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27.03.15 –
Rede im Bundestag
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Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne! Tja, worüber reden wir heute? Über die CSU-Maut, das bisher aufwendigste und zugleich sinnloseste Projekt dieser Koalition!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Herbert Behrens (DIE LINKE): Bislang! Wir wissen nicht, was noch kommt!)
Die CSU mag sich heute freuen. Ich kann Ihnen aber versprechen, Herr Dobrindt: Das Lachen wird Ihnen noch vergehen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
- Ich habe gesehen, was da hinten offenbar schon an Erklärungen abgegeben wird. - Viele in dieser Koalition hoffen, dass es jetzt endlich vorbei ist. Ich garantiere Ihnen: Wenn Sie die CSU-Maut heute durchwinken, dann geht der Ärger erst richtig los, nämlich mit Europa.
Sie wollen heute ein Gesetz beschließen, das gegen fundamentale europäische Prinzipien verstößt. Früher oder später wird diese Maut von Europa kassiert werden. Bei der Lkw-Maut haben Sie das schon einmal erlebt. Ich bin gespannt, ob dann die Maut für alle übrig bleibt.
(Sabine Leidig (DIE LINKE): Natürlich bleibt die übrig! Das ist doch gewollt!)
Vielleicht ist das auch Ihr geheimes Ziel, Herr Dobrindt.
Die Beratungen in den Ausschüssen haben alle Probleme noch einmal klar bestätigt. Da hilft es überhaupt nichts, wenn die Koalition die gleichen Textbausteine tausendmal wiederholt. Das ganze Konstrukt der CSU-Maut setzt auf die persönliche Meinung eines einzigen Professors aus Bonn. Das wird den Europäischen Gerichtshof nicht beeindrucken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE))
Der Europäische Gerichtshof orientiert sich an seiner Rechtsprechung. Einzig und allein die bisherige Rechtsprechung ist maßgeblich, und die ist verdammt eindeutig: Die CSU-Maut ist und bleibt eine Diskriminierung von EU-Ausländern. - Darum darf sie nicht in Gang gesetzt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir im Bundestag, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben die Pflicht, europarechtskonforme Gesetze zu verabschieden. Das muss allen in der Koalition heute klar sein. Diese Maut-Gesetze sind Rechtsbruch mit Ansage.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie biegen sich aber nicht nur das Europarecht so hin, wie es Ihnen gerade in den Kram passt. Viel schlimmer ist die riesige Bürokratiemaschine, die Sie da aufbauen. Eigentlich wollten Sie in dieser Woche Bürokratie abschaffen. Ich habe es noch nicht erlebt, dass eine Bundesregierung so blank dastand wie am Montag im Haushaltsausschuss. Die Experten haben die Berechnungen von Herrn Dobrindt, dem Maut-Bubi, in der Luft zerrissen. Ihr eigener Gutachter, den Sie selbst bestellt haben, musste bei Nachfragen passen. Für wie dumm wollen Sie uns hier im Parlament eigentlich verkaufen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Maximal die Hälfte der geplanten Einnahmen ist möglich. Damit können Sie vielleicht zwei Brücken pro Jahr erneuern. Das ist lächerlich, wenn man bedenkt, was für einen Aufwand Sie hier betreiben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Die SPD hat noch eingebracht, dass eine neue Infrastrukturabgabebehörde geschaffen wird. Eine neue Behörde! Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
(Sören Bartol (SPD): Sie haben es nicht verstanden! So ein Quatsch!)
Es werden Hunderte Mitarbeiter eingestellt. Es müssen etwa 50 Millionen Briefe an Fahrzeughalter verschickt werden. Toll! Ich rechne einmal nach: Allein das Porto beträgt locker 30 Millionen Euro. Es muss europaweit ein komplett neues Mautsystem ausgeschrieben und aufgebaut werden. Bei dieser CSU-Maut haben Sie anscheinend die Pedale verwechselt. Sie treten noch einmal so richtig auf das Bürokratiegas. Herr Dobrindt, das ist der falsche Weg.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Allein das sind schon genug Gründe, um endgültig die Finger von der CSU-Maut zu lassen, aber es kommt noch schlimmer.
Viele Kommunen in den Grenzregionen haben uns inständig gebeten, keine neuen Barrieren aufzubauen; sie sind nämlich über die Grenzen hinweg zusammengewachsen. Wir können das sehr gut nachvollziehen und haben deshalb den Vorschlag des Städtetages aufgegriffen. Wir fordern die Koalition auf: Wenn Sie schon nicht von der Maut lassen können, dann verschonen Sie wenigstens die Grenzregionen, die sie nicht wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Von mir aus soll die CSU diesen Mist in Bayern einführen,
(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Ich mache in Bayern Urlaub! Da finde ich das auch nicht schön!)
aber sie soll nicht alle in Haftung nehmen, die ohne Grenzen mit ihren Nachbarn zusammenleben wollen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Noch ein Wort zu den Damen und Herren der Sozialdemokratie, der 25-Prozent-Partei. Sie haben uns hier vor vier Wochen ein paar Versprechen gegeben. An ein Versprechen möchte ich Sie besonders erinnern. Vor vier Wochen hat Sören Bartol laut getönt: Es darf keine Maut für alle geben. Wenn Sie das ernst meinen, dann stimmen Sie heute unseren Änderungen zu.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir haben Ihnen eine Selbstzerstörungsklausel angeboten: Wenn der Europäische Gerichtshof einen Teil dieses ganzen Quatsches kippt, dann ist Schluss. Ich kann nur raten: Nutzen Sie diese Chance! Jeder Einzelne von Ihnen kann heute klarmachen, dass er keine Maut für alle will. Da reicht es nicht, nur eine persönliche Erklärung abzugeben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zum Schluss möchte ich noch ein paar Worte an den Mautminister Dobrindt richten, auf dessen Mist das Ganze gewachsen ist. Ganz bestimmt hat Ihnen die Maut im letzten Wahlkampf geholfen, aber Sie haben danach den richtigen Zeitpunkt des Absprungs verpasst. Um Recht zu behalten, haben Sie fette Kröten geschluckt wie Mindestlohn und Frauenquote.
(Christine Lambrecht (SPD): Das sind ja wohl keine Kröten! Die Frauenquote! Hallo!)
Und was haben Sie dafür bekommen? Nichts als ein bürokratisches Monstrum, das kein Geld einbringt und früher oder später von Europa gekippt wird.
Vizepräsident Johannes Singhammer:
Frau Kollegin Dr. Wilms, Sie denken an die Redezeit?
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. ‑ Das nenne ich Totalversagen eines CSU-Ministers. Wir haben keine Zeit mehr für lokale Quatschprojekte aus Bayern wie die CSU-Maut. Uns brechen die Brücken weg. Wir müssen uns endlich Gedanken über eine grundsätzlich neue Richtung in der Verkehrspolitik machen. Wenn Sie mit ernsthaften Vorschlägen kommen, verschließen wir uns garantiert nicht. Aber es muss endlich Schluss sein mit noch mehr schlechten Ideen für ein ohnehin schlechtes System.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
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