Schienenbonus sofort abschaffen

Rede im Bundestag Die Koalition macht Symbolpolitik: Das veraltete Lärmprivileg "Schienenbonus" wird zwar formell abgeschafft - jedoch erst mit dem nächsten Schienewegeausbaugesetz. Auch 2040 können noch laute Neubauten in Betrieb gehen. Wir wollen den Bonus sofort abschaffen - die Koalition ist dagegen.

29.11.12 –

Rede im Bundestag

Die Koalition macht Symbolpolitik: Das veraltete Lärmprivileg "Schienenbonus" wird zwar formell abgeschafft - jedoch erst mit dem nächsten Schienewegeausbaugesetz. Bei heutigen Bauzeiten können auch 2040 noch laute Neubauten in Betrieb gehen. Wir wollen den Bonus sofort abschaffen - aber die Koalition ist dagegen.

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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste, die Sie sich noch zu später Stunde bei diesem doch gerade für die Anwohnerinnen und Anwohner von Schienenstrecken sehr wichtigem Thema hier aufhalten! Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mich wirklich wundert, ist, dass wir bei Fragestellungen, bei denen wir inhaltlich nicht weit auseinanderliegen, zu keiner für die Bürger vernünftigen, tragfähigen Lösung kommen. Das erschüttert mich wirklich bei der Debatte, die wir hören. Wir sind uns alle darüber im Klaren ‑ ich habe mich hier einmal von der Linksfraktion bis hin zur FDP-Fraktion mit Herrn Kauch umgesehen ‑, dass der Schienenbonus abgeschafft gehört, dass dieses Privileg einfach nicht mehr relevant ist, dass wir es nicht mehr vernünftig begründen können. Wir müssen da heran. Eigentlich war es bei der Belastung, die wir mittlerweile auf der Schiene insbesondere durch den Güterverkehr haben, falsch, was wir damals gemacht haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Schienenbonus bedeutet, dass Züge 5 Dezibel lauter sein können. Das bedeutet de facto: mehr als doppelt so laut wie der entsprechende Straßenverkehr. Das wird jetzt grundsätzlich anerkannt. Dann kommt ein Gesetzentwurf ‑ auch wenn er aus den Koalitionsfraktionen kommt, weil Ihre Regierung an der Stelle überhaupt nicht reagieren wollte ‑ mit einer Regelung, die im Prinzip dazu führt, dass wahrscheinlich erst 2040 das letzte Neubauobjekt mit Schienenbonus gebaut ist. Denn Sie müssen sich das einmal ganz genau ansehen. Sie machen es am Bundesverkehrswegeplan fest, der sicherlich nicht vor 2017 einigermaßen fertig sein wird. Dann kommt das Schienenwegeausbaugesetz. Das braucht auch wieder eine gewisse Zeit, bis es vorliegt, und dann gilt es nur für Planungen, die danach beginnen. Sie wissen selber, wie lange eine Planfeststellung gültig ist. Dazu, wie Sie es hinbekommen können, das Projekt mit dem ersten Bagger anzufahren, hat das BMVBS entsprechende Erfahrungen. Ich erinnere nur an den berühmt-berücksichtigten blankgeputzten Spaten in Brunsbüttel. Wenn Sie das Projekt gestartet haben, dann ist gerade bei Schienenprojekten mit Bauzeiten in einer Größenordnung von 20 Jahren zu rechnen. Das dauert also ewig.

Sagen Sie das den Menschen draußen vor Ort: Wir lassen Sie noch so lange allein. ‑ Stattdessen lassen Sie sich feiern, als hätten Sie eine große Tat vollbracht. Nichts haben Sie gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Wenn Sie wirklich eine große Tat für die Menschen draußen vor Ort vollbringen wollen, dann stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu, dass der Schienenbonus sofort abgeschafft wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der eine Punkt, was Neubau und gegebenenfalls Sanierung betrifft. Dann gibt es aber noch die andere Nummer, bei der Sie uns auch wieder etwas vorgaukeln. Sie sind als Supertiger mit der Ankündigung gestartet: Wir wollen jetzt ein gespreiztes Trassenpreissystem mit marktwirtschaftlichen Konzepten. ‑ Herr Kauch, ich stimme Ihnen durchaus zu, dass wir marktwirtschaftliche Instrumente nutzen müssen, um den leisen Schienenverkehr zu bevorzugen bzw. in Gang zu setzen. Darin sind wir absolut d’accord: Das müssen wir nicht alles über ein Regelwerk machen. Dazu gehört aber auch, dass es wirklich wirksam ist, und dafür reicht keine lächerliche Spreizung, wie sie jetzt vorgesehen ist, sondern sie muss für diejenigen, die dort mit lauten Fahrzeugen herumfahren, schmerzhaft zu spüren sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch in diesem Punkt gilt also: Sie sind als großer Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Das Einzige, das Sie mit dem Gesetzentwurf, den Sie sozusagen in Überspielung, wie Sie es genannt haben, Ihrer eigenen Regierung hinbekommen haben, ist die Unwirksamkeit. Sie machen eine reine PR-Show, ausschließlich deshalb, um noch das letzte halbe Jahr der Regierung durchzustehen.

Wenn Sie für die Menschen draußen vor Ort wirklich etwas erreichen wollen, dann stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Dann haben Sie wirklich etwas erreicht. Das gilt auch für alle anderen Kolleginnen und Kollegen. Denn wir müssen Lärmschutz machen. Anders geht es nicht.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Kollegin.

Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Werte Frau Präsidentin, ich habe es vernommen. Ich nehme jetzt den Lärmschutz wahr, auch hier am Mikrofon.

(Heiterkeit)

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschlandfunk am 30. November 2012: Anwohnerplage Bahnlärm

Antrag: Schutz vor Bahnlärm verbessern – Veraltetes Lärmprivileg „Schienenbonus“ abschaffen

Änderungsantrag zum Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes

Kategorie

Antrag | Rede | Schiene