Aktuelle Stunde: Kritik an CSU-Maut

Die EU-Kommissarin Bulc hatte erneut Dobrindts CSU-Maut kritisiert, da diese gegen geltendes Recht verstößt. Dobrindt versucht eine diskriminierungsfreie Diskriminierung. Damit stellt er regionale CSU-Interessen vor europäische Werte.

19.12.14 –

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Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, worüber wir hier reden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist denn dafür verantwortlich?)

Seit über einem Jahr beschäftigt uns dieses Ungetüm CSU-Maut. Die Frage ist: Wozu eigentlich? Diese Frage ist nach wie vor nicht beantwortet. Es fehlt bis jetzt der Nachweis, Herr Minister, dass Ihre CSU-Maut tatsächlich etwas einbringt.

(Kirsten Lühmann (SPD): Der Gesetzentwurf liegt erst seit gestern vor!)

Wir haben das Verkehrsministerium häufig gefragt: Was kommt eigentlich dabei heraus? Sie haben ein riesiges Staatsgeheimnis daraus gemacht. Ihr Ministerium kann uns trotz mehrfacher Anfragen nicht sagen, wie es auf Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro kommt.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Aha!)

Sie können die simpelste Frage nicht beantworten. Sie können nicht sagen, ob das Gesetz etwas nützen wird. Herr Minister, das ist eine unfassbare Unverfrorenheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber das ist längst nicht alles. Es war ja schon eine absurde Idee, die CSU-Maut in den Koalitionsvertrag zu schreiben.

(Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Alle Abgeordneten der Koalition sollten sich noch einmal genau ansehen, was da steht, insbesondere auch Herr Kollege Petry, den ich im Verkehrsausschuss noch nicht gesehen habe. Aber ich habe ja festgestellt, dass Sie das über die Finanzschiene machen.

(Christian Petry (SPD): Europaausschuss! - Kirsten Lühmann (SPD): Das ist hier eine Europadebatte! - Gustav Herzog (SPD): Sie haben der Rede nicht zugehört!)

- Und Europa, ja. - Lassen Sie mich aus dem Koalitionsvertrag zitieren:

Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag der Halter von nicht in Deutschland zugelassenen PKW erheben ... mit der Maßgabe, dass kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute. Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen.

(Karl Holmeier (CDU/CSU): Passt!)

Kollege Petry und alle anderen Kollegen, jetzt können Sie sich fragen, ob Sie das wirklich bekommen haben.

Erstens. Zusätzliche Finanzierung. Sie ist mehr als fragwürdig. Wir wissen überhaupt nicht, ob es tatsächlich zusätzliche Einnahmen geben wird. Diese Geheimniskrämerei, Herr Minister, konnten Sie auch nicht durch einen launigen Medienauftritt gestern in der Bundespressekonferenz ersetzen. Die Journalisten konnten sich, wie mir berichtet wurde, vor Lachen kaum halten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))

Das ist absolut abenteuerlich und hat mit kluger Staatskunst nun rein gar nichts mehr zu tun. Da half auch der halbstündige Auftritt danach im Verkehrsausschuss nicht mehr.

Zweitens: EU-rechtskonforme Ausgestaltung. Das Verkehrsministerium hat fast alles versucht, um die Quadratur des Kreises hinzubekommen. Es war aber immer klar, dass Ihnen das nicht gelingt. Denn die gesamte Idee verstößt gegen europäische Grundsätze. Wer eine Maut nur für Ausländer will, benachteiligt sie - Punkt. Das ist vollkommen klar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es gibt einfach keine diskriminierungsfreie Diskriminierung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Darauf hat Sie die Kommissarin auch in einem Schreiben sehr deutlich hingewiesen, Herr Minister. Wenn Sie das ignorieren, dann landet der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof.

Die Frage ist doch: Was passiert dann? Entweder fällt die Kompensation über die Kfz-Steuer weg - dann gibt es die Maut für alle, eingeführt vom CSU-Maut-Minister Dobrindt -,

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Darauf läuft es hinaus!)

oder die Maut wird gekippt; dann fehlen 3,7 Milliarden Euro im Verkehrsetat. Behaupten Sie bitte nicht, Herr Minister, dass so etwas nicht passieren kann. Wir haben das bei der Einführung der Lkw-Maut schon einmal erlebt. Es ist mir schleierhaft, wie sich die Koalition auf so einen Ritt auf der Rasierklinge einlassen kann. Das ist absolut unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, die Minister haben in einer Protokollerklärung im Kabinett deutlich erklärt, dass niemals ein deutscher Autofahrer mehr belastet werden darf. Wenn Sie das wirklich ernst meinen, dann müssen Sie in der parlamentarischen Beratung eine Selbstzerstörungsklausel in beide Gesetzentwürfe einbauen;

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

das habe ich auch gestern schon im Ausschuss gesagt. Denn nur dann kann der Trick von Herrn Dobrindt, eine Pkw-Maut für alle einzuführen, verhindert werden. Ich möchte nicht erleben, dass dies dann wieder Europa in die Schuhe geschoben wird; damit ist die CSU ja manchmal sehr schnell. Schon allein deswegen darf die CSU-Maut hier nicht durchgewunken werden.

Aber es gibt noch einen anderen entscheidenden Punkt, der den ganzen Aberwitz dieses CSU-Vorhabens deutlich macht. Wir haben bei der Kraftfahrzeugsteuer bisher ein sehr klares Prinzip: Wer einen schweren Wagen mit hohem Schadstoffausstoß fährt, bezahlt mehr. Die Stinker blechen. Das ist absolut vernünftig, und darüber gibt es eigentlich Konsens. Aber diese CSU-Maut stellt dieses Prinzip auf den Kopf; denn der größte Stinker bekommt jetzt die größte Entlastung.

(Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Es lohnt sich wieder, besonders umweltschädlich zu fahren. Das schreiben Sie als neues Prinzip in Ihren Gesetzentwurf. Was für ein Irrsinn!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt schlägt die Stunde des Parlaments; Kollege Hartmann, da haben Sie absolut recht. Bei der gestrigen halbstündigen kleinen Showeinlage des Herrn Ministers im Verkehrsausschuss hatten wir ja gerade noch zehn Minuten Zeit für eine erste Runde, in der wir sicherlich nicht alle Fragen stellen konnten. Jeder einzelne Abgeordnete der Großen Koalition sollte genau prüfen, ob er diese Gesetzentwürfe wirklich will. Denn die Einnahmen sind unsicher, sie widersprechen der Grundidee eines vereinten Europas, und sie bevorzugen umweltschädliche Autos. Was in den Gesetzentwürfen steht, ist absolut inakzeptabel. Lassen Sie sich das als frei gewählte deutsche Abgeordnete nicht bieten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Sinne: Frohe Weihnachtstage und einen guten Rutsch ins neue Jahr! Denken Sie einmal darüber nach. Vielleicht kommen wir am Schluss zu einer passablen, brauchbaren Lösung.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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