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14.02.12 –
Bis heute ist das Verhältnis zwischen den Grünen und der Chemieindustrie nicht spannungsfrei. Stehen die Zeichen weiter auf Kampf? Oder geht was zwischen Grünen und Chemie? Dr. Valerie Wilms diskutierte in Elmshorn mit Dr. Volker Weintritt von Bayer MaterialScience.
Jute statt Plastik stand schon in der Gründungsurkunde der Grünen. Katastrophale Chemieunfälle wie Bophal, Seveso oder Sandoz schienen zu bestätigen, dass die Chemie vor allem die Zukunft des Planeten ruiniert. Bis heute ist das Verhältnis zwischen den Grünen und der Chemieindustrie nicht spannungsfrei: Als energieintensive Branche trägt die Chemie wesentlich zum Klimawandel bei und gentechnisch veränderte Lebensmittel lassen nicht nur vielen Grünen die Haare zu Berge stehen. Stehen also die Zeichen weiter auf Kampf? Nicht unbedingt. Beide Seiten wissen, dass man sich bewegen muss und bewegen kann. Die Chemie ist nicht nur ein Problem - sie wird auch Teil der Lösung sein. Denn auch die Chemiebranche kennt die Ölpreisentwicklung und will nicht auf Gedeih und Verderb davon abhängig sein. Noch immer werden nahezu alle Kunststoffe auf Erdölbasis hergestellt. Nicht mal ein halbes Prozent der jährlich weltweit produzierten Kunststoffe wird auf biologischer Basis erzeugt. Will die Chemie eine Zukunft haben, muss sie viel stärker nach Alternativen zum Öl suchen. Die chemische Industrie kann also eine entscheidende Rolle bei der ökologischen Modernisierung spielen. Experten schätzen, dass 2025 40 bis 50% der Feinchemikalien biobasiert produziert werden könnten. Auch bei der Energiewende kann die Industrie hocheffiziente Dämmstoffe bereitstellen und mit der Entwicklung energieeffizienter Produktionsverfahren den Energieverbrauch und Schadstoffausstoß mindern.
In einem an Rohstoffen armen Land muss sich die Industrie auf Forschung und Entwicklung konzentrieren. Eine grüne Chemie muss die Ökobilanz über den gesamten Lebensweg eines Produktes berücksichtigen. Es ist gut und wichtig, Lebensmittel sauber und sicher zu verpacken - aber niemand braucht dafür Packungen, die mehrere Jahrhunderte halten. Neben der Vermeidung muss deswegen viel mehr an die Weiterverwendung gedacht werden. Die Chemie-Produktion muss deswegen ihre Ressourcen, die Produktentwicklung und die Produktionsabläufe neu überdenken. Um das zu forcieren muss die Politik aktiv werden. Das Ende der steuerlichen Bevorzugung der stofflichen Nutzung von Erdöl gehört hier ebenso dazu wie eine Umweltabgabe oder Pfand für jede Plastiktüte.
Die Chemieindustrie ist ein wichtiger Standortfaktor. Sie war und ist eine Schlüsselindustrie in der rund 400 000 Menschen einen Arbeitsplatz finden. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit, der Chemiestandort Deutschland und damit die Sicherheit der Arbeitsplätze hängen davon ab, wie schnell die chemische Industrie diese Herausforderungen annimmt. Wie in anderen Industrien werden auch in der Chemie die Themen Klima, Umwelt und Ressourcen der Schlüssel zu neuen Geschäftsfeldern. Die Ansätze sind vielversprechend und in diesem Jahr soll die erste deutsche Anlage für Kunststoffe aus Milchsäure in Betrieb gehen. Wir haben keinen Mangel an klugen Köpfen in der chemischen Industrie. Viele wollen hier etwas verändern und dazu beitragen, dass unser Leben umweltschonender, nachhaltiger und gesünder wird. Diese Potenziale müssen wir nutzen. Je früher und schneller sich der Wandel vollzieht, desto größer sind auch die langfristigen Chancen für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.
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