Rede WSV-Gesetz: Ungelöstes Verwaltungsproblem

Die Koalition verschleppt die Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Damit staut sich ein gewaltiges Verwaltungsproblem an: Fehlende Planer in der WSV und weiterhin eine marode Infrastruktur. Eine Lösung ist nicht absehbar.

25.02.16 –

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Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wo bin ich heute hier gelandet?

(Zuruf von der CDU/CSU: Auf dem SPD-Parteitag!)

‑ SPD-Parteitag?

(Gustav Herzog (SPD): Am Rednerpult im Deutschen Bundestag!)

‑ Kollege Herzog, auch für einen SPD-Parteitag waren das schwer zu ertragende elf Minuten.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da müssen Sie vielleicht ein bisschen mehr liefern als das, was Sie heute gemacht haben.

Aber immerhin haben wir es geschafft, dass wir die heutige Debatte gegen 14 Uhr führen - im Moment ist es 14.39 Uhr -; sonst sind wir immer gegen 22 Uhr an der Reihe. Warten Sie einmal ab. Ich bin ja dafür bekannt, dass ich auch um 22 Uhr noch das eine oder andere an Stimmung in die Hütte hineinbringen kann. Vielleicht gelingt mir das jetzt auch noch. Schauen wir mal. Sie alle warten ja schon ganz gespannt darauf.

Alle Vorrednerinnen und Vorredner haben es schon gesagt: Die Wasserstraßen sind ein wichtiger, aber leider immer wieder vergessener Verkehrsträger in Deutschland. Sie leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, dass vor allem der Güterverkehr ökologischer als etwa auf der Straße abgewickelt wird. Aber der Bund muss sich auch fragen, ob und wie er das umfangreiche Netz noch weiter erhalten kann. - Der Staatssekretär nickt. Er weiß, dass er nicht so viel Geld hat. - Welche Aufgaben muss der Bund noch erbringen? Welche tragfähigen Instrumente brauchen wir dafür langfristig? Oder soll alles so weiterlaufen wie in den letzten Jahrhunderten, wie es Kollege Herbert Behrens vielleicht ganz gerne haben möchte?

Die Zeit, diesen Fragen nachzugehen, Herr Staatssekretär, hatte die Bundesregierung; aber intelligente Lösungen habe ich von Ihnen dazu bisher nicht gehört. Sie doktern stattdessen weiter an einer Reform herum, die keine ist. Machen Sie sich einmal tiefschürfende Gedanken, wie Sie die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung zukünftig aufstellen wollen. Ihre Verkehrspolitik ist in Anbetracht der Probleme, die unserem Land im Infrastrukturbereich bevorstehen, genauso marode wie die Schleusen und Wehre, die wir in den Wasserstraßen finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie versuchen, das Problem einfach durch mehr Stellen für ein marodes bürokratisches System zu übertünchen. Hier müssen Sie uns schon etwas mehr liefern. Oder wollen Sie etwa, dass alles bald zusammenbricht?

(Gustav Herzog (SPD): Das sind Zumutungen gegenüber den Beschäftigten, was Sie hier sagen!)

Wir brauchen endlich ein weitsichtiges und als Dienstleistung für die Schifffahrt aufgestelltes System Wasserstraße.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch sehe ich hier jedoch weiterhin nur das Festhalten an der preußischen hierarchischen Verwaltungsstruktur. Wäre es nicht sinnvoller, auf eine Zentralstelle hinzuarbeiten, die den Ämtern nicht mehr so viel hineinredet, sondern sie auch einmal arbeiten lässt, eine Zentralstelle mit weniger Aufgaben, also hauptsächlich mit hoheitlichen Tätigkeiten?

Herr Staatssekretär, nehmen Sie das doch einmal mit. Stecken Sie das Ihrem Minister, specken Sie also auf den höheren Verwaltungsebenen ab, und verlagern Sie Entscheidungen auf die Ebene der ausführenden Ämter. Die Mitarbeiter vor Ort würden es Ihnen wirklich danken. Sie sehnen sich geradezu danach, nicht nur die Verantwortung für die Sicherheit der Anlagen aufgebürdet zu bekommen, sondern sie wollen auch die notwendige Entscheidungskompetenz vor Ort haben. Jedes Mal wegen 50 000 Euro über mehrere Ebenen nach Bonn zu laufen - da sitzt nämlich die ganze Verwaltung, nicht hier in Berlin -

(Herbert Behrens (DIE LINKE): Zumindest ein Teil!)

und auf Entscheidungen zu warten, bremst das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Hause, dazu gehört aber auch die Bereitschaft in der Politik, also hier von uns allen, auch einmal loszulassen und nicht bei jeder Detailfrage mitreden zu wollen.

(Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Das gilt aber auch für Sie!)

Das ist schwer für Politiker- das weiß ich -; das ist nicht so ganz einfach. Haben Sie schon einmal etwas von Führungskultur gehört? Dazu gehört auch das Prinzip „Führen durch Ziele“ oder - wenn es Ihnen neudeutsch lieber ist - „Management by Objectives“. So sollten wir das machen und uns damit auch politisch über einen längeren Zeitraum verpflichten. Dann könnte sich das System Wasserstraße wirklich regenerieren.

Neben einer ineffizienten Verwaltungsstruktur drückt uns nämlich eine weitere wichtige Aufgabe: der Abbau des gewaltigen Sanierungsstaus. Vor allem bei den Wasserstraßen haben wir es mit uralten Bauwerken zu tun. Hätten frühere Generationen nicht so gute Arbeit geleistet, stünden wir vor noch viel größeren Herausforderungen.

Um diesen Sanierungsstau abzubauen, müssen wir die Vorhaben auch planen. Dazu passen aber die vorhandenen Strukturen überhaupt nicht. Man kann ja gar keinen neuen Planer einstellen; denn man bezahlt sie einfach zu schlecht. Hinzu kommt dieses starre System mit gehobenem und höherem Dienst. So kommt man nicht weiter.

Wir brauchen daher neue Lösungen. Die zukünftigen Anforderungen kann man nur noch über ein betriebswirtschaftlich arbeitendes System bewältigen. Eine ausreichende Anzahl an Wasserbauern, Bauingenieuren, Vermessern, Architekten oder Juristen erhält man mit den verkrusteten Behördenstrukturen doch nicht mehr; denn da macht einem das undurchlässige Besoldungs- und Tarifrecht einen Strich durch die Rechnung.

Das zeigt, Herr Staatssekretär, Sie haben ein Verwaltungsproblem. Ich hoffe, das wissen Sie auch. - Nein, doch nicht? Dann nehmen Sie das einmal mit!

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und Sie haben vor allen Dingen keine Idee, wie Sie es lösen wollen. Nur mehr Geld und mehr Stellen reichen nicht. Und diese heute zu beschließenden Gesetzesänderungen sind doch nur ein klitzekleiner Schritt hin zu einer echten Reform.

Dem wollen wir zwar im Interesse der Beschäftigten nicht im Wege stehen ‑ ‑

Vizepräsident Peter Hintze:

Frau Kollegin, Sie haben ein Zeitproblem. Ihre Redezeit ist schon überschritten.

(Heiterkeit)

Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, Herr Präsident, ich komme jetzt auch zum Ende. - Sogar da will die Linkspartei nicht mitmachen und macht sogar noch ein neues Diskussionsfeld mit den Ländern auf. Da gehen wir garantiert nicht mit.

Herr Staatssekretär, Sie haben wirklich engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort, die sich für das System Wasserstraße richtig einsetzen. Fahren Sie diese bitte nicht „sauer“. Bieten Sie ihnen moderne Strukturen mit eigener Verantwortung. Dann werden Ihnen das Ihre Mitarbeiter, unsere Mitarbeiter, und vor allen Dingen auch die Kunden danken. Zur Erreichung dessen ist der Weg leider noch deutlich weiter, als uns das Herr Herzog in seiner Parteitagsrede hier darstellen wollte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Gustav Herzog (SPD): Sie kriegen noch ein Parteibuch von mir!)

 

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Rede | Schifffahrt | WSV-Reform