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15.10.15 –
Der Zustrom von Flüchtlingen und Asylbewerbern zeigt, dass Kriege auch außerhalb von Europa unmittelbaren Einfluss auf uns in Deutschland haben.Wir können das nicht mehr verdrängen. Darum wäre es am sinnvollsten, die Fluchtursachen, nämlich die Kriege und Bürgerkriege im Nahen Osten oder in Afrika zu befrieden. So weit ist die Weltgemeinschaft leider noch nicht. Gerade das Verhalten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zeigt, aller Sonntagsreden zum 70-jährigen Bestehen der Vereinten Nationen zum Trotz, dass die Welt noch nicht mit einer Stimme spricht.
Deutschland hat eine historische Pflicht nach dem zweiten Weltkrieg wahrgenommen und ein sinnvolles Asylrecht als Grundrecht in die Verfassung aufgenommen. Denn gerade die Geschichte hat uns in Deutschland sehr deutlich gezeigt, dass Verfolgte Schutzräume brauchen.Viele Menschen kommen zu uns, weil das Leben in ihrer Heimat unmöglich geworden ist. Sie suchen Schutz und wir haben ihnen zu helfen nicht nurnach dem Grundgesetz sondern vor allem auch als mitfühlende Menschen. In den letzten Monaten ist die Zahl der Schutzsuchenden sprunghaftangestiegen die Gründe und Ursachen kennen wir dagegen schon seit vielenJahren. Viel früher hätte die Bundesregierung sich darauf vorbereitenkönnen und müssen. Jahrelang hat sie zugeschaut, wie die Situation inItalien und Griechenland immer unerträglicher wurde. Unternommen hat siedagegen nichts.
Die Bundesregierung verweigert sich weiter praktikablen Regelungen füreine legale Zuwanderung. Damit bleibt den vielen Flüchtenden keine andereMöglichkeit, als sich eigenständig und ohne jede Kontrolle undLenkungsmöglichkeit auf den Weg zu uns zu machen. Deswegen sind wir jetztin dieser chaotischen Situation und haben damit Länder, Kreise undKommunen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht. Weil dieBundesregierung jahrelang die Probleme ignoriert hat, ist sie jetztgezwungen im Eilverfahren Lösungen zu erarbeiten.
Das heutige Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz wird sehr viele Probleme nicht lösen können. In dieser Eile und angesichts der akutenSchwierigkeiten wird es keine grundlegende und langfristig tragfähige Lösung sein. Wir werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit schon in kurzer Zeit über weitere Maßnahmen sprechen. Trotz all dieser Punkte müssen wir jetzt etwas tun. Wir haben - weil es die Bundesregierung so eklatant versäumt hat - jetzt keine Zeit, um gründlich und in Ruhe ein Einwanderungsgesetz für die geordnete Zuwanderung oder eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen anzugehen.
Immer wieder spreche ich mit Mitgliedern vor Ort, die sich engagieren; ich treffe Kommunalpolitiker und Landräte und weiß, welche unglaublichen Schwierigkeiten von ihnen gemeistert werden müssen. So wie es jetzt in Kreisen und Kommunen aussieht, kann es nicht weiter gehen. Wir können nicht dauerhaft auf Freiwilligenhilfe angewiesen sein. Wir müssen jetzt Unterkünfte schaffen, in denen Menschen auch im Winter vernünftig leben können. Wir müssen Kreise und Kommunen finanziell unterstützen, damit die Hilfe für Flüchtlinge nicht zu Lasten von anderen wichtigen kommunalen Aufgaben geht.
Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist ein Kompromiss, der zwischen Bund und Ländern ausgehandelt wurde. Es liegt in der Natur eines Kompromisses, dass er Teile enthält, die mir nicht gefallen und die ich eigentlich ablehne. Die Ausweitung der Liste sicherer Herkunftsstaaten ist Symbolpolitik, welche Asylverfahren nur minimal verkürzen wird. Eine Entlastung der Ämter wird damit kaum erreicht, sie werden weiter am Limit arbeiten müssen. Auch die Verlängerung der Verweildauer in einer Erstaufnahmeeinrichtung wird kaum etwas bringen, weil dahinter die Hoffnung steckt, die Flucht nach Deutschland unattraktiver zu machen. Wer viel Geld bezahlt, Haus und Hof verlässt und sich teilweise zu Fuß tausende Kilometer auf den Weg macht, für den ist es unbedeutend, ob er drei oder sechs Monate in solch einer Einrichtung verbringen muss. Die Verlängerung der Verweildauer wird die Probleme eher verschärfen, weil Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und mit völlig verschiedenen Perspektiven auf engstem Raum für lange Zeit miteinander auskommen müssen. Auch der Schwenk von Geld auf Sachleistungen wird die Arbeit der Helfer vor Ort vor allem erschweren. Es ist einfacher und günstiger Geld auszuzahlen, als bei einem individuellen Bedürfnis auf die Unterstützung von Helfern angewiesen zu sein. All diese Aspekte finde ich fragwürdig, weil sie Probleme nicht lösen können. Dennoch sind sie Teil des Kompromisses. Jeder der heute über das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz abgestimmt hat, wusste, dass sich daran nichts mehr ändern wird.
Unsere Landesregierung in Schleswig-Holstein steht in der Pflicht, Kreise und Kommunen mit den dringend benötigten finanziellen Mitteln des Bundes zu unterstützen. Sie kann sich nicht einfach nur die Teile des Kompromisses auswählen, die ihr gefallen. Stimmt sie dem Kompromiss nicht zu, gibt es auch kein Geld. Es gibt nur diesen Kompromiss oder gar nichts. So einfach und bitter ist die politische Realität, der ich mich nicht verweigern kann. Die grün getragene Landesregierung in Schleswig-Holstein hat diesem Kompromiss mit all seinen Zumutungen zugestimmt, weil sie die Not vor Ort kennt. Diese Regierung wird von unserem grünen Landesverband getragen, der auch mich in den Bundestag geschickt hat. Weil wir als Grüne in Schleswig-Holstein diesen Kompromiss mittragen, stehe auch ich dazu.
Würde ich den Kompromiss ablehnen, würde ich Kreise, Kommunen und die dort helfende Zivilgesellschaft im bürokratischen Regen stehen lassen. Das ist für mich nicht zu rechtfertigen, weil wir das Staatsversagen auf den höchsten Ebenen weiter auf die Zivilgesellschaft abwälzen würden.
Eine Enthaltung ist keine neutrale Position, sondern sie heißt, dass man zu einer bestimmten Frage keine Haltung hat. Ich habe aber eine Haltung zu diesem Thema und die ist eindeutig: Wir dürfen die handelnden Menschen vor Ort, von der Zivilgesellschaft und in den Verwaltungen, nicht mehr allein lassen. Darum habe ich dem Kompromiss, den unser grün mitregiertes Land mitträgt, zugestimmt.
Erklärung nach § 31 GOBT zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz
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