Verkehrshaushalt: Bundesregeriung fährt im Nebel

Rede im Bundestag Die Verkehrspolitik der Regierung ist wie Fahren im Nebel. Es wird maximal auf Sicht gefahren. Weiter als bis zur nächsten Kurve wird nicht gedacht. Ob die Straße dann weiter geht oder der Abgrund kommt, interessiert nicht.

23.11.12 –

Rede im Bundestag

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Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

Die Verkehrspolitik dieser Regierung lässt sich am besten vergleichen mit dem Fahren im Nebel. Es wird maximal auf Sicht gefahren, gerade so weit, wie man im Nebel schauen kann. Weiter als bis zur nächsten Kurve wird nicht gedacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ob die Straße weitergeht oder der Abgrund kommt, das interessiert sie nicht mehr. ‑ So funktioniert diese Regierung. Da werden zusätzliche 750 Millionen fast nur für Neubauten ausgegeben. Wie es danach weitergeht, interessiert sie nicht. Ein langfristiger Plan? Leider Fehlanzeige!

(Bettina Hagedorn (SPD): Nur Spatenstiche!)

Sie, Herr Minister Ramsauer und Ihre Koalition in Abwicklung, können die zusätzlichen Mittel für den Verkehr feiern, wie Sie wollen. Die bittere Wahrheit ist: Sie vergrößern die Probleme damit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch schlimmer ist: Sie wollen noch nicht einmal sehen, dass Sie durch diese Handlungsweise die Probleme vergrößern.

Auf den ersten Blick könnte man ja denken, Sie hätten etwas gelernt. Im Haushaltsentwurf vom Sommer verschieben Sie mehr Mittel in den Erhalt und kürzen beim Neubau. Vom Grundsatz her ist das richtig; denn wir alle wissen: Wir haben ein riesiges Problem mit dem Erhalt dessen, was wir schon gebaut haben. Das ist auch in Amerika so, Herr Kollege Kalb. Es geht nicht unbedingt um Neubau, sondern um den Erhalt dessen, was in die Welt gesetzt wurde.

Der Haushaltsentwurf sah zunächst einigermaßen passabel aus. Aber es war eine Mogelpackung, und zwar aus zwei Gründen. Erstens können die Länder die Mittel für den Erhalt auch für den Neubau nutzen. Sie wissen, das ist lange so passiert, weil die Titel untereinander deckungsfähig sind. Zweitens ist dieser Haushaltsentwurf das Papier, auf dem er geschrieben ist, nicht wert;

(Johannes Kahrs (SPD): Das ist aber nichts Neues!)

denn Sie fordern umgehend zusätzliche Mittel, um sie fast komplett in Neubauten zu stecken. Wo bleibt denn eigentlich die Ehrlichkeit, die Sie im Umgang mit dem Parlament angekündigt haben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Drei Viertel der zusätzlichen Mittel landen im Straßenneubau. Wir werden also im nächsten Jahr wieder einige blitzblank geputzte Spaten sehen, die pünktlich zu den Wahlen neue Bauprojekte ankündigen. Im Frühjahr dieses Jahres haben Sie das in Brunsbüttel an der Schleuse gemacht. Ihre Mitarbeiter vom Wasser- und Schifffahrtsamt haben extra neue Spaten gekauft, ganz frisch, nigelnagelneu. Die haben sie in den Boden gerammt. Aber wo ist der Bagger? Ich habe ihn bislang noch nicht gesehen.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das Ganze tun Sie, obwohl Sie genau wissen, dass die Probleme größer werden; denn jeder neu gebaute Kilometer bindet Mittel in der Zukunft. Eine verantwortungsvolle Regierung würde sich darüber ernsthaft Gedanken machen;

(Bettina Hagedorn (SPD): Aber das sind die nicht!)

aber Sie stellen sich diesem Problem nicht. Die neuen Straßen werden nicht durchfinanziert,

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

der Bau wird über Jahrzehnte gestreckt; aber das interessiert Sie nicht. Das Einzige, was für Sie zählt, sind ein paar schöne Bilder und Versprechen für den Wahlkampf. Das mag Ihnen vielleicht gefallen, aber eine solche Handlungsweise ist unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Mit Nachhaltigkeit, die für unsere zukünftigen Generationen wichtig ist, hat das überhaupt nichts zu tun.

Der größte Hammer aber ist: Wenn es nach dieser Regierung geht, soll sich das nicht ändern. Derzeit wird der nächste Bundesverkehrswegeplan vorbereitet. Aber noch während Sie überlegen, nach welcher Methodik die Projekte aufgenommen werden sollen, laden Sie die Länder herzlich ein ‑ das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: herzlich ‑, ihre Wünsche zu äußern. In den nächsten Monaten werden wir wieder landauf, landab neue und alte Wünsche hören; das kennen wir ja schon. IHKs, Wahlkreisabgeordnete und Länder werden sich gegenseitig mit Vorschlägen zu Verkehrsprojekten überbieten.

(Iris Gleicke (SPD): Nichts gegen Wahlkreisabgeordnete!)

Das Schöne für die Länder ist, dass der Bund alles bezahlt. In der Verkehrspolitik geht es zu wie zu Weihnachten: Man darf sich etwas wünschen, das Spielzeug benutzen und kaputtmachen, wie man will. Hauptsache, der Bund als Weihnachtsmann bezahlt die ganze Nummer.

So kann es nicht weitergehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‑ Johannes Kahrs (SPD): Das stimmt!)

Wir müssen grundlegend etwas verändern, und wir müssen jetzt damit anfangen.

(Johannes Kahrs (SPD): Abwählen!)

Beton bedeutet nicht: mehr Fortschritt. Damit betonieren wir nämlich vor allem die Möglichkeiten für unsere Kinder, unsere Enkel und deren Kinder in der Zukunft. Daher appelliere ich hier an alle Fraktionen, nicht nur an die Regierungsfraktionen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‑ Volker Kauder (CDU/CSU): Aha!)

Bei der Aufstellung dieses Haushalts wurden wieder einmal alle Chancen liegen gelassen. Die Koalition zeigt beim Verkehrsetat, dass sie nicht verantwortungsvoll mit Geld umgehen kann ‑ jeder Mittelständler rauft sich die Haare ‑: Ohne Plan und auf Pump verplempern Sie Geld für Prestigeprojekte.

(Patrick Döring (FDP): Quatsch!)

Das ist möglich, weil Sie nicht so vernünftig rechnen, wie es ein Mittelständler tut. Als Bund leisten wir uns, wie ein Dinosaurier, weiterhin die kameralistische Haushaltsführung. Damit kann niemand nachvollziehen, was an Werten vorhanden ist. Wir wissen nicht, wie viel wir eigentlich jährlich zurücklegen müssten, um die Substanz zu erhalten. Deswegen fahren wir dauernd auf Verschleiß. Kein Mittelständler könnte sich so etwas leisten; aber die schwarz-gelbe Chaostruppe, die von Wirtschaft angeblich etwas versteht, fasst dieses Grundsatzproblem nicht an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich plädiere deswegen dafür, dass sich zumindest die Verkehrspolitiker einmal zusammensetzen und über neue Steuerungsmodelle für den Verkehrsetat nachdenken. Hier könnten wir mit doppischer Haushaltsführung viel klarer die Mittel einteilen, statt sie, wie heute, zu verstecken. Diese Diskussion müssen wir jetzt beginnen. Wir brauchen sie für die langfristige Planung.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Wilms!

Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich bin gleich so weit, Herr Präsident.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Das wäre schön.

Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wir brauchen einen ganz neuen Ansatz.

(Patrick Döring (FDP): Sie sicher nicht!)

Wir wollen die Mobilität unserer Menschen und der Wirtschaft in Deutschland sichern. Das sind wir den zukünftigen Generationen schuldig. Wir dürfen nicht nur bis zur nächsten Wahl denken.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

 

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Rede | Schiene | Straße