Bahnpreise

Rede im Bundestag am 1. Dezember 2011 (zu Protokoll) Valerie Wilms' Kritik am Antrag der Linken "Bahnpreiserhöhung stoppen"

01.12.11 –

Rede im Bundestag am 1. Dezember 2011 (zu Protokoll)

Der Antrag der Linken zu Bahnpreisen greift ein Problem auf, das viele Menschen täglich trifft. Bahnfahren ist in den letzten Jahren immer teurer geworden. Treueste Bahn-Fans wurden verprellt und steigen um: in Billigflieger. Vor allem aber spielen auch Pkw eine immer größere Rolle. Die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten ist zu einem Massenphänomen geworden. Der einzige Grund, warum sich Menschen für Fahrten quer durch Deutschland zu dritt auf die Rückbank eines Kleinwagens quetschen, liegt in den hohen Preisen der Bahn. Viele von ihnen würden viel lieber Bahn fahren, aber bei oft dreimal höheren Kosten ist der Anreiz einfach nicht gegeben.

Die Analyse der Fahrtkosten in dem Antrag ist grundsätzlich richtig. Sie haben hier das Offensichtliche und jedem Bekannte noch einmal fein säuberlich aufgelistet. Leider fehlt diese Sorgfalt für Ihren Politikansatz, wie Sie dieses Problem lösen wollen, und es werden die falschen Schlussfolgerungen gezogen. Hier wird eine einfache Lösung für ein sehr komplexes Problem vorgegaukelt. Das dürfte wahrscheinlich sehr populär sein, geht aber an den Realitäten vorbei. Auch ich habe natürlich nichts gegen niedrige Bahnpreise. Die Deutsche Bahn ist jedoch ein selbstständiges Unternehmen, über das der Bund als Eigentümer nur in strategischen Grundsatzentscheidungen im Aufsichtsrat Einfluss nehmen kann. Ein Eingriff in die Preisgestaltung ab Dezember gehört hier sicher nicht dazu. Wenn Sie in die Preise der Bahn eingreifen wollen, dann müssen Sie die gesamte rechtliche Form des Unternehmens ändern. Wollen Sie etwa wieder zurück zur Behördenbahn? Mit einem Antrag zu den Preisen erreichen Sie hier gar nichts, und es ist falsch, den Menschen in unserem Land etwas anderes vorzugaukeln.

Auch bleiben Sie völlig unkonkret, was Sie unter einer Reform des Preissystems verstehen und wie das umgesetzt werden könnte. Über den Aufsichtsrat werden Sienur begrenzt Einfluss nehmen können. Schließlich müssten Sie auch konkretisieren, was Sie mit der „Förderung und dem Ausbau der Mobilitätskarten BC50 und BC100“ meinen. Hierzu finden sich in Ihrer Begründung wieder ausführliche Analysen, aber leider ist nicht zu erfahren, ob Sie hier eine Förderung aus dem Bundeshaushalt meinen, was das eventuell kosten würde und womit Sie das finanzieren wollen. Dazu erwarte ich konkrete Vorschläge, und ich hoffe, dass Sie die in den Ausschussberatungen noch nachliefern können.

Wenn Sie wirklich und grundlegend etwas an den Preisen der Bahn ändern wollen, ist ein ganz anderer Ansatz notwendig: Wir brauchen schlicht und einfach Wettbewerb. Ich spreche hier bewusst nicht von mehr Wettbewerb – denn es gibt quasi gar keine Konkurrenz zur Bahn im Personenfernverkehr. Jeder weiß, dass Wettbewerb zu sinkenden Preisen führt – ich erinnere nur an den Telekommunikationsmarkt – und dass Monopole genau das Gegenteil bewirken. Wer keine Konkurrenz hat, hat keinerlei Anlass, seine Preisgestaltung zu ändern.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie wir zu Wettbewerb im Personenfernverkehr kommen können: Wir müssten konsequent regulieren und Anreize zur Kostenminimierung schaffen – also endlich eine Anreizregulierung schaffen – sowie schließlich auch darüber reden, wie wir das Schienennetz allen Anbietern zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen können. Nur damit könnten sich auch Wettbewerber im Fernverkehr etablieren.

Als Eigentümerin des Schienennetzes hat die Deutsche Bahn entscheidenden Einfluss, wer zu welchen Bedingungen die Strecken nutzt. Hier werden Wettbewerber konsequent benachteiligt. Wir kennen die Problematik aus der Versorgung mit Bahnstrom, wo die Konkurrenz der DB etwa viel höhere Energiepreise zu zahlen hat. Und jetzt wird auch noch angekündigt, die Trassennutzung als Miete zu deklarieren und zu besteuern – natürlich nur für die Wettbewerber der Deutschen Bahn und ausdrücklich weder für die DB selbst oder gar für den Lkw-Verkehr oder den Fernbusverkehr. Wettbewerb wird damit konsequent verhindert.

Wer wirklich etwas ändern und für niedrigere Preise sorgen will, muss also hier ansetzen. Leider geht die Politik der Linken in eine andere Richtung. Sie wollen das Monopol der Bahn erhalten und mit einer Rückverstaatlichung zementieren. Selbst eine Öffnung des Fernbusmarktes lehnen Sie ab, obwohl damit wenigstens etwas Bewegung in den Personenfernverkehr kommen würde.

Es immer wieder erstaunlich, dass Sie auf Fragen der Zukunft mit den Ideen von gestern antworten. Jahrzehntelang hatten wir in Ost wie West die Behördenbahn, und jeder weiß, wie unsere Züge und Bahnhöfe früher aussahen. Damals hatte der Staat ein vollständiges Durchgriffsrecht – aber leider hat das auch damals nicht zur stets kundenfreundlichen oder pünktlichen Bahn geführt. Ich kann deswegen nicht nachvollziehen, wie Sie mit einer solchen Konstruktion wieder zu einem besseren Bahnangebot kommen wollen.

Selbstverständlich bin auch ich mit vielem bei der Bahn nicht einverstanden, und ganz sicher sind die hohen Preise ein Grund zur Kritik. Wir müssen hierauf aber neue Antworten finden und dürfen nicht mit den Rezepten von vorgestern kommen. Mir ist klar, dass das ein steiniger und langer Weg ist. Die Deutsche Bahn wird ihr Monopol verteidigen. Jeder würde das tun. Als Politiker haben wir aber die Aufgabe, nicht die Interessen eines Unternehmens zu bedienen, sondern wir müssen die gesamte Gesellschaft im Blick haben.

Insofern fordere ich die Kolleginnen und Kollegen der Linken auf, konstruktiv an den Ursachen der hohen Bahnpreise zu arbeiten und für mehr Wettbewerb auf der Schiene zu sorgen, statt Augenwischerei zu betreiben und eine einfache Lösung dort vorzumachen, wo ein dickes Brett zu bohren ist.

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