Wortungetüme in der Politik

Abgeordnetenwort für Ueternsener Nachrichten vom 21.August 2010 Die Politik ist nicht gerade für eine allseits verständliche Sprache bekannt. Gerne werfen wir Politikerinnen und Politiker mit Wortungetümen um uns, reden verästelt und verschachtelt und benutzen sehr gerne Worte, die in viele Richtungen gedeutet werden können.  Das ist oft sehr hilfreich – viel öfter aber auch sehr hinderlich.

21.08.10 –

Abgeordnetenwort für Ueternsener Nachrichten vom 21.August 2010

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Politik ist nicht gerade für eine allseits verständliche Sprache bekannt. Gerne werfen wir Politikerinnen und Politiker mit Wortungetümen um uns, reden verästelt und verschachtelt und benutzen sehr gerne Worte, die in viele Richtungen gedeutet werden können.  Das ist oft sehr hilfreich – viel öfter aber auch sehr hinderlich. Eines dieser beliebten Worte heißt „Nachhaltigkeit“. Denn das Wort wird inzwischen sehr inflationär benutzt – ohne dass eigentlich ganz klar ist, was damit gemeint sein soll. Alles will irgendwie nachhaltig sein: Viele Unternehmen schmücken heute ihre Imagebroschüren mit diesem Wort, hier im Bundestag bin ich Nachhaltigkeitsbeauftragte und sitze im parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung.

Vor kurzem habe ich eine interessante Studienarbeit gelesen. Unter anderem wurde darin im Auftrag einer großen Entwicklungshilfeorganisation – die sich selbst für sehr nachhaltig hielt – gefragt, ob Unternehmer aus der Wirtschaft diese Organisation nachhaltig fänden. Das Ergebnis war niederschmetternd: Die Mehrheit der Unternehmer fand die Organisation mitnichten nachhaltig. All ihr Schaffen und Tun in armen Ländern dieser Welt hatten die Helfer darauf ausgerichtet, etwas zum Besseren zu ändern – und zwar nachhaltig. Und dann das.

Die Erklärung hierfür ist relativ einfach. Während für die Entwicklungshelfer Nachhaltigkeit vor allem bedeutete, dass ihre Arbeit  weiter wächst und gedeiht, wenn sie selbst das Projekt verlassen haben, interpretierten die Unternehmer das Wort mit wirtschaftlichem Erfolg. Die Studie ist inzwischen über sieben Jahre alt, aber auch heute haben viele nur eine ungenaue Vorstellung davon, was sich hinter dem Wort Nachhaltigkeit verbirgt.

Hier im Bundestag hat der Beirat inzwischen einen klaren Auftrag: Wir überprüfen, ob neue Gesetze aus heutiger Sicht langfristig sinnvoll sind. Dazu setzen sich Abgeordnete aller Fraktionen zusammen und bewerten anhand von Indikatoren, ob zukünftige Generationen von heutigen Gesetzen auch profitieren werden. Etwa beim Flächenverbrauch: Heute versiegeln wir täglich 104 Hektar und es ist errechenbar, dass dann irgendwann kein Platz mehr für Wiesen und Bäume bleibt. Deswegen brauchen wir perspektivisch einen Nullverbrauch. Davon sind wir weit entfernt. Vor allem in den Kommunen muss überlegt werden, wie Flächen wieder genutzt werden, wenn Bauvorhaben anstehen. Wenn ich mit meiner Arbeit beispielsweise an dieser Stelle ein Umdenken erreiche, dann kann ich auch gern mit einem Wortungetüm leben. Aber sagen Sie mir bitte auch zukünftig, wenn ich zu viele davon benutze!

Herzlichst,

Ihre Valerie Wilms

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Beiträge | Nachhaltigkeit