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17.12.15 –
Gastkommentar im Handelsblatt
Elektromobilität bedingt ein dichtes Ladenetz, meinen Marcus Böske und Valerie Wilms.
Neben dem hohen Anschaffungspreis ist vor allem die geringe Reichweite von Elektrofahrzeugen eines der Haupthindernisse für das von der Bundesregierung formulierte Ziel, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu bringen. Ohne ein öffentlich nutzbares Ladenetz bleiben die Stromer Exoten. Im europäischen Vorreiterland Norwegen zeigt sich das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität: Die Wirtschaftlichkeit der Ladeinfrastruktur und die Zahl der Elektrofahrzeuge hängen direkt miteinander zusammen.
Es ist daher unverständlich, dass das Bundeswirtschaftsministerium im aktuellen Gesetzentwurf zum Strommarkt eine interessante Option ausschließen will. Zwar wird der Markthochlauf der Elektromobilität weiter als Ziel formuliert, gleichzeitig jedoch der Aufbau einer Ladeinfrastruktur ausgebremst.
So soll der Betrieb eines öffentlichen Ladenetzes durch die heutigen Betreiber der Stromverteilernetze verhindert werden. Stattdessen wird ausschließlich auf private Investitionen gesetzt - wohl in der Hoffnung auf ein neues Geschäftsmodell für Investoren. Die sind jedoch bisher ausgeblieben, weil der Aufbau eines Ladenetzes offensichtlich zu kostspielig ist und der Verkauf von Kilowattstunden zu wenig Rendite verspricht, solange es keine nennenswerte Zahl an Elektromobilen gibt. Am Ende steht zu befürchten, dass Förderung gelingt.
Viele Kommunen haben Elektromobilität im Rahmen regionaler Klimaschutzkonzepte als wichtigen Baustein der Energiewende vor Ort identifiziert. Sie wollen die neue Mobilität und brauchen deswegen entsprechende Ladestationen. Oft sind sie jedoch nicht in der Lage, die notwendige Anschubfinanzierung für eine öffentliche Ladeinfrastruktur aus der Stadtkasse zu leisten. Fraglich ist, ob private Investoren diese Investitionen zügig anschieben. Zudem ist auch zu befürchten, dass mit Einzelprojekten keine ausreichende Flächenabdeckung erreicht werden kann.
Viel sinnvoller wäre es deswegen, die Netzbetreiber zum Zuge kommen zu lassen. Unter Aufsicht der Bundesnetzagentur ist der diskriminierungsfreie Betrieb der Stromnetze eine der Grundlagen für den Wettbewerb im Strommarkt. Mit dem Know-how der Netzbetreiber könnte schnell und effizient auch eine öffentliche Ladeinfrastruktur errichtet werden. Dafür gibt es bereits heute erfolgreiche Beispiele wie den Masterplan Elektromobilität in Hamburg.
Innerhalb der regulierten Stromnetze würden die vergleichsweise geringen Anfangsinvestitionen in eine öffentliche Ladeinfrastruktur kaum zu höheren Netzentgelten führen und mit zunehmender Zahl der Stromer sogar reduzierend wirken. Gleichzeitig wäre sichergestellt, dass die neue Infrastruktur für alle nutzbar wird. Der Bau und Betrieb der Ladesäulen durch die Netzbetreiber wäre zwingend. Dazu brauchte es nur den entsprechenden gesetzlichen Rahmen. Herr Gabriel muss die Tür aufmachen, nicht zuschlagen!
Valerie Wilms ist für Bündnis 90/ Die Grünen Mitglied des Bundestags und Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke Lübeck GmbH sowie der Netz Lübeck GmbH; Marcus Böske ist Geschäftsführer von Netz Lübeck
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