Nachhaltigkeitsmanagement geprüft – Note: mangelhaft

Deutschland verfüge über einen hervorragenden Sachverstand, aber bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, wie z.B. bei der Energiewende, sei der politische Wille nicht erkennbar. So lautet das Urteil der Expertinnen und Experten, die von der Bundeskanzlerin beauftragt wurden, das Nachhaltigkeitsmanagement in Deutschland zu prüfen.

04.12.14 –

Deutschland verfüge über einen hervorragenden Sachverstand, aber bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, wie z.B. bei der Energiewende, sei der politische Wille nicht erkennbar. So lautet das Urteil der Expertinnen und Experten, die von der Bundeskanzlerin beauftragt wurden, das Nachhaltigkeitsmanagement in Deutschland zu prüfen.

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Peer Review Bericht (deutsch ab Seite 46): Sustainability made in Germany sowie die Stellungnahme des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung und die Rede dazu am 4.12.2014 im Plenum des Deutschen Bundestages:


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Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben ja schon erwähnt: Wir reden heute über die erste Unterrichtung - so heißt es formal -, die der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung in dieser Legislaturperiode abliefert. Daran haben alle vier Fraktionen wirklich gleichberechtigt mitarbeiten können; da machen wir nicht diesen Mummenschanz zwischen Koalition und Opposition. Dafür herzlichen Dank!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Aber wenn ich mir die die Debatte anhöre, habe ich den Eindruck, dass wir hier eigentlich über unterschiedliche Sachen reden. Denn wenn ich mir den Peer-Review-Bericht anschaue, stelle ich fest: Da steht deutlich drin, dass Deutschland hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Das ist nämlich die bittere Kernbotschaft, die uns die Peers mitgegeben haben: Wir könnten deutlich mehr machen. - Gerade an der Situation bei der Energiewende machen die Peers diese Aussage fest. Da stimme ich ihnen - leider - voll zu. Da müssen wir deutlich nachlegen.

Es gibt bislang keine Koordinierung im Hinblick auf das Zusammenspiel der verschiedenen Energieträger bis zur vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energien; das haben wir noch nicht geschafft. Wir müssen uns fragen: Wie viele CO2-Schleudern, also vor allem Braunkohlekraftwerke, sind wirklich noch nötig, und zwar heute und dann, wenn die Atomkraftwerke endlich abgeschaltet worden sind?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Frage ist doch, wie die Energieversorger, große wie kleine, ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln können. Dafür brauchen sie von uns eindeutige Vorgaben, und das dringend. Wir lassen es zu, dass der Strompreis an der Börse verfällt, und subventionieren dafür stromintensive Unternehmen. Hier ist mehr konzeptionelles Arbeiten dringend nötig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Je besser wir die Energiewende durchplanen, umso besser können sich die Unternehmen darauf vorbereiten und ihre Mitarbeiter entsprechend qualifizieren. Eon zeigt durchaus, in welche Richtung das gehen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will noch einen Blick auf die Debatte um Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität werfen. - Vorher muss ich aber erst einmal einen Schluck trinken, um mich zu beruhigen.

(Heiterkeit - Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber bitte keine Schlaftablette nehmen!)

Diese Debatte kocht ja immer wieder hoch. In der letzten Wahlperiode hat eine Enquete-Kommission einen Vorschlag mit einer großen Menge an Wohlstandsindikatoren, Warnlampen und Hinweislampen vorgelegt; irgendwo hier im Bundestag sollte es eine entsprechende Installation geben. So sollte nämlich der Wachstumsindikator Bruttoinlandsprodukt ergänzt werden. Dabei wurde einfach ignoriert, dass es das schon längst gibt.

Seit 2002 haben wir die nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Aber es macht ja immer mehr Spaß, neue Messsysteme auf weißes Papier zu schreiben, als sich darum zu kümmern, das alte Messsystem mit seinen 21 Indikatoren wie Flächenverbrauch, Artenvielfalt, Ressourceneffizienz anzuwenden und die notwendigen Ziele wirklich zu erreichen.

Das, was nun im Bundeskanzleramt mit der Strategie „Gutes Leben“ geplant ist, scheint eher eine Strategie zur Ablenkung von diesen vorhandenen Nachhaltigkeitszielen zu sein, vor allem eine Ablenkung davon, dass die Entwicklungen im Hinblick auf viele Nachhaltigkeitsziele stagnieren oder sogar rückläufig sind, wie uns der Fortschrittsbericht und der Indikatorenbericht zeigen.

Wir Politiker, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen ein lebenswertes Leben auf dieser Erde ermöglichen, nicht nur für alle, die heute hier leben, nein, auch für unsere Kinder und deren Kinder, und das nicht nur für uns in Deutschland.

Dafür gibt es seit Rio 1992 die Agenda 21 und in Deutschland die Nachhaltigkeitsstrategie. Ab Herbst nächsten Jahres wird es sogar weltweite Nachhaltigkeitsziele geben: die SDGs. Da vergleichen wir nicht nur Zahlenreihen von Indikatoren und schauen auf irgendwelche blinkenden Lämpchen. Wir haben wirklich zu erreichende Ziele für die einzelnen Indikatoren festgelegt. Das steckt hinter unserer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die wir bislang, unabhängig von den Farben der Regierung, regelmäßig fortgeschrieben haben. Dazu müssen wir kein gutes Leben neu erfinden. Lassen Sie uns besser die Ziele unserer vorhandenen Nachhaltigkeitsstrategie ernsthaft operativ umsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Fensterreden haben wir darüber schon genug gehalten.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

 

Kategorie

Nachhaltigkeit | Wachstum