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23.05.13 –
Rede zum Workshop "Partikelfilter an Baumaschinen" der Senatsverwaltung Berlin für Stadtentwicklung und Umwelt am 22. Mai 2013
In unserer Welt gibt es ein geflügeltes Wort, dass häufig und gern benutzt wird. Oft heißt es: Der Beste wird gewinnen. Man sagt das schnell dahin – meistens um irgendeine Begründung für das eigentlich nicht Erwartete zu finden. Ob Dänemark am Pfingstsamstag den europäischen Schlagerwettbewerb oder nächsten Samstag Bayern oder Borussia die Champions-League: Es möge der oder die Beste gewinnen. Ich möchte mich jetzt nicht über die Qualität einer Singstimme oder die Truppe von Jupp Heynckes oder Jürgen Klopp auslassen – davon verstehe ich ganz ehrlich nichts. Gleichzeitig machen uns diese Beispiele klar, dass eine ganze Menge Faktoren mitspielen – und ganz bestimmt nicht immer der oder die Beste am Ende auch die Gewinner sind.
Sehen wir uns zum Beispiel die Technikgeschichte an: Hätte sich hier das jeweils Beste durchgesetzt, sähe unsere Welt ziemlich anders aus. Es gab schon in den 90er Jahren funktionierende Elektroautos wie den EV1 von General Motors im Massenversuch: Ganz normale Bürger konnten den Wagen zu Hause über einen längeren Zeitraum testen, sie waren zufrieden und wollten die Wagen behalten – General Motors war aber anderer Meinung, holte die Autos zurück, verschrottete sie. Der Konzern setzte lieber weiter auf Verbrennungsmotoren, die 20 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen und zum menschgemachten Klimawandel massiv beitragen. Letztendlich ist der Konzern daran zugrunde gegangen.
Unsere Technikgeschichte ist voll mit solchen Beispielen. Das zeigt: Nicht das Beste setzt sich durch, sondern entscheidend sind Marktmacht und der möglichst einfache Weg, auf dem sich Standards setzen lassen. Entweder man lässt dem Verbraucher keine andere Möglichkeit oder man konstruiert sein Produkt so, dass es an vorhandene Strukturen optimal anschließen kann.
Ein Beispiel für die zweite Kategorie ist der Dieselmotor: Erst nachdem der Motor als „Arbeitstier“ in Maschinen, Nutzfahrzeugen und der Schifffahrt etabliert war, fand der Dieselmotor auch immer mehr Verbreitung in PKWs. Denn Erdöl war ausreichend vorhanden, preiswert und mit hoher Energiedichte speicherbar, die Infrastruktur für den einfachen Transport und Speicherung des flüssigen Treibstoffs ebenfalls. Robust und einfach zu warten setzte sich der Dieselmotor durch und die Strukturen des Verkehrs wurden hierauf aufgebaut.
Dies alles müssen wir im Hinterkopf behalten, wenn wir uns über die Zukunft der Dieseltechnologie und der Abgasnachbehandlung unterhalten. Wir wissen, dass hier noch viel getan werden muss. Gerade im Baubereich werden wir auf Verbrennungsmotoren setzen müssen – und deswegen ist es selbstverständlich notwendig, hier das Optimum zu erreichen: Wo ein Diesel heute noch unabdingbar ist, müssen wir dafür sorgen, dass seine Abgase so gut wie nur irgend möglich gereinigt werden.
Wie also ist die Situation bei den Emissionen?
Durch die Emissionen des Verkehrs werden nach Untersuchungen der Europäischen Umweltagentur etwa 100 Mrd. Euro jährlich an Gesundheitskosten verursacht. Die Luftverschmutzung durch die Verkehrsemissionen reduziert die Lebenserwartung in Ballungsgebieten um deutlich mehr als 2 Jahre.
Was macht das Abgas aus dem Dieselmotor gerade so kritisch? Die Stickoxide sind giftig, schädigen die Atemwege, tragen zur Bildung bodennahen Ozons bei und wirken als Dünger entlang der Verkehrswege. Die Rußpartikel aus dem Dieselmotor sind krebserzeugend, was von der WHO im Jahr 2012 endlich bestätigt wurde. Die deutsche Kommission zur Einstufung von Arbeitsstoffen (MAK-Kommission) hat diesen Verdacht schon 1986 festgestellt.
Die Fakten zeigen ganz deutlich, dass dringender Handlungsbedarf in Europa besteht. An 44% der Verkehrsüberwachungsstationen wurden im Jahr 2010 schädliche Stickstoffdioxidpegel oberhalb der Grenzwerte gemessen, und das nicht nur an vielbefahrenen Autobahnen. Auch in meiner Heimatstadt, einer Stadt mit 32.000 Einwohner, erreichen wir den Grenzwert spielend. Und was den Feinstaub (PM10) betrifft, gibt es auch dort keine Entwarnung für Europa. Die Grenzwerte für PM10 wurden 2010 an 33% der Messstationen überschritten.
Das Problem des Dieselmotors ist der Zielkonflikt zwischen Stickoxidemission und Partikelemission. Eine Reduzierung der Partikelemission bringt aufgrund der Motortechnik automatisch eine Erhöhung der Stickoxidemission.
Eine wirksame Abgasnachbehandlung braucht also wirksame Partikelfilter mit echter Abscheidung – ohne das es dabei zu einer Erhöhung anderer Emissionen kommt, und ein wirksames Reduktionssystem für Stickoxide.
Wo gibt es das? Sicherlich nicht in der Nachrüstung, sondern nur, wenn ein Dieselmotor mit seinen Emissionen und der Abgasnachbehandlung als Ganzes betrachtet wird.
Für den Einsatz des Dieselmotors am Arbeitsplatz sind dafür schon seit mehr als 20 Jahren die notwendigen Randbedingungen geschaffen. Insbesondere die Schweiz ist hier bei der praktischen Umsetzung vorbildlich.
Erhebliche Schwächen gibt es dagegen im Fahrzeugbereich: Die Partikelfilternachrüstung mit offenen Filtern beim PKW und LKW, ich kann dazu nur Pseudo-Filter sagen, ist eine Scheinlösung, die leider von der Politik auch noch mit einer Umrüstprämie belohnt wird.
Und es wird eine Scheinlösung bleiben, solange keine komplette Integration in das System des Dieselmotors schon bei seiner Konzeptionierung erfolgt.
Es mutet mir schon fast wie Trickserei an, wenn ich mir die Untersuchung des niederländischen TNO-Instituts mit handelsüblichen Euro 5-LKWs anschaue. Die geforderten und versprochenen Stickoxidgrenzwerte werden bei weitem nicht eingehalten. Im Stadtverkehr liegt der Ausstoß dreimal so hoch wie vorgeschrieben und erst ab 80 bis 90 Stundenkilometern wird das Euro 5-Niveau erreicht. So geht es nicht, meine Damen und Herren!
Diese Situation erinnert mich an die Einführung des Katalysators beim Ottomotor. Wir müssen aber weg kommen von Scheinlösungen und hin zu wirksamen Ansätzen – die dann auch in weiten Bereichen in letzter Konsequenz eine Abkehr von den heutigen Verbrennungsmotoren bedeuten.
Deswegen frage ich: Wo bleibt das Abgasnachbehandlungssystem mit geprüfter Wirkung? Und wie bekommen wir es als Pflichtausstattung in alle Dieselmotoren hinein – nicht nur in PKW und LKW sondern auch in Baumaschinen, Notstromaggregate, Binnenschiffe oder Seeschiffe. Dazu ist der Weg noch weit.
Die Industrie sollte endlich aus eigenem Antrieb ein Qualitätssiegel schaffen, auf das sich die Verbraucher verlassen können. Einen Platz für Scheinlösungen darf es hierbei nicht geben.
Es gilt immer noch das Primat der Politik – handelt ein wichtiger Akteur nicht aus eigenem Antrieb, muss die Politik die Randbedingungen für das Zusammenleben festlegen.
Denn es kann nicht sein, dass weiterhin die Umwelt zu Lasten unserer Kinder und Kindeskinder geschädigt wird, obwohl wirksame Abhilfe möglich ist. Nachhaltiges Wirtschaften sieht anders aus!
Wenn wir an der derzeitigen Situation nichts ändern, sparen die Logistikunternehmen zwar Geld bei den Transportkosten, die Bauunternehmen bei den Baukosten, die Reeder beim Betrieb der Schiffe und auch wir als Autofahrer. Denn bislang gehen die Kosten für die Erkrankungen durch die Emissionen der Dieselmotoren zu Lasten des Gesundheitssystems, also der Gesellschaft, aber nicht zu Lasten der Verursacher.
Bis heute sagen Preise nicht die ganze Wahrheit: die externen Kosten der Schäden an der Umwelt oder an der Gesundheit zahlt die Gesellschaft. Für eine Internalisierung der externen Kosten, die durch die Schadstoffemissionen des Verkehrs verursacht werden, müsste Deutschland mindestens 8 Cent/km bei Benutzung eines Euro 3-LKW zusätzlich erheben. Das hat die Europäische Umweltagentur im letzten Jahr berechnet. Aber bei der derzeit anstehenden Diskussion um neue Mauthöhen ist das leider immer noch kein Thema.
Eine fiskalische Regelung über die Internalisierung der externen Kosten wäre die eine Möglichkeit, mit dem die Politik den Einsatz von Dieselmotoren in die richtige, also saubere Richtung, wirksam lenken könnte, wenn wir uns denn trauen würden.
Eine andere Möglichkeit geht über das Ordnungsrecht. Hier stoßen wir an das nächste große Problem: Es gibt unterschiedliche Verantwortliche, je nachdem ob es um die Einbringung des Dieselmotors in den Markt oder um die Benutzung des Dieselmotors gibt.
Im ersten Fall werden über das Ordnungsrecht die zulässigen Emissionen des Dieselmotors geregelt. Das geschieht bei Fahrzeugen über die sogenannten Euro-Regelungen. Derzeit sind für den Straßenverkehr die Anforderungen von Euro 5 und Euro 6 aktuell. Mehr kann dem Hersteller auch kaum auferlegt werden, denn auf den tatsächlichen Einsatz des Dieselmotors und die Höhe der damit in der Umwelt tatsächlich auftretenden Immissionen hat der Hersteller nur begrenzt Einfluss.
Beim zweiten Fall werden die zulässigen Immissionen in der Umwelt bzw. am Arbeitsplatz begrenzt. Hier sind dann die Nutzer der Dieselmotoren die Verpflichteten. Dazu kennen wir Regelungen im Bundesimmissionsschutzrecht und im Arbeitsschutzrecht. Gerade bei letzterem existiert seit 20 Jahren mit der TRGS 554 ein verbindliches Regelwerk für den Einsatz von Dieselmotoren, dass immer weiter verfeinert worden ist. Bei dessen konsequenter Einhaltung kann der Arbeitgeber seinen Schutzpflichten gegenüber den Arbeitnehmern am Arbeitsplatz gerecht werden. Mit den heute bekannten wirksamen Partikelfiltern, die ohne wesentliche Erhöhung der Stickoxidemissionen auskommen, ist dieses Ziel realisierbar.
Sie sehen, es ist ein kompliziertes Geflecht an Zuständigkeiten, das mit dem Ordnungsrecht geregelt werden muss. Dabei muss die Politik darauf achten, dass die Regelungen für die Emissionen des Dieselmotors kongruent zu den Immissionsschutz-Anforderungen für Umwelt und Arbeitsplatz sind. Dies ist nicht so einfach realisierbar. Die schon geschilderten Messergebnisse sprechen da leider eine deutliche Sprache.
Es gibt also noch viel zu tun. Entscheidend ist die Entwicklung wirksamer Abgasnachbehandlungssysteme hin zu einem kundenorientierten System, auf das sich die Nutzer wirklich verlassen können. Und das nicht nur im Off-Road-Bereich für den Arbeitsschutz sondern genauso für den Straßenverkehr und die Non-Road-Bereiche. So ein Fiasko wie mit den Pseudo-Partikelfiltern in der PKW-Nachrüstung darf es nicht wieder geben.
Damit will ich auf den Beginn meines Beitrags zurückkommen:
Es reicht nicht aus, dass nur der Beste gewinnt. Wenn wir alle unsere Welt erhalten wollen, kann nur derjenige gewinnen, der rechtzeitig den Wandel erkennt und ein wirklich nachhaltiges Wirtschaften umsetzt.
Dazu müssen wir jetzt in der Politik endlich ein durchgängiges Konzept schaffen, dass sich an den Fakten und nicht an den Einflüsterungen der Lobby orientiert. Dazu gehören für mich nicht nur aufeinander abgestimmte Emissions- und Immissionsschutzregelungen. Sondern zwingend auch die Bereitschaft, sich mit der Internalisierung der externen Kosten auseinander zu setzen. Die Sicherung der Zukunft funktioniert nur, wenn die Kosten die Wahrheit sagen und die wahren Verursacher auch die Lasten tragen.
Aber zurück zur harten Realität. Bis es wirklich eine wirksame Lösung gibt, wird es leider noch etwas dauern. Schneller wird es wohl nur mit einem Abgas-Fukushima gehen.
Es gilt leider bei vielen Verantwortlichen immer noch das Motto „Hannemann, geh Du voran“ und dann abwarten, bis es irgendwo wieder Fördermittel für eigentlich dringend notwendigen Schutzmaßnahmen gibt.
Eigeninitiative und Engagement sind gefragt, damit wir aus eigener Kraft den Weg zur Erhaltung der Schöpfung finden.
Packen wir es an. Warten wir nicht länger. Überzeugende Beispiele und Argumente werden sie dazu in diesen zwei Tagen finden.
Herzlichen Dank
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