Rio2012 - Nachhaltige Entwicklung jetzt umsetzen

Rede im Bundestag Rio wird 20. 20 Jahre nach dem Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro lädt Brasilien erneut zum Gipfel, zur UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung. Jubiläen werden in der Regel gefeiert. Zum Feiern bietet der Gipfel aber keinerlei Anlass.

15.06.12 –

Rede im Bundestag

Zum Antrag "Rio2012 - Nachhaltige Entwicklung jetzt umsetzen"

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Rio wird 20. 20 Jahre nach dem Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro lädt Brasilien erneut zum Gipfel, zur UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung.

Jubiläen werden in der Regel gefeiert. Zum Feiern bietet der Gipfel aber keinerlei Anlass. Die Agenda 21 ist vielen Menschen kaum noch ein Begriff. Die internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz und zur Biodiversität stagnieren seit langem.

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind aber größer geworden: Auf der Erde wird es deutlich enger, die Bevölkerung nimmt weiter zu, und die Erderwärmung wird uns wertvolles Land kosten. Besonders dramatisch ist, dass gerade die ärmsten Länder am meisten darunter leiden müssen, während die hochentwickelten Staaten die Probleme verursachen; denn wir haben diese Erde innerhalb kürzester Zeit an ihre Grenzen gebracht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung, dem ich angehöre, sind wir uns über alle Fraktionsgrenzen hinweg einig, dass wir umdenken und vor allen Dingen umlenken müssen. Auch die besondere Verantwortung der Industrieländer erkennen wir alle. Wir Grüne sind aber der Überzeugung, dass weit mehr möglich wäre als das, was bisher gemacht wurde.

Unter Green Economy als einem nachhaltigen Wirtschaften verstehe ich, dass wir unsere Umwelt nicht weiter zerstören dürfen, die Erde nicht bis an ihre Grenzen ausbeuten dürfen sowie überall auf dieser Welt humane Arbeits- und Lebensbedingungen schaffen müssen. Wer sonst als wir in der Politik ist in der Lage, einen verbindlichen Rahmen für ein nachhaltiges Wirtschaften festzulegen? Würden uns freiwillige Verpflichtungen helfen, die die Kanzlerin ständig verteidigt, wären wir schon längst weiter. Aber das funktioniert nicht, sondern dient vor allem der Blockade von Entwicklungen. Die unsägliche Verpflichtung der Autoindustrie zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes hat uns das allzu deutlich gezeigt.

Die Kanzlerin fährt, anders als ihre beiden Vorgänger, nicht einmal selbst nach Rio. Hat sie der Welt nichts zu bieten?

(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)

So ist es anscheinend. 1992 hatte Helmut Kohl eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 25 Prozent im Gepäck. Er hatte also etwas anzubieten. 2002, in Johannesburg, versprach Gerhard Schröder den Ausbau des Bereichs der erneuerbaren Energien. Von einer deutschen Selbstverpflichtung, die das schlingernde Schiff Nachhaltigkeit voranbringt, ist mir dieses Mal nichts bekannt. Aber Überraschungen gibt es ja immer wieder. Mit dem Weg zum G-20-Gipfel nach Mexiko in der nächsten Woche legt die Kanzlerin räumlich schon die halbe Strecke nach Rio zurück. Vielleicht gibt es da ja noch Überraschungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ist sie schon mal drüben!)

Wir brauchen kommende Woche in Rio einen konkreten Auftrag, dass weltweit verbindliche Nachhaltigkeitsziele festgelegt werden. Wir müssen endlich verbindliche Ziele für ein umwelt- und sozialverträgliches Wirtschaften im Jahr 2050 festlegen, und zwar mit Zwischenzielen für die Jahrzehnte davor, also für 2030, 2040 und am besten auch für 2020. Diese Ziele müssen länderspezifisch gelten; denn viele Staaten müssen erst einmal aus ihrer Armutsfalle herauskommen und eine wettbewerbsfähige Wirtschaft aufbauen.

Als rohstoffarmes Land müssen wir in Deutschland mit ehrgeizigeren Zielen Vorreiter sein. Dabei müssen wir uns die gesamte Lieferkette vom Abbau der Rohstoffe in den Entwicklungs- und Schwellenländern über den Transport bis hin zur Produktion und zum Vertrieb vor Ort anschauen. Dann werden wir deutlich erkennen, wie wirksam eine weitestgehende Wiederverwertung sowie eine Verlängerung des Lebenszyklus von Produkten sind.

Noch immer wird Elektronikschrott nur zu rund einem Drittel recycelt. Wir in Deutschland verfügen aber über ein großes Know-how beim Recycling. Dieses sollten wir endlich nutzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Helmut Heiderich [CDU/CSU])

Vor allen Dingen sollten wir die derzeit angewandten trickreichen Umgehungsmöglichkeiten unterbinden. Ich möchte nicht mehr alte Computer auf Müllkippen in Ghana sehen. Wenn wir unseren Unternehmen einen vernünftigen Übergangszeitraum gewähren, um ihre Strategie anzupassen, wird sich das sogar als Wettbewerbsvorteil herauskristallisieren.

In Rio unterstützen wir Grüne die Aufwertung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zur UNEO, zur Umweltorganisation, und die Einrichtung eines Rats für nachhaltige Entwicklung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Dieser könnte anstelle der UN-Laberbude – so haben es schon zwei Vorredner ausgedrückt – die Konkretisierung der weltweiten Nachhaltigkeitsziele voranbringen und vor allen Dingen ein wirksames Monitoringsystem erarbeiten. In zehn Jahren möchte ich mich nicht mehr nur über Ziele unterhalten müssen, sondern stolz auf das Erreichte blicken können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie uns, Parlamentarier und Regierung, dafür in Rio arbeiten. Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Hier finden Sie die Debatte im Plenarprotokoll (S. 21994ff)

Zum Antrag: Rio2012 - Nachhaltige Entwicklung jetzt umsetzen

Hier lesen Sie eine Kommentierung der Debatte in der Zeitung "Das Parlament"

Hier gehts zur UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung

Weitere grüne Beiträge zur UN-Konferenz finden Sie auf der Seite der Heinrich-Böll-Stiftung

Kategorie

Nachhaltigkeit | Rede