmen die Anbindung und den Bürgern Arbeitsplätze. Hildesheim hatte „Glück“: die Schleuse Bolzum wird gerade ausgebaut – selbst wenn vielfach die Wirtschaftlichkeit bezweifelt wird. Halle dagegen hatte „Pech“: Seit der Hafen in den neunziger Jahren erneuert und ausgebaut wurde, wartet man auf den Bau des Saale-Seiten-Kanals, der mindestens noch einmal 90 Millionen Euro kosten würde. Auch hier ist die Wirtschaftlichkeit sehr fragwürdig, denn die transportierten Mengen kommen schon jetzt in Halle an – mit der Bahn. Ein neuer Kanal für die Saale hätte nur die Folge, dass der Bundeshaushalt einen Preiskampf zwischen Schiff und Bahn fördern würde. Deswegen brauchen wir vor allem eine neue Ehrlichkeit: Wir haben inzwischen einen so großen Ausbaustandard erreicht, dass es beim Bau nicht mehr nur um die reine Investitionssumme gehen kann, sondern stets auch die langfristige Mittelbindung für den Erhalt einer weiträumigen Infrastruktur bedacht werden muss.

Auf Druck des Bundestages wurde nun auch das Bundesverkehrsministerium tätig. Im Januar präsentierte es eine neue Netzstruktur für die Wasserstraßen, dem nun eine Reform der Verwaltung folgen soll. Die jetzigen Pläne des Bundesverkehrsministeriums sehen eine abgestufte Rangfolge für die Erhaltung vor, die sich nach dem Verkehrsaufkommen richten soll.  Da die Mittel nicht für alle Wasserstraßen ausreichen, müssen sie dort konzentriert werden, wo sich jetzt oder in absehbarer Zukunft die entscheidenden Verkehrsströme bewegen. Hierzu gehören der Rhein, das Westdeutsche Kanalnetz, der Mittellandkanal westlich von Wolfsburg, der Elbe-Seiten-Kanal, die Mosel, der Main flussabwärts von Frankfurt sowie bei den Seewasserstraßen der Nord-Ostsee-Kanal und die Seehäfen Bremen/Bremerhaven, Hamburg und Wilhelmshaven. Hier wird der Bund seine Mittel einsetzen und die entsprechende Verwaltung weiter unterhalten müssen. Für viele der übrigen Wasserstraßen brauchen wir andere Lösungen.

Was bedeutet das für die betroffenen Kommunen?

Grundsätzlich brauchen wir eine Debatte über Sinn und Zweck von Bundeswasserstraßen: Ist es ihre Aufgabe, die Verkehrsströme von bundesweiter und europäischer Bedeutung so umweltfreundlich und ökonomisch wie möglich zu steuern oder sind sie auch ein Mittel der regionalen Wirtschaftsförderung? Die Frage ist aus verkehrspolitischer einfach zu beantworten – die Realität ist jedoch vielfach eine andere.

Vor allem Landes- und Kommunalpolitiker wollen nicht nur der lokalen Bauwirtschaft helfen oder die Arbeitsplätze der Verwaltung erhalten, vielfach profitiert vor allem auch der Tourismus vom Status der Bundeswasserstraßen. So ist die Müritz-Elde-Wasserstraße für den Gütertransport völlig bedeutungslos, für den Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern jedoch außerordentlich wichtig. Mit der neuen Netzstruktur wird es zu Änderungen kommen. Länder und Kommunen werden sich damit zu beschäftigen haben, wie die Infrastruktur zukünftig zu erhalten ist.

Die Bundesregierung behält sich die Bildung eines Wassertourismusnetzes ausdrücklich vor – wie das jedoch beschaffen sein soll, wer hier beteiligt wird und mit welchen Mitteln es erhalten werden muss, ist derzeit völlig offen.  Entsprechend groß ist die Unruhe in den betroffenen Kommunen und Regionen: Auch Sportschiffer sind schließlich auf bestimmte Wassertiefen angewiesen und brauchen funktionstüchtige Schleusen, für die derzeit jedoch vielfach die Mittel der Kommunen nicht ausreichen würden. Wichtig bleibt, dass sowohl Bund als auch Kommunen die Veränderung anerkennen und konstruktiv an einer neuen Struktur arbeiten: Touristische Wasserstraßen sind nicht mehr vorrangig verkehrspolitisch zu betrachten, sondern Teil der regionalen Wirtschaftsförderung sowie der Tourismus- und Naturschutzpolitik. Damit rücken auch die Interessen der Kommunen viel mehr in den Mittelpunkt: Sie sollen mitentscheiden, wie bestimmte Projekte am besten zu ihren regionalen Bedürfnissen passen.

Die Grünen setzen sich im Bundestag deswegen für eine Regierungskommission „Wasserstraße“ ein, welche die Umsetzung der neuen Netzstruktur und der Verwaltungsreform begleitet und in der Vertreter von Kommunen, Bund und Ländern, der Umwelt- und Naturschutzverbände, der Schifffahrtsbranche, der Häfen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Fachleute für Verwaltungsreformen vertreten sind. Hier muss geklärt werden, wie Wasserstraßen ohne bundesweite Bedeutung erhalten werden und wie die Aufgaben zukünftig zwischen Bund, Land, Kommunen und Regionalkörperschaften verteilt werden können.

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Beiträge | Schifffahrt | Tourismus