Bundesverkehrswegeplan: Wir brauchen Mut und keine Luschen

Rede im Bundestag Der Bundesverkehrswegeplan könnte tatsächlich etwas erreichen, wenn man ihn richtig anpacken würde. Noch ist es möglich, daraus wirklich etwas Brauchbares zu machen, wenn er grundsätzlich überarbeitet und zu einem Bundesnetzplan aller Verkehrswege weiterentwickelt wird.

29.04.16 –

Rede im Bundestag

Der Bundesverkehrswegeplan könnte tatsächlich etwas erreichen, wenn man ihn richtig anpacken würde. Noch ist es möglich, daraus wirklich etwas Brauchbares zu machen, wenn er grundsätzlich überarbeitet und zu einem Bundesnetzplan aller Verkehrswege weiterentwickelt wird.

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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Jetzt kommen wir beim letzten Tagesordnungspunkt zu einem ganz wichtigen Thema: Bundesverkehrswegeplan Deutschland hat eines der dichtesten und komplexesten Verkehrsnetze der Welt; ich glaube, darüber sind wir uns alle einig Für unseren Ver- kehrsminister ist das Ganze offensichtlich zu komplex Denn anders ist nicht zu erklären, warum er sich beim Bundesverkehrswegeplan mal wieder so heillos verzettelt hat.

Eine der wichtigsten Aufgaben des Verkehrsministers in dieser Wahlperiode ist es, einen umfassenden Plan zur langfristigen Entwicklung der Verkehrswege vorzulegen

(Kirsten Lühmann [SPD]: Genau!)

Mit fast zweijähriger Verspätung, Kollegin Lühmann, haben wir jetzt mal so etwas wie einen Entwurf bekom- men, der aufschrecken lässt

(Lachen des Abg Michael Donth [CDU/ CSU])

Der Plan ist unvollständig und nicht bezahlbar. Wenn der Entwurf so bleibt, wie er jetzt ist, können zentrale Aufgaben nicht erfüllt werden

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So schlecht ist er auch nicht!)

Damit können weder die Verkehrsprobleme der Zukunft gelöst werden noch ein wirksamer Beitrag zum Klima- Schutz geleistet werden Klimaschutz: Fehlanzeige!Aber das ist bei dem Abgasminister sowieso kein Wunder

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg Thomas Lutze [DIE LINKE])

Die meiste Energie scheint der Minister in seine persönliche PR-Strategie zu stecken. Deswegen müssen wir hier klarstellen, dass die meisten Versprechen nichts anderes als Augenwischerei sind. Es ist schlicht unwahr, dass die Projekte finanzierbar sind. Vielleicht nehmen Sie einmal den Taschenrechner, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatssekretär, und rechnen nach. 

Erstens: Es fehlt über die Hälfte der geplanten Schienenprojekte; denn es wurde nicht einmal geschafft, diese zu prüfen. Sie wissen auch noch nicht, bis wann Sie diese prüfen wollen

Zweitens: Die Hälfte aller Straßenneubauten soll erst nach Ablauf des Planes, also nach 2030, umgesetzt werden Sie haben uns in Wirklichkeit also gleich den übernächsten Bundesverkehrswegeplan mit vorgelegt.

Drittens: Es fehlt jede Berücksichtigung von Kostensteigerungen.

Viertens: Es fehlt selbst bei den Berechnungen des Ministers mindestens 1 Milliarde Euro jährlich.

Aber die Bezahlbarkeit ist bei weitem nicht das einzige Problem. Der Bundesrechnungshof, den wir alle so sehr lieben,

(Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Ministerium nicht!)

hat nachgewiesen, dass die Berechnungen nicht nachvollziehbar sind Zack, damit kracht Ihr ganzes Gebäude zusammen! Aber auch damit ist es noch nicht genug: Das Umweltbundesamt bescheinigt, dass elf der zwölf Ziele aus dem eigenen Umweltbericht des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur – vielleicht ein bisschen mehr Digitales als echter Verkehr – nicht erreicht werden.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Unglaublich!)

Selbst die Kabinettskollegin, Bundesumweltministerin Hendricks, distanziert sich vom Vorschlag des Herrn Dobrindt

(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Thema Kohärenz!)

Der Minister bekommt sein Papier von allen Seiten links und rechts schön um die Ohren gehauen! So etwas passiert, werte Kolleginnen und Kollegen, wenn die PR wichtiger ist als der Inhalt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So etwas passiert, wenn ein Minister im Grunde ein Generalsekretär geblieben ist. Wäre er es doch tatsächlich geblieben!

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann hätte man der Republik viel ersparen können!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

man muss sich das alles auf der Zunge zergehen lassen: Seit fast fünf Jahren werden Gutachter, Ministerien und Verwaltungen beschäftigt, ohne dass etwas Brauchbares dabei herauskommt. Das liegt nicht daran, dass dort schlechte Arbeit gemacht wird, mitnichten. Es liegt daran, dass der Fisch – wie heißt es so schön? – vom Kopf her stinkt. Es fehlen bei Herrn Dobrindt Willen oder Fähigkeit, Ziele zu formulieren.

Das beste Navigationsgerät führt nirgends hin, wenn kein Ziel eingegeben wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundesverkehrswegeplan könnte tatsächlich etwas erreichen, wenn man ihn richtig anpacken würde. Aber Fehlanzeige! Deswegen muss das Vorhandene mindestens zu einem Bundesnetzplan aller Verkehrswege weiterentwickelt werden. Das heißt, einzelne Projekte dürfen nicht mehr isoliert betrachtet werden, sondern es kommt auf das Zusammenwirken aller Verkehrsmittel an. Dazu brauchen wir klare Vorgaben, wie die Klimaschutzziele von Paris erreicht werden können. Bisher geht es nur aufwärts mit den CO2-Emissionen im Verkehr.

Dazu müssen wir ein Vorrangnetz in einem Netzplan definieren, das Deutschland intelligent in Europa einbindet. Ein vernünftiger Netzplan muss endlich auch Prioritäten setzen. Es braucht den Mut, die Projekte in eine echte Rangfolge ohne lokale Rücksichtnahme zu bringen. Es ist doch völlig klar, dass manches wichtiger ist!

Die jetzigen groben Kategorien sind Augenwischerei. Sie bedeuten eben nicht, dass der sogenannte „Vordring- liche Bedarf zur Engpassbeseitigung“ zuerst realisiert werden muss. Hier wird sich um eine klare Aussage gedrückt, und zwar aus einem einzigen Grund: Es soll nach wie vor möglich sein, Wahlkreise zu beglücken.

(Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Es kommt vielen Wahlkreisabgeordneten dieser Koalition nämlich nicht darauf an, Verkehrsprobleme zu lösen 

(Gustav Herzog [SPD]: Schade, Sie haben keinen Wahlkreis!)

– Schreien Sie ruhig laut, Herr Herzog, Sie erreichen sowieso nichts

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Gustav Herzog [SPD]: Ich habe meinen Wahlkreis gewonnen!)

Viel wichtiger ist Ihnen, weiterhin jedes Jahr Millionen Euro nach Hause in eine Ortsumfahrung zu lenken. So geht es nicht

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So viele gibt es doch gar nicht!)

Es ist beschämend, wie wenig der Minister hinbekommt. Für so etwas gab es auf Spiegel Online einen bezeichnenden Begriff – ich zitiere –: „Achtung, Lusche am Steuer“

Aber noch ist der Bundesverkehrswegeplan nur ein Entwurf. Noch ist es möglich, daraus wirklich etwas Brauchbares zu machen, wenn das Ganze grundsätzlich überarbeitet und zu einem Netzplan weiterentwickelt wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen ein System von vernetzten Verkehrswegen statt ein Sammel- surium an lokalen Wünschen. Menschen und Wirtschaft wollen nicht mehr mit platten Parolen hinters Licht ge- führt werden. Wir müssen weg von der Wünsch-dir-was- Politik, aber dazu braucht es Mut.

Wir brauchen Mut in der Politik und keine Luschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)  

Antrag "Den Bundesverkehrswegeplan zum Bundesnetzplan weiterentwickeln" 

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Bundesmobilitätsplan | Rede | Schiene | Schifffahrt | Straße