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15.12.14 –
Deutsche Seehäfen: Auf dem Weg zur ernsthaften Kooperation
(Positionspapier, 08.12.2014)
Nach Umschlagsrückgängen in den deutschen Seehäfen in Folge der Finanz- und Wirt- schaftskrise haben sich die Zahlen seit 2012 weltweit wieder erholt. Die Frage ist nun, wie sich die Handelsströme in Zukunft entwickeln werden und in welchem Maß Deutschland bzw. die Nordrange weiterhin daran teilhaben kann.
Die deutschen Seehäfen müssen sich überlegen, wie sie sich zukünftig aufstellen: Die Möglichkeit, alle Transporte in alle Häfen zu lenken wird nicht mehr funktionieren, wenn wir Ökologie und Ökonomie im Gleichklang auch in der Hafenpolitik berücksichtigen wollen. Der ständige Ausbau der seewärtigen Zufahrten wird für Bund und die Küstenländer auf Dauer zur finanziellen Belastung und zu durch die Allgemeinheit zu tragenden Risiken führen.
Prognosen der Bundesregierung zum Seeverkehr spiegelten in der Vergangenheit die reellen Entwicklungen nicht wider. Entweder hatten sie die Lage nicht positiv genug eingeschätzt (Seeverkehrsprognose 2015) oder sie waren zu positiv und mussten deutlich nach unten korrigiert werden (Seeverkehrsprognosen 2025/2030). Daraus ergibt sich die Frage, in welchem Umfang Prognosen dafür geeignet sind, die Richtung der zukünftigen Verkehrspolitik zu bestimmen.
Die deutsche Hafenwirtschaft ist weiterhin durch eine starke Konkurrenz der Standorte geprägt. Hamburg gegen Bremerhaven und Wilhelmshaven, deutsche Nordseehäfen gegen niederländische oder belgische. Ähnlich stehen auch Lübeck, Kiel und Rostock an der Ostsee miteinander in Konkurrenz. Damit besteht die Gefahr, dass ohne ein ernstgemeintes Hafengesamtkonzept und gleiche Rahmenbedingungen die Ressourcen in den ruinösen Wettbewerb der Hafenstandorte fließen, statt bestehende Kapazitäten sinnvoll zu nutzen (siehe dazu auch die OECD-Studie aus Juli 2012[1], die verdeutlicht, dass der Hamburger Hafen noch deutliches Potenzial in Bezug auf Kooperation mit anderen norddeutschen Häfen hat).
Unter diesen Voraussetzungen müssen die Häfen in Norddeutschland sowie in der Nordrange (Häfen zwischen Antwerpen und Hamburg) ihre Aufgaben enger koordinieren, die Rahmenbedingungen stärker harmonisieren und enger miteinander kooperieren. Die Bundesregierung und die Küstenländer müssen die Ankündigungen der letzten Jahre zu stärkerer Kooperation in der Hafenpolitik endlich verwirklichen.
Folgende Punkte sind zukünftig in der deutschen Hafenpolitik zu berücksichtigen:
Der Bund und die norddeutschen Küstenländer sollen prüfen, welche Möglichkeiten für die Häfen zur stärkeren Zusammenarbeit bestehen. Dabei sollen die jeweiligen Stärken der Häfen berücksichtigt werden. Es muss außerdem geprüft werden, inwiefern sich Hamburg mit seinen hafenbezogenen Unternehmen an der Entwicklung des Jade-Weser-Ports neben Bremen und Niedersachsen beteiligen kann.
Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, endlich ein Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen vorzulegen, das auch eine vernünftige und effiziente Zusammenarbeit der deutschen Häfen beinhaltet und Schritte aufzeigt, wie die Kooperation erreicht werden kann.
Der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven ist wegen seiner natürlichen Lage am tiefen Wasser der einzige deutsche Tiefwasserhafen. Weitere Vertiefungen oder Verbreiterungen der Flussläufe von Elbe, Unterweser und Ems würden durch eine verstärkte Kooperation zwischen den Hafenstandorten in Hamburg, Bremen und Niedersachsen überflüssig.
Der Bund stellt die land- und seeseitigen Hafenzufahrten und die Küstenländer die Hafeninfrastruktur zur Verfügung. Beides muss zukünftig besser miteinander koordiniert werden. Eine verbesserte Kooperation kann die Attraktivität der deutschen Hafenstandorte sogar steigern, wie eine WWF-Studie belegt. Es muss die Möglichkeit einer Dachgesellschaft „Deutsche Bucht“, die zu einer verbesserten Kooperation der Seehäfen beitragen soll, geprüft werden.
Aktuell befinden sich die geplanten Flussvertiefungen an Unter- und Außenelbe sowie an Unter- und Außenweser in Gerichtsverhandlungen, bei denen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie im Mittelpunkt steht und die Hoffnungen für einen stärkeren Einbezug der Umwelt wecken.
Bisher stand die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vor den Belangen des Flusses. In Zukunft müssen die ökologischen Belange im gleichen Range mit berücksichtigt werden. Nur durch diesen gleichrangigen Ansatz kann künftig eine Akzeptanz für Infrastrukturprojekte erreicht werden.
Um mehr Transparenz bei den Finanzbeziehungen der Häfen herzustellen, überprüft die EU-Kommission aktuell die Hafenfinanzierung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilferecht und das neue Hafenpaket („Port Package 3“) schlägt möglicherweise neue Wege ein. Wir werden diesen Prozess auf EU-Ebene genau beobachten und kritisch begleiten. Wir setzen uns für deutlich höhere Transparenz der Hafenfinanzierung ein. Wettbewerb auf Kosten der Steuerzahler muss konsequent unterbunden werden.
Die Offenlegung von Subventionen in die Häfen wird die unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen und Ausgangslagen der europäischen Häfen verdeutlichen und kann ein Beitrag sein, die europäische Hafenpolitik zu harmonisieren. Das Port Package darf jedoch nicht dazu führen, Arbeitsbedingungen in den Häfen zu schwächen oder durch Liberalisierung der Lotsendienste die Sicherheit in den Häfen oder auf den Hafenzufahrten zu gefährden.
Ein nach ökologischen Kriterien gestaffeltes Bonussystem der Hafengebühren soll geschaffen werden, um den Anreiz zu geben, Schiffe besonders emissionsarm zu betreiben. In den Häfen sind die Belastungen durch den Schiffsverkehr (Abgase, Lärm, Abfall) erfahrungsgemäß hoch. So sind an den großen Hafenstandorten die Schiffe für den Großteil der Schwefelemissionen verantwortlich, auch nach EU-weiter Senkung der Grenzwerte für die zulässigen Kraftstoffe in den Häfen.
Die Hafengebühren müssen demnach umweltfreundliche Schiffe stärker belohnen, die mengenunabhängige Rücknahme von Schiffsabfällen enthalten und Möglichkeiten vorsehen, Reststoffe von Abgasnachbehandlungsanlagen zur fachgerechten Entsorgung zurückzunehmen.
Auch die Versorgung von Schiffen mit ökologisch erzeugtem Landstrom oder durch so genannte Power Barges muss gefördert werden, z.B. durch eine Befreiung von der EEG-Umlage oder günstigere Hafengebühren.
Die deutschen Seehäfen müssen sich auf LNG (Flüssigerdgas) als Treibstoff der Zukunft vorbereiten. Dafür müssen sie die notwendige Infrastruktur bereitstellen, um die Nutzung von LNG voranzutreiben. Erste wichtige Schritte wurden hier bereits unternommen, doch erst wenige deutsche Häfen haben entsprechende Projekte umgesetzt. Auch die Bundesregierung ist in der Pflicht: Sie muss durch attraktive Rahmenbedingungen LNG für die Schifffahrt wettbewerbsfähig machen.
Die Entwicklung von Nachhaltigkeitszertifizierungen für deutsche Häfen und die Einführung nachhaltiger Betriebskennzahlen werden ausdrücklich begrüßt. Hier müssen jedoch weitere Hafenstandorte nachziehen, um das Gesamtbild der Häfen zu stärken und um alle Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen.
Logistische Optimierungen sind neuen Infrastrukturmaßnahmen für Kapazitätserweiterungen an den Hafenstandorten vorzuziehen. Dies senkt die Kosten für die Bundesländer, aber auch für die Hafenbetreiber, weil dadurch auf den vorhandenen Hafenflächen mehr Güter umgeschlagen werden können und unnötige Infrastruktur eingespart werden kann. So kann auf die Westerweiterung des Hamburger Hafens vorerst verzichtet und die Kapazität der Containerterminals bei gleicher Fläche erhöht werden.
Der Nord-Ostsee-Kanal ist für die Häfen der deutschen Nordseeküste von existenzieller Bedeutung. Ohne diesen künstlichen Bypass zur Ostsee drohen die deutschen Häfen an der Nordseeküste ins Abseits zu geraten. Die Bundesregierung steht hier in besonderer Verantwortung diese Wasserstraße so schnell wie möglich instandzusetzen.
Ein Hafenkonzept muss auch die Einbeziehung des Hafenhinterlandverkehrs berücksichtigen: In den großen Hafenstandorten kommt es bereits heute zu Stauungen, weil der Zu- bzw. Abfluss der Waren in bzw. aus den Häfen nicht optimal abgewickelt werden kann (Stichwort „Port Congestion“). Die Häfen sind jedoch auf zuverlässige Anbindungen angewiesen. Der neue Bundesverkehrswegeplan muss dringend die Voraussetzungen schaffen, um die ökologischen Verkehrsträger Eisenbahn und Wasserstraße sowie den kombinierten Verkehr zu stärken und Engpässe aufzulösen.
Die Hafenfinanzierung muss Gegenstand der Finanzverhandlungen zwischen Bund und Ländern bis 2019 werden. Eine Vergabe von Bundesmitteln für Neuinvestitionen oder den eventuell notwendigen Rück- und Umbau von Hafeninfrastrukturen (Bestandsinfrastruktur) soll an die Mitbestimmung des Bundes sowie eine Beteiligung an einem gemeinsamen nationalen Hafenkonzept gekoppelt werden. Eine Erhöhung der Bundesmittel zur Unterstützung der Hafenlasten soll auch in Zukunft möglich sein, die Voraussetzungen zur Mitsprache des Bundes in eine effiziente Hafenpolitik müssen jedoch sichergestellt werden.
Die Hafenstandorte für Offshore-Windenergie (Basis- und Servicehäfen) müssen sich stärker vernetzen und sollten ihre Vorteile nicht gegenseitig ausspielen, sondern sich dort ergänzen, wo es sinnvoll ist. Es gibt in der Nord- sowie der Ostsee bereits mehrere dutzend kleinerer und größerer Offshore-Versorgungshäfen. Bei der Vielzahl der unterschiedlichen Konzepte muss ein Überblick geschaffen werden, um staatliche Mittel zukünftig schwerpunktbezogen investieren zu können.
Bei der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die Hafenwirtschaft wird zwar bereits erfolgreich regional kooperiert, doch der steigende Bedarf an Fachkräften und hochqualifiziertem Personal kann durch weitere Kooperationen zwischen Staat und Wirtschaft gestärkt werden. Aufgrund der weltweiten Hafenverflechtung sollten sich deutsche Ausbildungsstätten zukünftig verstärkt für ausländische Auszubildende und Studierende öffnen, damit die deutschen Häfen einen positiven Einfluss auf weltweite Ausbildungsstandards ausüben können.
[1] „The Competitiveness of Global Port Cities – The Case of Hamburg“
Grüne Schifffahrts-/Hafenpolitiker aus Bund und Küstenländern
(Dr. Valerie Wilms MdB, Dr. Anjes Tjarks MdHB, Susanne Menge MdL, Johann-Georg Jaeger MdL, Frank Willmann MdBB, Andreas Tietze MdL)
Das Positionspapier "Deutsche Seehäfen: Auf dem Weg zur ernsthaften Kooperation" als PDF-Datei
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