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Fehmmanbelt-Querung bleibt umstritten

Rede im Bundestag Große Verkehrsprojekte greifen oft massiv in das Leben der Menschen vor Ort ein. Deswegen müssen wir die Menschen beteiligen. Bei der Fehmarnbeltquerung hat man die Erfahrungen mit Großprojekten in offensichtlich wieder komplett vergessen.

25.04.13 –

Rede im Bundestag

Große Verkehrsprojekte greifen oft massiv in das Leben der Menschen vor Ort ein. Deswegen müssen wir die Menschen beteiligen. Bei der Fehmarnbeltquerung hat man die Erfahrungen mit Großprojekten offensichtlich wieder komplett vergessen.

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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Valerie Wilms für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu dieser späten Stunde: Schön, dass noch Besucher anwesend sind. Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist eine erstaunliche Debatte. Manche lernen aus Fehlern, manche nicht. Zu Letzteren gehören leider

(Torsten Staffeldt [FDP]: Die Grünen!)

diese Bundesregierung und scheinbar auch einige aus der Fraktion der SPD. Seit Jahren diskutieren wir über die Risiken von Großprojekten.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Lesen!)

Wir streiten über Stuttgart 21. Wir erleben im ganzen Land, dass Bürger mehr Mitsprache verlangen. Die Menschen wollen umfassend eingebunden werden, wenn die Politik ihr Lebensumfeld umgestalten will.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das passiert doch vor Ort!)

– Herr Hacker, genau das ist entscheidend. Das tun wir so nicht.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Was erzählen Sie denn für einen Unsinn?)

Große Verkehrsprojekte greifen oft massiv in das Leben der Menschen vor Ort ein. Deswegen müssen wir die Menschen beteiligen und es ihnen erklären. Aber das reicht nicht. Es muss auch echte Möglichkeiten zur Änderung der Pläne geben,

(Sören Bartol [SPD]: Aber man muss Entscheidungen auch mal akzeptieren!)

sonst fühlen sich die Menschen nicht ernst genommen. Pseudobeteiligung ist schlimmer als gar keine Beteiligung; denn da weiß man von Anfang an, dass man nichts ändern kann.

(Torsten Staffeldt [FDP]: Stuttgart 21!)

So etwas möchte ja scheinbar eine große Koalition hier in diesem Hause. Durch den Staatsvertrag hat man all die Erfahrungen mit Großprojekten in den letzten Jahren offensichtlich wieder komplett vergessen. Der Vertrag wurde geschlossen, das Projekt festgelegt. Erst dann wurden die Bürgerinnen und Bürger als Alibi beteiligt. Deswegen ist unsere Forderung eine tatsächliche Abwägung des Nutzens und der Risiken. Wir brauchen endlich einmal einen wirklich ergebnisoffenen Dialog. Ergebnisoffen bedeutet auch die Möglichkeit, aus dem Projekt auszusteigen.

(Torsten Staffeldt [FDP]: Bei euch ist ergebnisoffen nur, dass ein Ergebnis dabei herauskommt!)

Nur wenn wir diese Möglichkeit schaffen und in den Prozess ernsthaft einbeziehen, können wir auch die Menschen vor Ort endlich einbinden. Andernfalls können wir es bleiben lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Torsten Staffeldt [FDP]: Sie wollen sie einwickeln, nicht einbinden!)

Denn, werter Herr Storjohann, das ist unser Weg: mit den Menschen, für die Menschen und nicht nur für die hauptamtlichen Politikerinnen und Politiker.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Oh! – Sören Bartol [SPD]: Politikverdrossenheit mitten im Parlament! Hervorragend! Jeder kann sein Mandat niederlegen, jederzeit!)

Wir dürfen aber nicht nur über einzelne Projekte diskutieren. Das haben wir viel zu lange getan. Die Zukunft der Mobilität muss im Gesamtzusammenhang gedacht werden. Wir müssen erst festlegen, was wir mit unserer Mobilität wirklich erreichen wollen. Wir müssen uns Ziele setzen, was unser Verkehrsnetz zukünftig leisten muss und wie wir das so günstig und umweltschonend wie möglich schaffen. Erst dann dürfen wir uns um die einzelnen Projekte und deren Verbindung kümmern. Derzeit machen wir es genau umgekehrt. In der nächsten Legislatur läuft der jetzige, völlig überholte Bundesverkehrswegeplan aus. Diesen müssen wir endlich zu einem Bundesmobilitätsplan weiterentwickeln,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar mit klaren Zielen und eindeutigen Prioritäten. Wenn wir dazu ein Grundkonzept haben, können wir auch wieder darüber reden, auf welchen Wegen wir zukünftig nach Dänemark kommen.

(Torsten Staffeldt [FDP]: Wenn das 30 Jahre dauert, gibt es dazwischen Stillstand in der Infrastruktur!)

Die Bundesregierung hat das leider überhaupt nicht verstanden. Stattdessen wurstelt sie weiter herum und benutzt die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn, um Gelder für die Hinterlandanbindung der Fehmarnbelt-Querung zu parken.
Das müssen Sie sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Es gibt kein vernünftiges Gesamtkonzept für unseren Verkehr. Es gibt auch keine klaren Vorgaben für die Deutsche Bahn, wie sie das Netz mit Steuergeldern erhalten soll. Stattdessen werden ein unfertiges Verkehrsprojekt, Fehmarnbelt-Querung genannt, und eine halbgare Vereinbarung mit der Bahn zusammengeworfen. Es geht zu wie auf dem Jahrmarkt. Das versteht kein Mensch mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Torsten Staffeldt [FDP]: Auf dem Jahrmarkt ist mehr los als in Ihrer Rede!)

Dieser Regierung fehlt eine Grundrichtung. Sie können nicht einfach alles so zusammenwerfen, wie es gerade auf Ihrem Schreibtisch landet. Die Leute in unserem Land wollen endlich einmal wissen, ob die Regierung weiß, wo sie hinwill. Aber das ist von dieser Bundesregierung ganz offensichtlich nicht mehr zu erwarten. Abgewirtschaftet hat sie.

Herzlichen Dank.

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