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27.01.12 –
Rede im Bundestag am 26. Januar 2012 (zu Protokoll)
Erlauben Sie mir – bevor ich auf die EU-Vorlage und den Entschließungsantrag eingehe – ein paar Worte zum Schiffsunglück vor der italienischen Küste. Wir kennen derzeit noch nicht alle Details. Wir wissen noch nicht genau, wie es zu dem Unglück kommen konnte und wie groß hier der Anteil des menschlichen Versagens war.
Es ist jedoch absehbar, dass die Kreuzschifffahrt in der Folge nicht mehr dieselbe bleiben wird. Viele Menschen werden zukünftig genauer hinsehen. Sie werden wissen wollen, ob ihr Urlaub nicht nur sicher und gut geplant ist. Es wird auch darum gehen, ob diese Form der Kreuzschifffahrt noch eine Zukunft hat oder ob es nicht doch Alternativen zum Preisdumping gibt. Denn der unglaubliche Boom der Kreuzschifffahrt in den letzten Jahren ging mit stetig fallenden Preisen einher – auch auf Kosten der Umwelt.
Heute diskutieren wir hier auch über Kostenfragen. Schiffsemissionen reizen Atemwege und erhöhen das Risiko von Herz- und Lungenerkrankungen. In Europa werden die Todesfälle auf etwa 50.000 geschätzt. Hinzu kommen die Wirkungen auf die Umwelt: Meere, Gewässer und Böden in Küstennähe werden versauert, Gebäude beschädigt. Auch Kreuzfahrtschiffe fahren besonders gern und dicht an der Küste. In der Nordsee werden bis zu 90 Prozent der Schiffsemissionen mit Schwefel, Stickoxiden und Ruß innerhalb von 90 Kilometern Entfernung zur Küste rausgeblasen.
Die EU schätzt, dass sich durch verbesserte Gesundheit und niedrigere Sterblichkeit 15 bis 34 Milliarden Euro sparen lassen. Die Einführung niedrigerer Schwefelgrenzwerte in Schiffstreibstoffen würde dagegen zwischen 2,6 und 11 Milliarden Euro kosten. Schon rein volkswirtschaftlich gesehen liegt die Umsetzung der Richtlinie damit auf der Hand.
Aber das ist längst nicht alles: Die Schiffbauindustrie sieht auch sehr gute Möglichkeiten für den innovativen Schiffbau. Hier ist Deutschland besonders stark, hier liegt die Zukunft des deutschen Schiffbaus und wir sollten diese Möglichkeit offensiv nutzen. Von den Fachleuten wissen wir, dass die Technologien vorhanden sind und sich die Kosten der Umstellung für die Reedereien nach etwa eineinhalb Jahren rentieren.
Hinzu kommt, dass die Richtlinie nur die Übertragung eines internationalen Abkommens in EU-Recht ist. Diesem Abkommen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation hat Deutschland zugestimmt. Demzufolge wäre es mehr als logisch, das Ganze in europäisches Recht zu übertragen. Aber so einfach ist das bei dieser Regierung nicht.
Wir können uns hier alle nur fragen, was der wirkliche Grund für diese Geisterfahrerei der Koalition ist. Sie lassen gesundheits-, umwelt- und wirtschaftspolitische Aspekte völlig außen vor und ignorieren ein internationales Abkommen.
Die Antwort ist offensichtlich: Hierbei geht es nicht um das Gemeinwohl, sondern um die Interessen einiger Weniger – dieses mal sind es Reedereien, die bevorzugt auf Nord- und Ostsee unterwegs sind. Es bleibt das Geheimnis der Koalition, wieso sie wieder einmal so eine Politik macht. Etwas kurios war hier das Abstimmungsverhalten der Linken in den Ausschüssen, mit dem dieser politische Unsinn auch noch unterstützt wurde. Zum Glück haben die Linken das eingesehen und Ihre Meinung geändert.
Selbstverständlich ist richtig, dass die Umstellung nicht kostenlos zu haben ist. Es ist doch völlig klar, dass schwefelarmer Treibstoff mehr kostet als der Sondermüll, der heute auf den Weltmeeren verfeuert wird. Aber das wissen die betroffenen Reeder seit Jahren! Jahrelang ist klar, dass die Grenzwerte sinken. Hierauf hätte schon lange reagiert werden können.
Stattdessen wird das Geld lieber in Lobbyarbeit gesteckt. Da werden Studien verfasst, die entscheidende Aspekte einfach nicht berücksichtigen. Selbst die Bundesregierung gibt das zu. Aber diese Koalition lässt sich davon nicht beeindrucken – sondern macht einfach weiter ihre Lobbypolitik.
Fassen wir also zusammen: Was hier und heute beschlossen werden soll, ist gesundheitspolitischer Unsinn, steht gegen den Umweltschutz und zeugt von wirtschaftspolitischer Inkompetenz. Dazu wird ein internationales Abkommen untergraben. Dem muss nichts mehr hinzugefügt werden – die Fakten sprechen für sich.
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