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11.11.16 –
Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau
Sollen in Deutschland ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden? Während die einen das für absolut unumgänglich halten, um unser Klima zu retten, sagen die anderen, dass damit die Axt an einer wesentlichen Grundlage der deutschen Wirtschaft angelegt werde. Dieser Zwist ist jedoch eine Phantomdebatte. Wenn 2030 tatsächlich noch ein Verbot notwendig ist, um umweltfreundliche Mobilität zu ermöglichen, dann brauchen wir uns keine Gedanken mehr um die deutsche Automobilindustrie zu machen. Denn für diesen Fall wird sie dann keine große Rolle mehr spielen.
Wenn deutsche Hersteller ihre Zukunft weiterhin in den Erfolgen der Vergangenheit suchen, dann werden andere die neuen Bedürfnisse bedienen. Denn die Zukunft hat ja längst begonnen: China gibt dabei den Takt vor. Schon heute ist es im Prinzip unmöglich, in Peking ein Auto mit Verbrennungsmotor zuzulassen. Flaggschiffe der deutschen Automobilindustrie haben dort schon jetzt keine Chance mehr. Vor kurzem wurden Pläne für eine weitere Verschärfung bekannt. 2018 will demnach die chinesische Führung eine verbindliche Elektroquote einführen: Mindestens acht Prozent aller Fahrzeuge sollen neue Antriebe haben – sonst wird es für den Hersteller teuer oder er muss seinen Absatz drosseln. Es ist fraglich, ob deutsche Hersteller so schnell auf diese Regeln im für sie wichtigsten Markt reagieren können.
Statt Elektrofahrzeuge für den Massenmarkt zeigen deutsche Hersteller auf Messen lieber kühne Visionen, die regelmäßig nicht umgesetzt wurden. Man setzt auf Bewährtes, weil das jahrzehntelang beste Umsätze garantiert hat. In der Zeit, in der man in Wolfsburg an der neuen Generation Golf mit einem über hundert Jahre alten Antrieb getüftelt hat, wurde die Revolution woanders begonnen: Mit über 700.000 Stück werden heute in China hundert Mal mehr Fahrzeuge mit neuen Antrieben verkauft als vor sechs Jahren. Hier in Deutschland musste der Logistikdienstleister Post in dieser Zeit gezwungenermaßen zum Autobauer werden, weil kein klassischer Hersteller daran interessiert war, die geplanten 70.000 elektrischen Lieferfahrzeuge zu produzieren. Tesla als Shooting-Star der Branche hat quasi aus dem Nichts eine komplette Marke und völlig neu konzipierte Fahrzeuge auf den Markt gebracht.
Das alles geschieht jetzt – und nicht in vier oder fünf Jahren, wenn Volkswagen oder Daimler Elektrofahrzeuge für den Massenmarkt vollmundig versprechen. Entweder können die Hersteller jetzt mitspielen – oder sie müssen sich zukünftig im besten Fall auf kleine Nischenmärkte einrichten. Bestimmt gibt es noch lange Automobil- Liebhaber, die sich am Klang eines V8-Motors erfreuen und bereit sind, viel Geld dafür auszugeben. Mag sein, dass deutsche Hersteller ganz weit vorn liegen bei perfekten Spaltmaßen und dem Klangdesign der Fahrertür. Wenn das der Markt ist, auf den deutsche Hersteller setzen, werden sie sich wohl auf deutlich kleinere Absätze einrichten müssen.
Denn der Markt der Zukunft wird Bedürfnisse befriedigen müssen, die weit darüber hinausgehen. Klimaschutz und saubere Luft in Städten sind ein ganz wesentlicher Grund für Fahrzeuge mit neuen Antrieben. Aber die Zukunft der Mobilität muss auch anderen neuen Ansprüchen genügen, bei denen fraglich ist, ob unsere klassischen Hersteller diese schon verstanden haben. Autofahren kann ja durchaus Spaß machen. Im absolut überwiegenden Teil ist es jedoch eine Qual. Millionen von Stunden werden weitestgehend sinnlos im Stau verbracht. Vor allem Pendler können ein Lied davon singen, wie viel Zeit ihnen im Auto gestohlen wird, wenn sie hinter dem Steuer sitzen: Man kann (oder besser: sollte) keine Büroarbeit erledigen, keinen Film sehen, nicht mit dem Kind spielen oder einfach nur versunken aus dem Fenster schauen.
Autofahren kann wahnsinnig langweilig und gleichzeitig sehr anstrengend sein. Wer für diese gestohlene Zeit brauchbare und bezahlbare Lösungen anbieten kann, wird zukünftig sehr gefragt sein. Neue Player wie Google und Apple stehen vor der Tür und wollen mit autonom fahrenden Elektrofahrzeugen genau diese Wünsche erfüllen.
Hunderttausende Arbeitsplätze stehen wegen der Versäumnisse deutscher Hersteller auf dem Spiel. Innerhalb weniger Jahre wurden einstige Giganten vom Markt gefegt: In den Ruinen von Detroit kann man die musealen Reste der einst stolzen US-amerikanischen Automobilindustrie bestaunen. Auch andere Märkte sollten ein warnendes Beispiel sein: Nachdem Kodak jahrzehntelang ein Synonym für Familienbilder war, verschwand es sang- und klanglos mit dem digitalen Zeitalter. Und vielleicht hat ja noch der ein oder andere ein Nokia-Handy in der Schublade liegen. Der einstige Marktführer verkaufte 2013 die ganze Mobiltelefonsparte, nachdem man die Smartphone-Welle verpasst hatte.
Die Erkenntnis daraus ist eigentlich ziemlich klar: Wer Entwicklungen verschläft, ist raus – egal wie lang und bedeutend die Firmengeschichte ist. Wenn die deutschen Hersteller nicht sehr schnell den Anschluss an die Mobilität der Zukunft finden, werden deswegen weder ein Lobgesang auf die Diesel-Technologie noch ein Verbot im Jahr 2030 etwas bringen. Nur wenn uns das klar ist, haben wir eine Chance, ein wichtiger Standort für eine Industrie der Zukunft zu bleiben, von der noch hoffentlich lange Millionen von Menschen leben können.
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