
06.09.10 –
- ein Kommentar auf glocalist.com -
Der Entwurf des  Kernbrennstoffsteuergesetzes, weithin unter dem Namen   Brennelementesteuer bekannt, das die Bundesregierung auf den Weg bringen   und das zum 1. Januar 2011 in Kraft treten soll, sieht die Besteuerung   von Kernbrennstoff vor. Ein Gramm Kernbrennstoff, der zur gewerblichen   Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird, soll demnach mit 220   Euro besteuert werden. Die jährlichen Steuermehreinnahmen von 2,3   Milliarden sollen ohne Zweckbindung der Haushaltskonsolidierung dienen.
 Soweit der Plan der Bundesregierung. Die Entscheidung über die  Steuer  wurde jedoch auf Ende September vertagt. Das lässt die  Atomkonzerne  weiter hoffen, die angekündigte Atomsteuer doch noch zu  verhindern.  Munter wird mit den Betreibern weiter über Alternativen  verhandelt. Ein  Ausgang der Verhandlungen im Interesse der Konzerne ist  nicht  unwahrscheinlich – und wäre ein Kniefall der Bundesregierung vor  der  Atomlobby. Am Durchsetzungsvermögen der Regierung darf schon durch  das  Verschieben der Entscheidung über die Brennelementesteuer  gezweifelt  werden.
 Dabei brauchen wir dringend eine  Brennelementesteuer – die Grünen  rechnen derzeit mit einer Steuer in  Höhe von 2,5 Cent/kWh – aber ohne  die Kombination mit der geplanten  Laufzeitverlängerung der  Atomkraftwerke.
 Die Befürchtung der  Atomkonzerne, dass durch eine solche Besteuerung des  Kernbrennstoffes  der Betrieb der Kraftwerke unrentabel wird, zeigt doch  wieder einmal in  aller Deutlichkeit: Die Tage der „Brückentechnologie“  Atomkraft sind  gezählt! Sobald man die Energieversorger an der  Begleichung der  gesellschaftlichen Schuld der Atomkraft beteiligt – man  denke an die  nach wie vor ungelöste Frage der Endlagerung – ist die  Atomenergie  keinesfalls mehr rentabel. Die Endlagerfrage bleibt  ungeklärt und die  Kosten für das risikoreiche Lagern atomaren Mülls eine  kostspielige und  hochgradig gefährliche Verpflichtung auf Jahrtausende.
 Als  Nachhaltigkeitsbeauftragte der grünen Bundestagsfraktion schaue ich   besonders gründlich hin: Genau in diesem Punkt verfehlt die Kernenergie   den Kern des Nachhaltigkeitsgedankens, nämlich den, externalisierte   Kosten bereits heute in den Betrieb der Kraftwerke einzubeziehen.   Dagegen weigern sich die Kraftwerksbetreiber leider mit großem Erfolg:   ein Eingeständnis der Tatsache, dass Kernenergie nicht nachhaltig ist!
 Da hilft auch nicht der Vermerk im Gesetzentwurf des   Kernbrennstoffsteuergesetzes, indem auf den Einklang mit der nationalen   Nachhaltigkeitsstrategie verwiesen wird. Diese Nachhaltigkeitsprüfung   von Gesetzentwürfen, die wir im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige   Entwicklung auf den Weg gebracht haben, verpflichtet zur Prüfung des   Gesetzes auf Nachhaltigkeit, aber: Die Finanzierung wichtiger   Zukunftsaufgaben aus dem Bundeshaushalt und die Vermeidung weiterer   Kürzungen, die der Gesetzentwurf aufführt, können nicht darüber hinweg   täuschen, dass die Stromerzeugung aus Kernenergie nun einmal per se   nicht nachhaltig ist.
 Das Gegenteil ist der Fall. Durch eine  Verlängerung der  Kraftwerkslaufzeiten wachsen und wachsen die  hochradioaktiven  Atommüllberge, ein Problem für das es weltweit keine  Lösung gibt. Auch  hierzulande bieten das aus politischen Gründen  ausgesuchte Lager  Gorleben und das vom Einsturz bedrohte Lager Asse  keine vertrauensvolle  Herberge für den Strahlenmüll.  Verantwortungsvolle Energiepolitik sieht  anders aus.
 Was  wirklich benötigt wird, sind Investitionen in Erneuerbare Energien,  mit  denen dank der geplanten Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke  nicht  mehr im selben Ausmaß zu rechnen ist. Die Hoffnung auf das  Einhalten  der Investitionszusagen der Atomindustrie auf freiwillige  Zahlungen zur  Förderung Erneuerbarer Energien ist naiv und auch da ist  in den  derzeitigen Verhandlungen das letzte Wort noch nicht gesprochen.  Ein  Einlenken der Bundesregierung ist noch vorstellbar. Neben der  Förderung  Erneuerbarer Energien müssen die Energieeffizienz gesteigert  und  konsequente Energieeinsparungen angestrebt werden.
 Bundesumweltminister Röttgen hat insofern Recht, als dass mehrere   Reaktoren nicht mehr dem heutigen Stand der Wissenschaft und   Sicherheitsstandards entsprechen. Tatsächlich ist der technische   Standard der der 70er und 80er Jahre. Das von ihm geforderte – und im   Übrigen in der Koalition nicht beliebte - Nachrüsten der Atomkraftwerke   gegen Flugzeugabstürze fordert Investitionen in Milliardenhöhe in den   nächsten Jahren. Klar, dass auch er dann von bloß marginalen Vorteilen   längerer Laufzeiten für Wirtschaft und Klimaschutz spricht. Nachdem   selbst innerhalb der Bundesregierung Gutachten verschiedentlich gedeutet   werden, ist die grüne Haltung zum Gutachtenwirrwarr im Umfeld des   Energiekonzeptes eindeutig: Es redet Eon, RWE und Co. nach dem Mund!
 Wieso also eine Laufzeitverlängerung mit eventueller   Kernbrennstoffsteuer und nicht eine Brennelementesteuer, die auch ohne   Laufzeitverlängerung längst überfällig ist? Sollte man auf das Argument   Profitgier etwa Rücksicht nehmen? Abgesehen von der Tatsache, dass die   acht unsichersten Atomkraftwerke unverzüglich vom Netz gehen sollten,   müssen die Betreiber an den Kosten für die Sanierung des Lagers Asse, an   der Einhaltung der höchsten Sicherheitsstandards, an der Suche nach   einem Endlagerstandort und auch an der anschließenden Lagerung des   Atommülls beteiligt werden. Und wie sieht es vor dem Hintergrund einer   Hochrisikotechnologie mit einer Anhebung der Deckungsvorsorge aus? Das   sind Punkte, die energiepolitisch schleunigst angegangen werden müssen.
 Die Risiken der Technologie Atomkraft sind bekannt. Allen voran  die  weltweit ungelöste Endlagerfrage, die mit der Zeit zunehmende   Unsicherheit der deutschen Atomkraftwerke, die Subventionen der   Atomenergie nicht zuletzt durch den Steuerzahler, bis hin zu den Risiken   etwaiger Flugzeugabstürze.
 Deshalb brauchen wir sofort eine  Brennelementesteuer, aber diese bitte  ohne falsche Zugeständnisse an  die Atomlobby. Ein damit verbundener  Ausstieg aus dem Atomausstieg?  Nein.
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