Menü
17.10.14 –
Rede im Bundestag
<script id="tv13992001" src="https://webtv.bundestag.de/player/macros/bttv/player.js?content=3992001&phi=default"></script>
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Das war ein sehr engagierter Beitrag von Ihnen, Kollege Oßner. Normalerweise bin ich ja für diese Einlagen bei unseren Donnerstagabendsitzungen immer zuständig. Aber es wäre auch noch ganz gut gewesen, wenn nicht nur so eine Klamauknummer dabei herausgekommen wäre, sondern wenn auch noch ein bisschen Inhalt gekommen wäre.
(Ulrich Lange (CDU/CSU): Klamauk haben Sie gemacht!)
Aber jetzt zu dem Gesetzentwurf, über den wir heute reden. Der vorliegende Gesetzentwurf ist wirklich ein besonderer Fall; denn hier gilt das Struck’sche Gesetz nicht. Dieses Gesetz wird ohne jede Änderung verabschiedet. Weder Bundesrat noch Bundestag haben etwas beanstandet. Das kennen wir sonst überhaupt nicht. Das Gesetz wird so durchgewunken, wie es von der Bundesregierung geschrieben wurde. Als Begründung verstecken sich die Befürworter nämlich hinter einer EU-Richtlinie.
Gleichzeitig hadern wir aber alle mit dem Ergebnis, das dabei herauskommt; denn die Lkw-Maut wird sinken. Wir haben also weniger Einnahmen. Was passiert draußen, in der Praxis? Die Infrastruktur bricht uns immer mehr zusammen, sie bröselt weg. Nicht einmal Spediteure können sich richtig freuen; denn die Preissenkung werden sie zum größten Teil an ihre Kunden im Handel und produzierenden Gewerbe weitergeben müssen. Endverbraucher werden überhaupt nichts merken. Der Anteil der Mautkosten an einem Endpreis ist nämlich viel zu gering. Das merkt niemand beim Einkauf.
Fehlen wird aber am Ende mindestens eine halbe Milliarde Euro im Bundesetat. Die muss eingespart werden, oder sie wird unsere zukünftigen Schulden vergrößern. Man muss es sagen, wie es ist: Dieses Gesetz wird kein Problem lösen, sondern nur neue Probleme schaffen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Herzlichen Glückwunsch an diese 80-Prozent-Koalition zu diesem Meisterwerk!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!)
Es ist keinesfalls so, dass es keine Kritik gab. Wir haben vor 14 Tagen eine umfangreiche Expertenanhörung im Verkehrsausschuss gehabt. Da ist deutlich geworden, dass es eine ganze Reihe von Kritikpunkten gibt. Gerade die EU-Kommission wollte in ihrer Richtlinie gern höhere Mautsätze festlegen. Aber die Mitgliedstaaten haben das einfach verhindert. Kollege Ferlemann, Sie wissen das. Das fällt uns jetzt auf die Füße.
Auch bei der Einbeziehung von Lärm- und Luftverschmutzung wurden Fehler gemacht. Seit 2011 - das liegt schon drei Jahre zurück - ist es europaweit erlaubt, diese Kosten bei der Mauthöhe zu berücksichtigen. Aber wir haben zwei Verkehrsminister von der CSU hinter uns, und nichts ist passiert. Schade.
(Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Traurig!)
Stattdessen fummelt dieses Ministerium unter CSU-Führung wieder an seinem Lieblingsthema herum, nämlich an einer bürokratischen Pkw-Maut. Aber da ist die Machtfrage von Herrn Seehofer sicherlich wichtiger als ein solides Verkehrsnetz. Sie können also von uns nicht erwarten, dass wir diesem Gesetzentwurf auch noch unseren Segen erteilen. Wir werden ihn ablehnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kirsten Lühmann (SPD): Sie lehnen ihn ab, weil wir noch keine Pkw-Maut haben? Das ist eine spannende Argumentation!)
Was können wir mit diesem Scherbenhaufen nun wirklich anfangen? Wir Grüne machen Ihnen konkrete Vorschläge: Erstens brauchen wir eine Initiative auf europäischer Ebene zur Revision der Eurovignettenrichtlinie. Herr Ferlemann, nicht nur lächeln, bitte machen in Brüssel!
(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Sören Bartol (SPD): Wird gemacht!)
Zweitens müssen wir schnellstens umfassende Möglichkeiten zur Einbeziehung externer Kosten schaffen. Lkws machen nicht nur Straßen und Brücken kaputt, sondern sind auch für Umweltschäden in Höhe von etwa 88 Milliarden Euro im Jahr verantwortlich. Drittens muss der Verkehrsminister endlich für Klarheit bei Toll Collect sorgen. Viertens muss die Lkw-Maut auf allen Straßen für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen eingeführt werden.
Das sind die Kernforderungen meiner Fraktion. Sie können noch einige mehr in unserem Antrag finden. Es wäre schön, wenn Sie sich dem anschließen könnten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber wollen wir doch etwas herausarbeiten, was in dieser Expertenanhörung ein ganz wichtiger Punkt war. Wir müssen uns grundlegende Gedanken darüber machen, wie wir die organisierte Verantwortungslosigkeit, die wir derzeit in der Verkehrsinfrastruktur haben, endlich beenden können. Der neue Bundesverkehrswegeplan wird wieder nicht funktionieren, wenn wir uns nur an den lokalen Wünschen vor Ort orientieren; aber genau das machen Sie jetzt leider wieder. Umgekehrt wäre es richtig: Der Bund muss zuerst definieren, welches Netz nötig ist. Erst dann darf geprüft werden, was mit den lokalen Wünschen passiert; denn sonst landen wir wieder bei den sinnlosen Wünsch-dir-was-Listen.
(Kirsten Lühmann (SPD): So haben wir das vereinbart!)
Der zweite Punkt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist noch viel wichtiger. Heute haben wir ein ineffizientes System mit den Bundesunternehmen DEGES und VIFG, Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft. Dazu kommen 16 Länderverwaltungen, das Bundesministerium und auch noch Toll Collect. Alle mischen in diesem Geschäft irgendwie mit. Kein Bürger blickt mehr durch, wenn es zum Beispiel um eine Ortsumgehung geht.
Vizepräsident Johannes Singhammer:
Frau Kollegin Dr. Wilms, denken Sie an die vereinbarte Redezeit und die schon fortgeschrittene Tageszeit.
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich bin in der Endphase meiner Rede.
(Heiterkeit)
Ich will die lieben Kollegen noch einmal ein bisschen aufmischen.
Ganz konkret wurde in der Anhörung eine Verkehrsinfrastrukturmanagementgesellschaft vorgeschlagen. Bei allen Differenzen, die wir heute zu diesem Gesetzentwurf haben: Lassen Sie uns diesen Vorschlag wirklich einmal ernsthaft diskutieren, damit wir aus der Falle, in der wir jetzt sind, herausfinden und damit es nicht erst wieder irgendwo ein Unglück braucht, um tatsächlich einen Wandel in der Politik einzuleiten.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Kategorie