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30.07.11 –
Hamburger Abendblatt vom 30. Juli 2011
Valerie Wilms kritisiert in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt die SPD-Entscheidung, die Sperrzeiten-Regelung für die Mitnahme von Fahrrädern im Bereich des HVV nicht aufzuheben.
Am Morgen zwischen 6 und 8 Uhr sowie am Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr dürfen keine Fahrräder mitgenommen werden. Während der Koalition aus GAL und CDU unter Führung Ole von Beusts wollten die Grünen vor allem die Sperrzeiten am Nachmittag zwischen 16 und 18 Uhr aufheben.
Nach Widerstand der Verkehrsverbünde ließ die Umweltbehörde ein Gutachten erstellen. Danach wäre eine Ausweitung der Fahrradmitnahme unter bestimmten Vorraussetzungen möglich. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Ole Thorben Buschhüter (SPD) hat sich gegen eine neue Sperrzeiten-Regelung ausgesprochen. Auch der HVV lehnt eine Verkürzung der Sperrzeiten ab. Im Interview mit Abendblatt-Autor Alexander Landsberg plädiert Wilms für eine zentrale Rolle des Rades im Verkehrsverbund.
Hamburger Abendblatt: Die SPD hat einer Ausweitung der Fahrradmitnahme aus Kapazitäts- und Sicherheitsgründen eine Absage erteilt. Ist diese Argumentation für Sie nachvollziehbar?
Valerie Wilms: Im Sinne eines langfristigen und nachhaltigen Verkehrskonzeptes halte ich diese Entscheidung nicht für sinnvoll. Wir wollen ja gerade das Umsteigen auf verschiedene Verkehrsträger erleichtern. Die SPD denkt dabei vor allem an den Umstieg vom Auto auf S- und U-Bahn. Doch das ist ein veraltertes Konzept aus den 70er und den 80er Jahren. Das ist nicht hilfreich. Das Fahrrad wird ausgeblendet.
Hamburger Abendblatt: Hamburg ist doch ganz weit vorne. Die Fahrradmitnahme, wenn sie denn gestattet ist, ist kostenlos. Es gibt das Stadtrad und das ist sehr erfolgreich. Das Netz wird stetig erweitert.
Wilms: Das Stadtrad ist sicher ein Baustein. Aber warum soll ich mir ein Rad leihen, wenn ich ein eigenes habe? Man muss auch im Nahverkehr auf sein eigenes Rad zurückgreifen können. Deshalb kommen wir nicht um eine Flexibilisierung der Sperrzeiten herum.
Hamburger Abendblatt: Pendler und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) kritisieren die Entscheidung auch, weil viele S-Bahn-Züge gerade im Außenbereich nicht so stark gefüllt sind - und trotzdem darf innerhalb der Sperrzeiten kein Rad mitgenommen werden.
Wilms: Das ist Irrsinn. Wir müssen die Sperrzeiten hier anpassen. So voll habe ich die Züge noch nicht gesehen.
Hamburger Abendblatt: Der HVV und SPD wollen keine komplizierten Ausnahme- und Sonderregelungen auf einzelnen Abschnitten. Das sei nicht zu kommunizieren, heißt es.
Wilms: Das ist natürlich Unsinn. Das kann man intelligent machen. An den Zuglaufschildern, gerade bei der S-Bahn kann man das anzeigen lassen. Es gibt weitere Möglichkeiten. Wir reden über vorgeschobene Gründe. Wenn man das will, kann man das auch machen. Doch ernsthaft wollen sich die Beteiligten mit dem Thema anscheinend nicht beschäftigen. Ich werde das tun, mich dem Thema widmen und auch mit dem HVV sprechen.
Hamburger Abendblatt: Sind die Räumlichkeiten in der S-Bahn überhaupt geeignet, mehr Räder mitzunehmen?
Wilms: Also es gibt in den modernen S-Bahn-Zügen ja schon die Möglichkeit Räder mitzunehmen. Problematisch halte ich die Klappsitze in den vorderen und hinteren Abschnitten. Die müssen weg und spezielle Halterungen für die Fahrradmitnahme her. Man kann sich da gerne auch vom Regionalverkehr inspirieren lassen.
Hamburger Abendblatt: Wir lösen andere Städte die Fahrrad-Problematik?
Wilms: Gerade in Metropolregionen klappt die Einbindung des Fahrrades in das Verkehrs-Konzept noch nicht. Hamburg befindet sich da in guter Gesellschaft mit Berlin. Mittelgroße Städte wie Münster sind Metropolen in Sachen Fahrrad weit voraus. Dort gibt es wesentlich mehr Angebote im Radverkehr. Wir müssen in Hamburg zum Beispiel auch über Fahrrad-Parkhäuser sprechen.
Hamburger Abendblatt: Das kostet alles viel Geld. Wie sollen die Städte und Verkehrsverbünde das finanzieren?
Wilms: In Zukunft muss es mehr Geld für diese Problematik geben müssen. Es wird Radverkehrskonzepte mit entsprechenden Förderungen geben. Wir reden hier aber von langfristigen Planungen. Bei den Grünen ist das schon immer ein wichtiges Thema gewesen. Und wird es auch im kommenden Wahlprogramm. Bei anderen Parteien muss man noch dicke Bretter bohren. Das Thema Radverkehr spielt insbesondere bei den Verkehrsmitteln in Verantwortung des Bundes eine noch eher rudimentäre Rolle. Was wir seit Langem fordern, ist eine unkomplizierte Möglichkeit, Räder auch im ICE mitzunehmen. Die Deutsche Bahn muss sich hier endlich bewegen.
Hamburger Abendblatt: Zu einem dichten Nahverkehrsnetz gehört auch eine verbesserte Anbindung nach Hamburg. Wie realistisch ist also eine S-Bahn von Itzehoe in die Metropolregion?
Wilms: Wir müssen uns über eine verbesserte Anbindung vom Norden und Westen nach Hamburg grundsätzlich Gedanken machen. Die Nahverkehrszüge sind immer ganz gut gefüllt, der Umstieg auf die S-Bahn ist umständlich. Was jetzt vereinbart wurde ist die S4 von Bad Oldesloe nach Hamburg. Doch das reicht mir nicht. Wir brauchen auch eine Bahn von Elmshorn, von Itzehoe, sogar von Neumünster nach Hamburg. Doch alles, was wir in Schleswig-Holstein machen und machen wollen, steht und fällt mit dem Projekt Fehmarnbelt-Querung. Kommt dieses Ungetüm, fließt alles Geld in die Anbindung. Alles andere, auch neue S-Bahn-Linien, fällt dann hinten runter.
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