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26.07.10 –
Die gesunkene Ölplattform im Golf von Mexiko macht die Gefahren fossiler Energien deutlich. Für Valerie Wilms steht fest, dass die Ölmassen ganz klar auf die Abhängigkeit vom Öl zurückzuführen sind – und die Förderung eine Hochrisikotechnologie ist.
Das Öl sprudelt Wochen – und inzwischen kann von einem GAU der Ölindustrie gesprochen werden. Der steigende Ölpreis ermöglicht immer riskantere Fördermethoden, die unsere Abhängigkeit zementieren und katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt immer wahrscheinlicher machen. Die Tiefen, in denen mittlerweile nach Öl gebohrt wird, waren früher unvorstellbar. Die Risiken sind auch heute noch unbeherrschbar: Nach einer Explosion war auf der US-Ölbohrinsel "Deepwater Horizon" ein Brand ausgebrochen, bevor die Insel nach mehreren weiteren Explosionen sank. Elf Arbeiter kamen ums Leben, ein Großteil der Menschen, die auf der Insel arbeiteten, konnte sich zum Glück retten. Diese Ölkatastrophe wird alle bisher bekannten Ölkatastrophen in den Schatten stellen.
Am 16. Juni wurde das Problem im Umweltausschuss behandelt. Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wollte BP hier die Möglichkeit geben, sich zu äußern und lud das Unternehmen ein – leider war man dort nicht bereit, als Verursacher einer der größten Umweltkatastrophen, die Öffentlichkeit und das Parlament umfangreich und lückenlos zu informieren. Das öffentliche Bekenntnis steht hier im Widerspruch zum tatsächlichen Handeln. Es stellt sich die Frage, ob BP damit die Strategie verfolgt, bei der nur das zugegeben und öffentlich gemacht wird, was ohnehin bekannt ist – und alle Informationen nur vom Konzern selbst verwaltet werden sollen.
Die Begründung für die Absage an das Parlament ist nicht akzeptabel: BP sieht keinen Anlass für Diskussionen über die Schlussfolgerungen aus der Katastrophe, weil die Untersuchungen noch andauern. Gerade erst hat es einen umfangreichen Bericht des amerikanischen Kongresses gegeben, in dem auf Missstände und Schlampereien auf der gesunkenen Plattform hingewiesen wird. Die berechtigten Fragen hierzu dürfen nicht aufgeschoben werden. Wir müssen jetzt handeln, bevor erneut so eine Katastrophe geschieht. Wir wollen wissen, wo weiterhin mit dieser Technik gefördert wird. BP muss Auskunft darüber erteilen, was unternommen wird, um die Sicherheitsstandards zu erhöhen. Wir können nicht darauf warten, dass vielleicht morgen das Weltkulturerbe Wattenmeer im Öl badet!
Am 7. Mai 2010 hat der Bundestag auf Antrag der Grünen über das Thema beraten. Vor dem Hintergrund der dramatischen Situation war die Debatte von viel Nachdenklichkeit und Zustimmung geprägt. Leider haben nicht alle den Ernst der Lage erkannt: Die FDP glänzte durch Abwesenheit und ein Vertreter der Union nutzte die Debatte zur Kritik am Sachverständigenrat des unionsgeführten Bundesumweltministerium. Valerie Wilms betonte für die grüne Fraktion, dass die Ölmassen ganz klar auf die Abhängigkeit vom Öl zurückzuführen sind – und die Förderung eine Hochrisikotechnologie ist.
Das Öl sprudelte über Wochen. Die entscheidende Frage, der sich die Erdölförderindustrie nun endlich stellen muss, lautet: Warum wird eine riskante Technologie eingesetzt, ohne dass zuvor Maßnahmen und Techniken zur Beherrschung und Eindämmung von Störfällen oder Unfällen entwickelt wurden? Warum gibt es keine funktionierenden Notfall- und Katastrophenpläne? Diese Versäumnisse müssen unverzüglich aufgearbeitet werden. Es ist unabdingbar, massiv in die Sicherheit und in Sicherheitsforschung zu investieren. Wer in Deutschland mit der hohen Qualität seiner Kraftstoffe wirbt, darf sich bei der Sicherheit keine Nachlässigkeit leisten. Die notwendigen Vorkehrungen müssen modernsten Standards genügen, sie müssen zu jeder Zeit einsatzbereit sein und es muss ein störungsfreier Betrieb gewährleistet sein.
Die Webcam ist erst frei geschaltet worden, nachdem die Kritik an der Informationspolitik durch die Ölförderfirma immer lauter wurde. Erst nach und nach wurde das Ausmaß der riesigen Öllachen unterhalb der Wasseroberfläche bekannt. Aktuell schätzen Experten, dass täglich zwischen etwa 1600 und 3400 Tonnen Rohöl ins Meer strömen und damit mindestens doppelt soviel wie bisher angenommen. Damit das Öl nicht auf der Meeresoberfläche treibt und dort durch den Wind getrieben in die besonders empfindlichen küstennahen Ökosysteme gelangt, wurde mit einer giftigen Chemikalie das Absinken gefördert. Das wahre Ausmaß der Verschmutzung blieb aus diesem Grund lange unsichtbar. Die genauen Umweltauswirkungen der eingesetzten Chemikalie sind noch unbekannt. Je länger das Desaster dauert und je mehr Öl auch an Land angeschwemmt wird, desto stärker wird auch der Ruf nach Konsequenzen. Das weitere Austreten des Öls muss unterbunden werden – außerdem muss die Förderfirma jegliche Schäden auf eigene Kosten beseitigen und erklären, wie eine Wiederholung solcher Katastrophe ausgeschlossen werden kann. Dafür muss weltweit die beste verfügbare Technik eingesetzt werden. Die Sicherheitsanforderungen müssen deutlich erhöht werden.
Jetzt ist es eine Plattform im Golf von Mexiko – aber auch die Nordsee gehört zu den Meeren mit besonders intensiver Förderung fossiler Energieträger. Eine vergleichbare Katastrophe ist nicht auszuschließen und die Folgen für die Deutsche Bucht wären dramatisch. Die aktuellen Probleme des norwegischen Ölkonzerns Statoil mit einem Bohrloch am Meeresboden der Bohrinsel "Gullfaks C" in der Nordsee zeigen, dass sich eine Explosion wie auf der "Deepwater Horizon" auch anderswo wiederholen kann. Deswegen muss sich die Bundesregierung für höhere Sicherheitsanforderungen bei der Off-Shore-Förderung einsetzen und die Genehmigungen an stärkere Umweltauflagen binden.
Der einzige Weg, um solche Desaster zu vermeiden, ist die Verringerung der Fixierung auf das Erdöl. Wenn konsequent erneuerbare Energien gefördert und ausgebaut werden und der Energiebedarf so gedeckt werden kann, lohnen sich riskante und für die Umwelt zunehmend schädlichere Fördermethoden immer weniger.
Mit dem Konzept Energie 2.0 zeigen die Grünen, wie die Abhängigkeit vom Öl verringert werden kann: Bis 2020 ist ein Strommix mit über 40 Prozent erneuerbaren Energien möglich; etwa 30 Prozent umweltschonender Strom könnte aus Kraft-Wärme-Kopplung gewonnen werden. Nur noch ein Rest von 30 Prozent käme aus konventionellen Kraftwerken, die nach und nach vom Netz gehen würden. Zugleich würde mit grünen Maßnahmen der Energieverbrauch bis 2020 um 20 Prozent sinken.
Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie sich immer riskantere Ölförderungsmethoden in immer sensibleren Lebensräumen ausbreiten. Es ist höchste Zeit die Notfallpläne für Ölverschmutzungen in deutschen Küsten zu überprüfen und anzupassen. Die Fördermethoden müssen strengen ökologischen und sozialen Kriterien genügen. Die Förderung im Wattenmeer gehört beendet. Auch die Förderung in Meeresgebieten unter 500 Metern ist technisch nicht zu beherrschen und gehört beendet.
Ein weiterer Punkt ist die schleichende Verschmutzung im Normalbetrieb. Wir wollen weg vom Öl nur so lassen sich langfristig und auf Dauer Schäden vermeiden. Unsere Forderungen haben wir in einem aktuellen Antrag zusammengefasst.
Ob in der Arktis, in den Tropen oder im Wattenmeer – die Ölförderung in ökologisch sensiblen Gebieten bringt immer das Risiko von Unfällen und einer Ölpest mit sich. Noch heute sind die Folgen der Exxon-Valdez-Havarie vor über 20 Jahren an der Küste Alaskas sichtbar.
An den warmen Golfküsten kann das Öl von der Natur voraussichtlich schneller abgebaut werden als in arktischen Gewässern, aber gleichzeitig hat die Küste am Golf von Mexico eine vollkommen andere Struktur: Flache Lagunen, Mangrovenwälder und andere Feuchtgebiete drohen vom Öl überschwemmt zu werden und werden sich noch viel schwerer säubern lassen als Strände und Felsküsten. Die Schwimmbarrieren, die das Öl aufhalten sollen, reichen bei weitem nicht aus. Ein Greenpeace-Fotograf hat bereits empfindliche Brutgebiete entdeckt, die überhaupt nicht geschützt sind. Aber selbst dort, wo Barrieren ausgelegt wurden, erweisen sie sich als nicht effektiv, da sie brechen oder von Wellen überspült werden.
Je nach Ausbreitungsrichtung des Ölteppichs können in Florida zusätzlich noch Korallenriffe und Seegraswiesen bedroht sein, beides Hotspots der Biologischen Vielfalt im Meer und Kinderstube für unzählige Fische. Schon jetzt werden Thunfische, für die die Region ein wichtiges Fortpflanzungsgebiet ist, als besonders bedroht eingestuft. Aber auch Meeresschildkröten, Haie, Meeressäuger aller Art, Pelikane und andere Küstenvögel, Krabben und Garnelen werden massiv unter der Ölpest leiden – und mit Ihnen die Menschen, die von ihnen abhängen. Denn der Wert der Meereslebensräume ist nicht nur für die Lokalbevölkerung unschätzbar, die sich noch längst nicht von den Folgen des Hurricanes Katrina erholt hat. Die Mangroven schützen die Küste vor Stürmen, Hochwasser und Erosion, die produktiven Wassermassen sind Lebensgrundlage für Austern- und Schrimps-Fischerei.
Ähnliches könnte dem Wattenmeer bei einer Havarie in der Nordsee drohen. Die riesigen und besonders produktiven Flächen im Wechsel der Gezeiten und die Salzwiesen vor den Deichen wären dem Öl preisgegeben und dies bei den hiesigen Temperaturen für deutlich längere Zeit. Durch eine solche die Ölpest werden nicht nur Tiere und Pflanzen an der Wasseroberfläche und am Strand mit Öl verschmiert. Der Ölfilm deckt auch die besonders wichtigen Böden dieser Lebensräume ab, die darunter gleichermaßen ersticken und vergiftet werden.
Und dennoch wird die Ölförderung in der Arktis genauso vorangetrieben wie in der Nordsee und in immer tieferen Regionen des Golfes von Mexico. International verbindliche Regeln für die Ölförderung auf See und strikte Kriterien für die Einfuhr nach Deutschland und Europa müssen die Lehre aus dieser vermeidbaren Katastrophe sein. Die Nutzung von Erdöl erweist sich immer wieder als Risikotechnologie, die es abzulösen gilt. Statt immer neue und schwer erreichbare Vorkommen zu erschließen, muss es klare Sperrgebiete und eine verringerte Nachfrage gleichermaßen geben.
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Haftung ungeklärt: Antwort auf Kleine Anfrage zu Ölunfällen in Nord- und Ostsee
Antrag: Ölkatastrophen vermeiden – Raubbau an Mensch und Natur ausschließen.
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